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Eine Raumstation jenseits der Sterne – 20 Jahre nach dem Ende von “Star Trek: Deep Space Nine”

Heute vor 20 Jahren, am 2. Juni 1999, endete die dritte „Star Trek“-Realfilm-Serie „Deep Space Nine” (DS9) nach einer Laufzeit von rund sechseinhalb Jahren, sieben Staffeln und 176 Episoden mit einem dramatischen Finale. Anlässlich des 20-jährigen Jubiläums von „Das, was du zurücklässt“/„What You Leave Behind“ blicken wir noch einmal ausführlich zurück auf die am meisten unterschätzte Serie aus dem Star Trek-Universum.

Wie alles begann

Zu Beginn der 1990er-Jahre hatte sich der erste (wenn man „The Animated Series“ nicht mitzählt) Star Trek-Ableger „Star Trek: The Next Generation“ (TNG) zu einem echten Publikumsmagneten entwickelt. Zudem wurde auch die Kinofilmreihe mit der „The Original Series“-Crew (TOS) erfolgreich fortgeführt, 1989 mit „Star Trek V: The Final Frontier“ und 1991 mit dem Film „Star Trek VI: The Undiscovered Country“, der die bevorstehende Staffelübergabe an die TNG-Crew erstmals andeutete.

„Star Trek“ hatte sich für das Filmstudio Paramount Pictures als großer finanzieller Erfolg erwiesen, doch die steigenden Produktionskosten von „The Next Generation“ sowie der sich anbahnende Wechsel dieser zweiten Star Trek-Generation vom Fernsehbildschirm auf die Kinoleinwand führte dazu, dass man Anfang der 90er-Jahre die Konzeption einer weiteren „Star Trek”-Serie in Angriff nahm. Nachdem verschiedene Konzepte diskutiert worden waren (z.B. Sulu-Serie, Klingonen-Serie, Kolonie-Serie, Akademie-Serie), setzte sich die Idee einer auf einer Raumstation spielenden Serie durch, die im gleichen Zeitrahmen wie TNG angesiedelt sein sollte. Dieses Konzept bedeutete gleichwohl einen radikalen Bruch mit dem bisher in „Star Trek“ praktizierten Erzählstil. Die Autoren mussten sich weitestgehend vom Konzept der Stand-alone-Episode (Planet der Woche) verabschieden und stattdessen staffel- beziehungsweise serienübergreifende Handlungsbögen entwickeln. Neben der Stammbesetzung musste diese neue Serie zudem von mehreren wiederkehrenden Nebencharakteren getragen werden. Außerdem sollte die neue Serie die Beziehungen zwischen den verschiedenen Charakteren realistischer – also konfliktreicher – darstellen. Auch in Bezug auf die Optik und Handlung sollten fortan dunklere Töne angeschlagen werden.

Für die Hauptrolle war dieses Mal ein Schauspieler mit afroamerikanischen Wurzeln vorgesehen, den man in dem damals 44-jährigen Avery Brooks, bekannt aus den Krimi-Serien “Spenser” und “Hawk”, auch fand.

Da „Star Trek”-Erfinder Gene Roddenberry im Oktober 1991 unerwartet an Herzversagen verstorben war, übernahmen dessen Nachfolger Rick Berman sowie der bereits für TNG erfolgreich arbeitende Drehbuchautor Michael Piller die Rolle der ausführenden Produzenten. Als Piller 1995 zu „Star Trek: Voyager“ wechselte, wurde er durch Ira Steven Behr ersetzt.

Captain Sisko (Avery Brooks) ist der Kommandant von Deep SPace 9 (Szenenfoto aus "Way of the Warrior", CBS).
Captain Sisko (Avery Brooks) ist der Kommandant von Deep Space 9 (Szenenfoto aus “Way of the Warrior”, CBS).

Serienstart unter schwierigen Bedingungen

Im Gegensatz zur Vorgängerserie TNG, die bei ihrem Start 1987 mit nahezu keiner Serienkonkurrenz im Science-Fiction-Bereich zu kämpfen hatte, wurde „Deep Space Nine“ in eine Zeit hineingeboren, in der Science-Fiction-Produktionen förmlich wie Pilze aus dem Boden sprossen. Neben dem großen Bruder „The Next Generation“, an dem DS9 zeitlebens gemessen werden sollte, machten auch Serien wie „Time Trax: Zurück in die Zukunft“ (1993/94), „seaQuest DSV“ (1993-96), „Superman: Die Abenteuer von Lois & Clark“ (1993-97), „Akte X – Die unheimlichen Fälle des FBI“ (1993-2002) und vor allem „Babylon 5“ (1993-98) dem jüngsten Star Trek-Kind von Anfang an Konkurrenz. In der Retrospektive war es für DS9 auch sicher kein Vorteil, dass man der Serie mit einem weiteren „Star Trek”-Ableger – „Star Trek: Voyager“ (1995-2001) – die Konkurrenz sogar bewusst ins eigene Haus holte und „Deep Space Nine“ somit um ein Alleinstellungsmerkmal innerhalb der Serienlandschaft brachte. Dass DS9 bis heute die einzige Star Trek-Serie ist, die stets parallel mit einer weiteren Serie aus dem von Gene Roddenberry erdachten Universum lief (abgesehen von der Zeit zwischen Mai 1994 und Januar 1995), muss bei der Bewertung des zweiten „Star Trek”-Spin-Offs unbedingt berücksichtigt werden.

Allen Widrigkeiten zum Trotz konnte sich „Deep Space Nine“ über die Jahre – vor allem ab der vierten Season – zu einem würdigen „Star Trek”-Ableger und darüber hinaus zu einer der besten Science-Fiction-Serien überhaupt entwickeln. Und dennoch, so mein persönlicher Eindruck, hat die Serie sowohl während ihrer Laufzeit als auch in den 20 Jahren danach nicht die Aufmerksamkeit und Würdigung erhalten, die ihr eigentlich gebührt hätte. Für mich ist „Deep Space Nine“ bis heute die am meisten unterschätzte Serie aus dem „Star Trek”-Universum.

Ein ganz anderes “Star Trek”

Folgende zehn Gründe sollen belegen, dass „Star Trek: Deep Space Nine“ bedeutend mehr war als einfach nur eine weitere Serie mit den magischen Worten „Star Trek“ im Titel.

1. „Deep Space Nine” hatte den Mut, neue Wege zu gehen

Wie bereits erwähnt worden ist, sind die Macher von DS9 damals in vielerlei Hinsicht völlig neue und durchaus mutige Wege gegangen. Während TNG Ende der 80er-Jahre noch den Beweis erbracht hatte, dass „Star Trek“ mehr ist als Kirk, Spock und Co., so hat „Deep Space Nine“ gezeigt, dass „Star Trek“ mehr ist als nur die Abenteuer des Raumschiffs Enterprise. „Deep Space Nine“ hat Gene Roddenberrys fiktives Universum um viele neue Facetten reicher gemacht und „Star Trek“ dadurch auf ein höheres erzählerisches Niveau gehievt. Hier sind vor allem der durchgängige Handlungsstrang, die dystopischen – zum Teil sogar apokalyptischen – Story-Elemente, die moralische Fehlbarkeit der Hauptfiguren, die Konflikte innerhalb der Crew sowie das noch konsequentere Heranwagen an politische und spirituelle Themen zu nennen. „Deep Space Nine“ hat „Star Trek“ in gewisser Weise neu erfunden und dem Franchise dadurch eine notwendige Frischzellenkur verpasst – auch gegen anfängliche Widerstände in den Reihen der langjährigen „Star Trek”-Fans.

2. „Deep Space Nine“ war die politischste aller Star Trek-Serien

Zweifelsohne sind auch die Originalserie („Star Trek“ 1966-1969) und „The Next Generation“ schon sehr politisch gewesen, man denke nur an Sternstunden wie die Episode „Das Standgericht” / „The Drumhead“ (TNG 4×21), in der Captain Picard eine beeindruckende Rede über die Bedeutung der Grundrechte hält. Ihren Höhepunkt fand die Politisierung von „Star Trek“ aber eindeutig in „Deep Space Nine“. Historische Analogien sowie Allegorien auf die damalige Gegenwart waren in der Serie deutlich erkennbar, wenngleich diese verfremdet dargestellt wurden und daher nicht eins zu eins auf die Realität übertragen werden können.

Jaresh-Inyo (Herschel Sparber) ist in "Homefront"/"Paradise Lost" der Präsident der Vereinten Föderation der Planeten (Szenenfoto: CBS).
Jaresh-Inyo (Herschel Sparber) ist in “Homefront”/”Paradise Lost” der Präsident der Vereinten Föderation der Planeten (Szenenfoto: CBS).

Die brutale Besatzung Bajors durch die Cardassianern kann als Anspielung auf den Holocaust gedeutet werden. Die ‚Entmilitarisierte Zone‘ (engl. ‘Demilitarized Zone, DMZ) zwischen der Föderation und den Cardassianern erinnerte an die gleichnamige Pufferzone zwischen Nordkorea und Südkorea in der Gegenwart. Der Konflikt zwischen der Föderation, dem Maquis und den Cardassianern weist einige Parallelen zum Nahost-Konflikt auf und der Krieg zwischen der Föderationsallianz und dem Dominion erinnert in seinen Ausmaßen an die beiden Weltkriege im 20. Jahrhundert.

Neben dieser außenpolitischen Dimension kamen im Verlauf der sieben Staffeln auch immer wieder innergesellschaftliche Themen zur Sprache. Die ‚Soziale Frage‘ etwa wurde in der Doppelepisode „Gefangen in der Vergangenheit, Teil 1 & 2“/„Past Tense, Part 1 & 2“ (3×12/13) aus der dritten Staffel eindrucksvoll thematisiert. Die Infiltration der Föderation durch die Wechselbälger brachte zudem das innerstaatliche Spannungsverhältnis zwischen Freiheit und Sicherheit („Die Front“/„Homefront“ und „Das verlorene Paradies“/“Paradise Lost“, 4×11/12) auf das politische Tableau der Serie. Das Volk der streng religiösen Bajoraner rückte die Frage nach dem Verhältnis von Politik und Religion in den Mittelpunkt der gesellschaftspolitischen Reflexion. Die Ferengi wiederum sind fraglos als eine Kritik an den Auswüchsen des sogenannten ‚Raubtierkapitalismus‘ zu interpretieren.

3. „Deep Space Nine“ hat Religion ambivalent dargestellt

Religion wurden in den früheren Star Trek-Serien hauptsächlich negativ bewertet. Religiöse Völker wurden meist vorverurteilend als gehorsamsblind und unaufgeklärt dargestellt und waren den ausschließlich wissenschaftsorientierten Menschen der Föderation deutlich unterlegen. In DS9 wird die Religion hingegen zum ersten Mal in ihrer gesamten Komplexität erfasst, ambivalent und somit objektiv dargestellt.

„Deep Space Nine“ zeigt einerseits mögliche negative Aspekte von Religion: Fundamentalismus („Blasphemie“/“In the Hands of the Prophets“, 1×20), religiöser Extremismus („Entscheidung auf Empok Nor“/„Covenant“, 7×09), Machtstreben („Die Wahl des Kai“/„The Collaborator“, 2×24 und „Shakaar“ [dito], 3×24) sowie blinder Gehorsam. Alle diese negativen Gesichtspunkte manifestieren sich vor allem in der Geistlichen Winn Adami (Louise Fletcher), in Gul Dukat (Marc Alaimo) in seiner Rolle als Anführer der Pah-Geist-Sekte sowie in den bösen Pah-Geistern. In gewisser Weise werden auch die ‚Gründer‘ als falsche Götter dargestellt.

Kai Opaka (Camille Saviola) ist bis zu ihrem frühen Tod 2369 die geistige Führerin der Bajoraner (Szenenfoto aus "Emissary", CBS).
Kai Opaka (Camille Saviola) ist bis zu ihrem frühen Tod 2369 die geistige Führerin der Bajoraner (Szenenfoto aus “Emissary”, CBS).

„Deep Space Nine“ betont aber zugleich auch die positiven Seiten der Religion. Der Glaube an die Propheten fördert beispielsweise – insbesondere in der Konsolidierungsphase des Planeten nach dem Abzug der Cardassianer – den Zusammenhalt der in politischen Fragen zerstrittenen Bajoraner (Integrationsfunktion). Zudem hat der Glaube den Bajoranern in der Zeit der Besetzung ihres Planeten durch die Cardassianer Hoffnung und Kraft gegeben. Vor allem die bajoranischen Geistlichen Kai Opaka (Camille Saviola) und Vedek Bareil Antos (Philip Anglim) stehen für Barmherzigkeit, Selbstlosigkeit und moralische Integrität. Die Propheten (Wurmlochwesen) selbst erscheinen zwielichtiger, treten aber auch als rettende („Sieg oder Niederlage?“/„Sacrifice of Angels“, 6×06) beziehungsweise von seelischem Schmerz erlösende („Der Abgesandte“/„Emissary“ 1×01/02) Wesen in Erscheinung.

Die Darstellung von Religion in „Deep Space Nine“ ist deshalb lobenswert, weil hierin eine Botschaft für Toleranz steckt. Sowohl säkulare als auch religiöse Weltsichten haben in DS9 ihre Berechtigung. Sie sind grundsätzlich miteinander vereinbar, wenngleich Konflikte nicht ausgeschlossen sind. Ob die ‚Propheten‘ nun Götter oder schlicht außerhalb von Raum und Zeit existierende ‚Wurmlochwesen‘ sind, liegt am Ende im Auge des Betrachters. Für Kira sind sie Götter, für die Sternenflottenoffiziere sind sie hingegen körperlose Aliens. Dem Zuschauer wird am Ende keine der beiden Sichtweisen aufgezwungen, er kann sein eigenes Urteil fällen.

4. „Deep Space Nine“ hatte den innovativsten Captain

Während die Captains Archer, Lorca, Pike, Kirk, Picard und Janeway trotz aller charakterlichen Unterschiede einen ähnlichen persönlichen Background haben, ist Commander (später Captain) Sisko (Avery Brooks) bis heute ein Unikum unter den „Star Trek”-Protagonisten.

Im Pilotfilm lernen wir Benjamin Sisko als emotional gebrochenen und alleinerziehenden Witwer kennen. Später findet er seine Freude am Leben wieder, er verliebt sich, er führt eine Langzeitbeziehung und heiratet sogar ein zweites Mal. Sisko hat in der Tat viele Gesichter: Kommandant, Forscher, Soldat, religiöse Figur, Hobbykoch, Ehemann, liebevoller Vater und fürsorglicher Sohn.

Alleinerziehender Vater: Captain Sisko (Avery Brooks, links) und sein Sohn Jake (Cirroc Lofton, rechts) in "The Visitor" (Szenenfoto: CBS).
Alleinerziehender Vater: Captain Sisko (Avery Brooks, links) und sein Sohn Jake (Cirroc Lofton, rechts) in “The Visitor” (Szenenfoto: CBS).

Sisko ist mit Sicherheit – abgesehen vielleicht von Captain Lorca aus dem Spiegeluniversum – der ‚harte Hund‘ unter den „Star Trek”-Captains. Er ist gerade in den letzten beiden Staffeln mehr desillusionierter Soldat als idealistischer Forscher. Sein Pioniergeist scheint ohnehin nicht so stark ausgeprägt zu sein wie der von Archer, Pike, Kirk, Picard oder Janeway. Ansonsten hätte er wohl kaum einen Job in einer der abgelegensten und bedeutungslosesten Regionen des Alpha-Quadranten angenommen. Denn zu der Zeit, als Sisko seinen Posten auf DS9 antritt, dürfte die Stellenbeschreibung eher der eines Entwicklungshelfers als der eines Expeditionisten entsprochen haben: Peace Building statt Tiefenraumforschung steht vor allem in den ersten beiden Staffeln der Serie auf Commander Siskos Agenda.

Auch Siskos diplomatisches Geschick ist nicht so stark ausgeprägt wie das von Captain Picard. Und obwohl er im Privatleben selbst Vater eines Sohnes ist, wirken die Führungsstile von Picard und Janeway weitaus väterlicher beziehungsweise mütterlicher als der von Sisko. Zudem ist der DS9-Captain – ähnlich wie Kirk – mehr Gefühls- als Kopfmensch. Ganz deutlich wird dies an Siskos fragwürdigem Rachefeldzug gegen den Verräter Michael Eddington („Für die Uniform“/„For the Uniform“, 5×13). Sisko ist zudem Pragmatiker, weshalb er auch einige seiner moralische Bedenken in Kriegszeiten über Bord wirft, um das Überleben seiner Untergebenen oder das der gesamten Föderation sicherzustellen („In fahlem Mondlicht“/„In The Pale Moonlight“, 6×19 sowie „Die Belagerung von AR-558“/„The Siege of AR-558“, 7×08).

Der größte Reiz der Figur des Captain Sisko besteht allerdings in seiner Doppelfunktion als Offizier der Sternenflotten und als religiöse Figur. Am Ende fährt er sogar als eine Art Messias in den ‚Himmel‘ auf und existiert fortan als transzendentes Wesen außerhalb von Raum und Zeit. Welcher andere „Star Trek”-Captain könnte da mithalten?!

5. „Deep Space Nine” hatte die besten Gegenspieler

»Khaaaaaan!« Diese Antwort bekommt man wohl von einem Großteil der „Star Trek”-Fans, wenn man nach dem größten Bösewicht in der fast 53-jährigen Star Trek-Historie fragt. Und obwohl auch ich den Augment Khan für den genialsten Gegenspieler von Captain Kirk halte, so ist doch der Cardassianer Gul Dukat (Marc Alaimo) meine absolute Nummer eins unter den „Star Trek”-Antagonisten. Warum? Weil es keinen anderen Bösewicht in „Star Trek“ gibt, der so gut geschrieben und so überzeugend gespielt wurde wie der ehemalige Präfekt von Bajor.

Der Cardassianer Gul Dukat (Marc Alaimo) ist der vielschichtigste Bösewicht in der Geschichte von "Star Trek" (Foto: CBS).
Der Cardassianer Gul Dukat (Marc Alaimo) ist der bis heute vielschichtigste Bösewicht in der Geschichte von “Star Trek” (Foto: CBS).

Dukat verkörpert für mich das Böse in Reinkultur. Er ist nicht einfach nur ein rachsüchtiger, gewaltverherrlichender Ganove, wie man ihn viel zu oft in Filmen oder Serien vorgesetzt bekommt. Vielmehr ist Dukat so facettenreich, dass er alle Aspekte des Bösen widerspiegelt. Er ist arrogant, narzisstisch, geltungsbedürftig, missgünstig, skrupellos und hinterlistig. Er ist aber auch ein intelligenter Mann und ein liebevoller Vater. Und genau das macht ihn als Gegenspieler so genial. Es gibt im Verlauf der Serie immer wieder Episoden und Momente, in denen man als Zuschauer denkt: “Ach, so schlimm ist Dukat doch gar nicht.” Etwa dann, wenn er seine Tochter Tora Ziyal aus einem Gefängnis der Breen befreit. Wenn er an deren Tod beinahe psychisch zugrunde geht. (Wie könnte man in „Sieg oder Niederlage?“ nicht mit Dukat fühlen?) Und wenn er unter Einsatz seines Lebens den zivilen Detapa-Rat rettet oder Sisko dabei hilft, eine Basis der Klingonen zu infiltrieren, dann zeigt sich Dukat als Held, der (vermeintlich) auf der Seite der Guten steht. Aber Dukat ist eben auch ein Meister der Manipulation.

Denn immer wieder sehen wir auch den bösen, narzisstischen und perfiden Dukat. Der Dukat, der sein eigenes Volk an das Dominion verkauft. Der Dukat, der in seiner Zeit als Präfekt Bajors Folter-Verhöre und Exekutionen anordnete und das bajoranische Volk in den Arbeitslagern versklavte und verhungern ließ. Der Dukat, der die Pah-Geister weckt, um einen Krieg gegen die Götter Bajors zu entfachen. Der Dukat, der krankhaft und ungeachtet seiner Verbrechen und Charakterschwächen von allen bewundert und geliebt werden will – von seinem Volk, von Sisko, von Kira, von den Bajoranern und vor allem von seiner Tochter Ziyal. Insbesondere die Episode „Das Gute und das Böse”/„Waltz“ (6×11) spielt auf grandiose Weise mit Dukats Bösartigkeit. Dukat funktioniert als Bösewicht so gut, weil er Sisko in vielen Dingen gleicht und dennoch völlig anders ist. Er ist wie Sisko Kommandant und Vater, Soldat und religiöse Figur. Aber er interpretiert diese Rollen völlig konträr zu Sisko. Genau darin liegt die Quintessenz dieser vielschichtigen Held-Bösewicht-Beziehung.

Geistliche mit zweifelhaften Motiven: Kai Winn Adami (Louise Fletcher) ist in "Deep Space Nine" eine Widersacherin von Captain Sisko (Foto: CBS).
Geistliche mit zweifelhaften Motiven: Kai Winn Adami (Louise Fletcher) ist in “Deep Space Nine” eine Widersacherin von Captain Sisko (Foto: CBS).

Flankiert wird der Schurke Dukat von der ebenso bösartigen Winn Adami (Louise Fletcher). Deren Boshaftigkeit manifestiert sich vor allem in zwei Charaktereigenschaften: Missgunst und Machtgier. Winn neidet Sisko sein Ansehen bei den Bajoranern und seine enge Beziehung zu den Propheten. Und sie strebt nach der absoluten Macht, will sie doch die zuvor getrennten Ämter des geistigen und politischen Anführers in ihrer Person vereinen („Shakaar“ 3×24). Da Winn ihre Bösartigkeit unter dem Deckmantel einer geheuchelten Heiligkeit verbirgt, ist sie das perfekte Gegenstück zu Dukat, dessen Taten während der Besatzung Bajors ihn bereits als bösartige Person ausweisen. Winn symbolisiert den Anfang und das Ende des Bösen. Ihre negativen Gefühle machen aus einer von Missgunst und Machtgier zerfressenen Frau Schritt für Schritt eine noch bösere Person, die am Ende sogar vor Mord nicht zurückschreckt.

Zusammen bilden Dukat und Winn das ultimative Duo des Bösen in „Star Trek“.

6. “Deep Space Nine” hatte den besten Charakter-Mix

Von allen Star Trek-Serien hatte „Deep Space Nine“ ohne Zweifel die beeindruckendste Ansammlung von unterschiedlichen Charakteren. „Deep Space Nine“ war die erste Serie, deren Besatzung nicht vollständig der Sternenflotte angehört. „Voyager“ und „Enterprise“ hatten diesen Ansatz in den Folgejahren zwar ebenfalls verfolgt, konnten jedoch nicht das Konfliktniveau erreichen, das gerade in der ersten Staffel zwischen Sisko und Kira beziehungsweise zwischen Odo und dem Rest der Sternenflotte spürbar war. Äußerst gelungen sind auch die Konflikte zwischen den wissenschaftsorientierten Sternenflottenoffizieren und

Drei Generationen vereint: Captain Benjamin Sisko (Avery Brooks, links), Joseph Sisko (Brock Peters, Mitte) und Jake Sisko (Cirroc Lofton, rechts) in "Far Beyond the Stars" (Szenenfoto: CBS).
Drei Generationen vereint: Captain Benjamin Sisko (Avery Brooks, links), Joseph Sisko (Brock Peters, Mitte) und Jake Sisko (Cirroc Lofton, rechts) in “Far Beyond the Stars” (Szenenfoto: CBS).

dem bajoranischen Klerus. Zudem haben die zivilen Ferengi-Charaktere Quark (Armin Shimerman), Rom (Max Grodénchik) und Nog (Aron Eisenberg) der Serie völlig neue erzählerische Möglichkeiten gegeben. Die Ferengi-Episoden gehören zu den absoluten Highlights der Serie, da diese in der Regel auch jede Menge Humor und intelligente Gesellschaftskritik beinhalten. Auch die Figur des mysteriösen Exil-Cardassianers Elim Garak (Andrew J. Robinson) bot den Autoren eine Grundlage für spannende Geschichten.

Ein Alleinstellungsmerkmal von „Deep Space Nine” sind ferner die dargestellten Beziehungen zwischen den verschiedenen Generationen. In keiner der anderen „Star Trek”-Serie sehen wir drei Generationen über einen längeren Zeitraum miteinander interagieren. DS9 war in gewisser Weise auch eine Familiengeschichte. Am deutlichsten wird dies an den Siskos (Jake, Benjamin, Joseph, Jennifer, Kasidy) und an Quarks Familie (Nog, Quark, Rom, ‚Moogie‘ Ishka).

7. „Deep Space Nine” hatte die beste Charakterentwicklung

Während die Charakterentwicklung in der Originalserie noch eine untergeordnete Rolle gespielt hatte, sollte sich dies mit „The Next Generation“ deutlich ändern. Allerdings hat keine andere „Star Trek”-Serie ihre Haupt- und Nebencharaktere so stringent weiterentwickelt, wie es in „Deep Space Nine“ der Fall war.

Abschied in der "Vic Fontaine's Lounge": Die Hauptcharaktere von "Deep Space Nine" sind in "What You Leave Behind" das letzte Mal vereint (Szenenfoto: CBS).
Abschied in der “Vic Fontaine’s Lounge”: Die Hauptcharaktere von “Deep Space Nine” sind in “What You Leave Behind” das letzte Mal vereint (Szenenfoto: CBS).

Exemplarisch ist hier natürlich zuvorderst der Protagonist, Benjamin Sisko, zu nennen. Sisko nimmt nach anfänglicher Ablehnung seine Rolle als ‚Abgesandter‘ an („Die Übernahme“/“Accession“, 4×17). Er arrangiert sich zudem mit dem Emanzipationsprozess seines Sohnes (3×22 „Die Erforscher“/„Explorers“ und 5×26 „Zu den Waffen!“/„Call to Arms“) und öffnet sich nach Jahren der Trauer um seine verstorbene Frau Jennifer für eine neue Beziehung. Gerade in der Zeit des Krieges ficht Sisko einen inneren Kampf zwischen seiner Moral und seinem Pragmatismus aus (6×19 „In fahlem Mondlicht“/„In the Pale Moonlight”).

Quarks Bruder Rom (Max Grodénchik) mausert sich vom vermeintlichen Idioten zum Großen Nagus der Ferengi (Szenenfoto aus "Bar Association", CBS).
Quarks Bruder Rom (Max Grodénchik) mausert sich vom vermeintlichen Idioten zum Großen Nagus der Ferengi (Szenenfoto aus “Bar Association”, CBS).

Kira Nerys (Nana Visitor) wiederum entwickelt sich über die sieben Serienjahre von einer trotzigen Rebellin zu einer ausgeglichenen Person, die am Ende der Serie sogar zur Kommandantin von Deep Space 9 aufsteigt. Sie lernt im Verlauf der Serie nur sehr langsam, mit ihrer Vergangenheit als Widerstandskämpferin abzuschließen und ihren Hass auf die Cardassianern zu überwinden. Kira öffnet sich nach und nach ihren Mitmenschen, führt Beziehungen und schlüpft gegen Ende der Serie sogar zweimal in eine Mutterrolle (Kirayoshi O’Brien, Ziyal). Besonders stark zeigt sich Kiras Entwicklung in den ersten sechs Episoden der sechsten Staffel. Auch die Figuren Odo (René Auberjonois), Quark (Armin Shimerman), Worf (Michael Dorn) und Bashir (Alexander Siddig) entwickeln sich im Verlauf der Serie in vielen Aspekten teils enorm weiter.

Die wohl beachtlichste Charakterentwicklung nimmt allerdings eine Nebenfigur, nämlich Quarks Bruder Rom (Max Grodénchik). Dieser mausert sich in den sieben Jahren vom einfachen Kellner und Lakaien seines Bruders zum ‚Großen Nagus‘ der Ferengi. Die Figur des Rom ist genial geschrieben, denn hinter dem vermeintlichen Trottel (Quark: „Rom, du Idiot!“) verbirgt sich in Wahrheit ein hochintelligenter Ingenieur sowie eine echte Persönlichkeit.

8. „Deep Space Nine” hat in Sachen Action Maßstäbe gesetzt

„Deep Space Nine“ zeigt gigantische Raumschlachten (4×02 „Der Weg des Kriegers, Teil 2“/“The Way of the Warrior, Part 2“, 5×26 „Zu den Waffen“, 6×06 „Sieg oder Niederlage?“, 7×25 „Das, was du zurücklässt, Teil 1“) sowie beeindruckende Nahkampfszenen (4×02 „Der Weg des Kriegers, Teil 2“, 7×07 „Die Belagerung von AR-558“). Auch wenn „Star Trek: Discovery“ (seit 2017) „Deep Space Nine“ in Sachen Action und Effekte mittlerweile eindeutig überbietet, so hat die Serie doch für die damalige Zeit definitiv neue Maßstäbe gesetzt.

Die neue U.S.S. Defiant nimmt in "What You Leave Behind" an der finalen Schlacht gegen das Dominion teil (Szenenfoto: CBS).
Die neue U.S.S. Defiant nimmt in “What You Leave Behind” an der finalen Schlacht gegen das Dominion teil (Szenenfoto: CBS).
9. „Deep Space Nine“ war ein spannendes Science-Fiction-Drama

Der Spannungsbogen, der zwischen dem Ende der fünften Season bis zum Ende der Serie aufgebaut wurde, ist für „Star Trek”-Verhältnisse enorm. Hier kann höchstens „Discovery“  mithalten. Gerade in Deutschland, wo es in den Neunzigern mitunter sehr lange dauern konnte, bis eine neue Staffel im TV gezeigt wurde, musste man sehr viel Geduld mitbringen. „Deep Space Nine” war zudem enorm dramatisch, man denke nur an Jadzia Dax’ Tod, Siskos Schicksal als Abgesandter oder auch der gesamte Story-Arc um den Dominion-Krieg. Im Gegensatz zu „Discovery” wirkt die Dramatik in „Deep Space Nine” auch weniger pathetisch und ermattend wie etwa der Story-Arc um Michael Burnham in „Discovery”.

 10. „Deep Space Nine” hat die Zukunft vorausgesehen

Wenn man sich heute, 20 Jahre nach der Ausstrahlung des Serienfinales, „Star Trek: Deep Space Nine“ anschaut, dann fällt auf, dass die Autoren einige politische und gesellschaftliche Entwicklungen in fast schon visionärer Voraussicht vorweggenommen haben. Einige Parallelen zur Gegenwart sind so gravierend, dass es einem eiskalt den Rücken hinunterlaufen könnte. Ich möchte daher von ‚Nostradamus-Momenten‘ in „Deep Space Nine“ sprechen.

Wie konnten sie zulassen, dass es so schlimm wurde?“ – Dr. Julian Bashir in „Gefangen in der Vergangenheit, Teil 2“ (3×12)

Die Doppelepisode "Past Tense" thematisiert die 'Soziale Frage' in US-amerikanischen Großstädten wie San Francisco (Szenenfoto: CBS).
Die Doppelepisode “Past Tense” thematisiert die ‘Soziale Frage’ in US-amerikanischen Großstädten wie San Francisco (Szenenfoto: CBS).

Erinnern wir uns beispielsweise an die die Doppelfolge „Gefangen in der Vergangenheit“ aus der dritten Staffel (1995) zurück. In dieser Episode reisen Commander Sisko (Avery Brooks), Dr. Bashir (Alexander Siddig) und Lieutenant Dax (Terry Farrell) zurück in das fiktive Jahr 2024. Was zur Zeit der Produktion noch 30 Jahre in der Zukunft lag, ist heute nur noch fünf Jahre von unserer Gegenwart entfernt. In „Deep Space Nine“ ist die amerikanische Gesellschaft des Jahres 2024 sozial tief gespalten. Während eine reiche Oberschicht in Saus und Braus lebt, muss die arme Unterschicht in vom Staat geschaffenen Ghettos, den sogenannten ‚Schutzzonen‘ (‚Sanctuary Districts‘), ein unwürdiges Leben fristen.

Tatsächlich äußerte der damalige Bürgermeister von Los Angeles in einem Zeitungsinterview, das während der Dreharbeiten zu “Past Tense” veröffentlicht wurde, Gedankenspiele, die in eine ähnliche Richtung gingen (Haven for the Homeless). Und auch wenn man sich aktuelle soziale Entwicklungen vergegenwärtigt, dann ist die vor zwei Jahrzehnten in „Deep Space Nine“ prognostizierte Zukunft leider gar nicht so unwahrscheinlich. Hellhörig macht auch der Dialog zwischen Dax und Angehörigen der reichen und ignoranten Oberschicht, in welchem die Bemerkung fällt, dass das vereinte Europa ob der angespannten sozialen Lage wohl bald auseinanderbrechen werde. Auch die EU der Gegenwart befindet sich derzeit in einer schweren Krise, wie vor allem der ‘Brexit’, die ‘Gelbwestenbewegung’ (in der „Deep Space Nine“-Episode ist von “Studentenunruhen” und “Trotzkisten” die Rede) sowie der Aufstieg zahlreicher EU-kritischer Parteien belegen.

Ein weiterer ‚Nostradamus-Moment‘ birgt die Doppelfolge „Die Front“/“Das verlorene Paradies“ aus der vierten Staffel (1996). In dieser Episode reist Sisko zusammen mit Odo und Jake (Cirroc Lofton) zur Erde, um einer möglichen Infiltration der Föderation durch die ‚Gründer‘ zu begegnen. Dem vorausgegangen war ein Terroranschlag auf der seit Jahrhunderten friedlichen Erde.

Am Ende wird es Ihre Angst sein, die Sie zerstört.“ – Ein Wechselbalg zu Captain Sisko in „Das verlorene Paradies“ (4×12)

Schlussendlich sorgen lediglich vier Wechselbälger dafür, dass auf der Erde zeitweise das Kriegsrecht ausgerufen wird und die Freiheit zugunsten der (vermeintlichen) Sicherheit geopfert wird. Diese Doppelfolge hat in vielen Aspekten den Kampf gegen den transnationalen Terrorismus und die damit verbundenen politischen und gesellschaftlichen Folgen schon Jahre vor dem 11. September 2001 in fiktiver Darstellung vorweggenommen. Was die Wechselbälger in dieser Folge für die Föderation waren, sind sogenannte ‚Schläfer‘ oder ‚Gefährder‘ für die heutige Gesellschaft. Dass die „Deep Space Nine“-Autoren das Thema ‚Freiheit versus Sicherheit‘ schon zu einer Zeit ins Zentrum ihrer Geschichten gestellt haben, in der wohl niemand Anti-Terror-Gesetze wie den ‘Patriot Act’ für denkbar gehalten hätte, ist wirklich erstaunlich. Wenn man beispielsweise den Dialog zwischen Benjamin und Joseph Sisko (Brock Peters) sieht, in dem Sisko Senior seine Weigerung in Bezug auf einen angeordneten Bluttest rechtfertigt, dann könnte man tatsächlich meinen, diese Szene sei erst nach dem 9/11 geschrieben worden.

Vize-Admiral Leyton (Robert Foxworth, links) plant in "Home Front"/Lost Paradise" einen Militärputsch (Szenenfoto: CBS).
Vice Admiral Leyton (Robert Foxworth, links) plant in “Home Front”/Lost Paradise” einen Militärputsch (Szenenfoto: CBS).

Das vernachlässigte Kind der Star Trek-Familie

„Star Trek: Deep Space Nine“ wurde zwar etliche Male für die Primetime Emmy Awards nominiert, gewann diese Auszeichnung allerdings nur in vier Fällen und zwar in den Kategorien Make-up (1993 und 1995), Titelmelodie (1993 an Dennis McCarthy) und visuelle Spezialeffekte (1993). Weitere Auszeichnungen waren der ASCAP-Award (1996,1997,1998) für Jay Chattways Filmmusik,  der Excellence in Production Design Award (1993,1997), der Monitor Award (1998, Kategorie: Elektronische visuelle Effekte), der Golden Reel Award (1993, Kategorie: Bester Tonschnitt) sowie der Universe Reader’s Choice Award (1995, Kategorie: Beste Nebendarstellerin in einer Genre-Fernsehserie für Nana Visitor).

Im Vergleich mit den übrigen „Star Trek-Serien (z.B. Primetime Emmy Awards für „The Next Generation“ [18mal], „Voyager“ [7mal], „Enterprise“ [4mal]) schnitt „Deep Space Nine“ hier deutlich zu schlecht ab. Meiner Ansicht nach war „Deep Space Nine“ mindestens auf demselben qualitativen Niveau wie „The Next Generation“. „Voyager“ gewann zwar mehr Auszeichnungen, hatte aber gegenüber DS9 einen geringeren Unterhaltungswert, weniger Charakterentwicklung und stellenweise auch schwächere Drehbücher. Besonders bitter ist, dass die hervorragende Episode „Jenseits der Sterne“/ „Far Beyond the Stars“ (6×13) im Jahre 1998 zwar dreimal für die Primetime Emmy Awards nominiert wurde, jedoch keinen einzigen gewinnen konnte. Die grandiose Performance von Avery Brooks wurde nicht einmal mit einer Nominierung belohnt. Leider wurde die künstlerische Leistung der Serie – allen voran die vielen exzellenten Drehbücher – damals nicht angemessen gewürdigt.

Auch in Deutschland war „Deep Space Nine“ leider stets das vernachlässigte Kind der „Star Trek“-Familie. Während „Voyager“ und „Enterprise“ hauptsächlich in der Primetime (freitags um 20.15 Uhr auf Sat.1) ausgestrahlt wurden, musste sich „Deep Space Nine“ mit mehreren, teils sehr ungünstigen Sendeplätzen am Nachmittag (z.B. sonntags um 17.20 Uhr und montags bis freitags/samstags um 15 oder 16 Uhr) zufriedengeben. Die sechste Staffel lief stellenweise in Konkurrenz zur Fußball-Bundesliga (samstags um 16 Uhr) und war zudem im Bundesland Bayern aufgrund des auf diesem Sendeplatz ausgestrahlten Regionalprogramms nur in der nächtlichen Wiederholung zu sehen.

Die ungünstigen Sendeplätze waren wohl auch der Grund, weshalb die Serie in Deutschland nur eine Reichweite von rund 1,2 Mio. Zuschauer bei einem Marktanteil von zirka 11,8 Prozent erreichen konnte. Der am 28. Januar 1994 ausgestrahlte Pilotfilm (Freitag, 20.15 Uhr, Sat.1) hatte noch 4,43 Mio. Menschen (13,3 Prozent Marktanteil) vor die Bildschirme gelockt. Einige wiederholte Episoden erzielten später höhere Einschaltquoten als bei ihrer Erstausstrahlung. (Quellen: Wikipedia, TV Wunschliste: Das Film- und Fernsehserien-Infoportal, fernsehserien.de)

Diese Zahlen sind meiner Ansicht nach ein klares Indiz dafür, dass „Deep Space Nine“ seinerzeit in Deutschland deutlich unter Wert verkauft wurde. Die geringen Marktanteile der letzten beiden Staffeln, die zweifelsohne große Dramatik und Spannung beinhalten, sind wohl auf den miesen Sendeplatz und die dürftigen Werbekampagnen rund um die Serie zurückzuführen. „Deep Space Nine“ hätte sicherlich bessere Quoten erreicht, wenn die Serie vorwiegend in der Primetime gelaufen und energischer beworben worden wäre. Insbesondere die letzten beiden Staffeln wären auf einem Sendeplatz im Abendprogramm auch deutlich besser aufgehoben gewesen.

Das, was du zurücklässt

Mit „Das, was du zurücklässt”/„What You Leave Behind”, den Episoden 175 und 176, wurde “Star Trek: Deep Space Nine” am 2. Juni 1999 zu einem Abschluss gebracht. Rund ein Dreiviertel Jahr später, am 18. und 25. März 2000, flimmerte das Serienfinale auch über die deutschen Bildschirme. „Das, was du zurücklässt” ist ein gewaltiges Serienfinale, das nahezu alle noch offenen Handlungsstränge (einige wurden bereits im Verlauf der 7. Staffel aufgelöst) zu einem Ende führt und eine gute Mischung aus emotionalen Dialogen und spannender Action darstellt.

Der Krieg gegen das Dominion endet mit einer unerwarteten Wendung und Captain Sisko erfüllt sein Funktion als Abgesandter der Propheten, was sein weiteres Leben wiederum vollständig auf den Kopf stellt. Odo kehrt nach Ende des Krieges zu seinem Volk in den Gamma-Quadranten zurück, um dieses vor dem Aussterben zu bewahren und auf den rechten Weg zu führen. Worf wird Botschafter auf Qo’noS und Garak kehrt nach sieben langen Jahren im Exil endlich in seine Heimat zurück. Chief O’Brien wiederum übernimmt einen Lehrauftrag an der Akademie der Sternenflotte. Quark, Dr. Bashir, Ezri Dax, Lieutenant Nog und Jake Sisko bleiben auf der Station. In einer letzten, rührenden Szene stehen Jake und Colonel Kira, die neue Kommandantin der Station, an einem Fenster auf dem Promenadendeck und blicken sehnsüchtig auf das Wurmloch, in dem Vater und Geliebter (für immer?) verschwunden sind.

Mit „Das, was du zurücklässt” haben Iran Steven Behr und Hans Beimler ein unorthodoxes Serienfinale geschrieben, das über weite Strecken zu überzeugen weiß, allerdings auch Schwächen hat. Der Krieg gegen das Dominion endetet auf unerwartete Weise und beinhaltet dabei auch irgendwie eine optimistische Botschaft. Im zweiten Teil der Episode kommt es zu einem dramatischen Kampf zwischen Gut und Böse – zwischen „dem Sisko” und dem besessenen Dukat. Diesen finalen Showdown hätte man vielleicht noch etwas sorgsamer vorbereiten und spektakulärer umsetzen können.

Das Ende, das der Serienheld Benjamin Sisko schließlich nimmt, ist außergwöhnlich und überraschend zugleich. Freunde eines offenen Endes werden es lieben, die Liebhaber abgeschlossener Geschichten werden wiederum ihr Problem damit haben. Zweifelsohne regt das Staffelfinale die Phantasie jedes einzelnen Zuschauers an und gerade Siskos offen gebliebene Rückkehr („…in einem Jahr vielleicht. Vielleicht auch…gestern”) erinnert in gewisser Weise an das geniale offene Ende der “The Dark Knight”-Trilogie von Christopher Nolan (2012).

Abgesehen von Worf („Star Trek: Nemesis”) haben wir seither nichts mehr von den Charakteren aus “Deep Space Nine” gehört oder gesehen. Und das ist wohl auch der Grund, weshalb sich nicht wenige Alt-Trekkies seit zwei Jahrzehnten eine Fortsetzung der Geschichten des 24. Jahrhunderts wünschen. Womöglich gibt es in der neuen Serie “Star Trek: Picard” einige Antworten darauf, wie es Sisko und Co. in den vergangenen beiden Jahrzehnten ergangen ist.

Abschied für immer? Captain Sisko (Avery Brooks) und seine Frau Kasidy Yates (Penny Johnson) in "What You Leave Behind" (Szenenfoto: CBS).
Abschied für immer? Captain Sisko (Avery Brooks) und seine Frau Kasidy Yates (Penny Johnson) in “What You Leave Behind” (Szenenfoto: CBS).

Fazit: Eine zeitlose Serie mit aktueller Relevanz

Mit „Star Trek: Deep Space Nine“ wurde 1993 der „Star Trek”-Boom, den „Star Trek: The Next Generation“ Ende der 80er und Anfang der 90er ausgelöst hatte, erfolgreich fortgesetzt. Nach holprigem Beginn in den ersten beiden Jahren, startete „Deep Space Nine“ mit der dritten und vierten Staffel erst so richtig durch. Vor allem in den letzten beiden Staffeln wurden die Geschichten episch, die Dramatik nahm stetig zu und auch die Schauspieler brillierten in ihren über Jahre gewachsenen Rollen.

„Deep Space Nine“ hat „Star Trek“ neue Impulse in Bezug auf die Form des Storytellings und im Hinblick auf die inhaltliche und atmosphärische Ausrichtung gegeben. Wie wichtig diese neuen Impulse waren, ist erst im Verlauf der 90er ersichtlich geworden, womöglich auch erst in den vergangenen beiden Jahrzehnten. Am letzten „Star Wars“-Film („Episode 8“) kann man erkennen, dass jede Idee – sei diese auch noch so gut – mit zunehmender Anzahl an Erzählwiederholungen ihren Reiz und ihre Spannung zu verlieren droht. Selbst der Science-Fiction-Gigant „Star Wars“ wird sich in der kommenden Dekade nach über 40 Jahren zweifelsohne neu erfinden müssen. Das Franchise wird zeigen müssen, dass es auch ohne die Skywalkers, Jedis und Sith spannende Geschichten erzählen kann.

„Deep Space Nine“ taugt hier durchaus als Vorbild, denn die Serie hat dem „Star Trek”-Franchise seinerzeit auf eine mutige Art und Weise neues Leben eingehaucht – und das in einer Zeit, in der „Star Trek“ eigentlich auf dem Höhepunkt war. Dass die Produzenten damals auf ein risikoloses ‚Weiter so‘ verzichteten und stattdessen neue und mutige Wege beschritten haben, ist ihnen im Rückblick hoch anzurechnen – vor allem auch dem damals oftmals viel zu hart kritisierten Rick Berman.

Ironischerweise wurde die dritte „Star Trek”-Serie oftmals als ein Gegenentwurf zu Roddenberrys „Star Trek“ interpretiert. Vielmehr ist das Gegenteil der Fall. Denn womöglich lässt sich die optimistische Botschaft von „Star Trek“ in „Deep Space Nine“ sogar besonders deutlich erkennen, da diese stets im direkten Kontrast mit dystopischen Elementen dargestellt wurde. Ein heller Stern lässt sich nun einmal in der ihn umgebenden Dunkelheit der Nacht besser erkennen als am helllichten Tag.

„Star Trek: Deep Space Nine“ ist auch heute noch, 20 Jahre nach dem Serienende, absolut sehenswert. Die Themen, die in der Serie behandelt werden, sind auch in unserer Gegenwart immer noch von großer Relevanz. Womöglich ist die Serie im Jahr 2019 sogar aktueller denn je. In Sachen Storytelling und Charaktertiefe setzt sie ferner den Maßstab, an dem sich die aktuelle Star Trek-Serie „Discovery“ messen lassen muss.

Wer die Serie noch nicht gesehen hat, sollte dies dringend nachholen. Und auch für Star Trek-Veteranen lohnt es sich, die Serie erneut anzuschauen.

*Hinweis: Dieser Artikel ist eine aktualisierte Version des bereits 2018 auf diesem Portal erschienen Artikels „Far Beyond the Stars – 25 Jahre ‚Deep Space Nine‘ – Eine Hommage“.

Matthias Suzan
Matthias Suzan
Matthias' Leidenschaft für "Star Trek" wurde 1994 mit knapp zehn Jahren durch "The Next Generation" geweckt. TNG und DS9 sind bis heute seine Lieblingsserien. Es sind vor allem die politischen, gesellschaftlichen und menschlichen Themen des Trek-Universums, die ihn faszinieren. Aber auch die vielen, tollen Raumschiffe haben es dem passionierten Modellbauer angetan. Matthias ist seit 2017 Teil der TZN-Redaktion.

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Kurzer Hinweis. Voyager und Enterprise liefen NICHT in der Primetime! Voyager wurde tatsächlich um 20:15 getestet, aber nach nur ein paar Wochen auf den Nachmittag verlegt. Enterprise und auch DS9 hatten beide einen 20:15 Start. Da war aber von Anfang an klar, dass nur die jeweiligen Piloten in der Primetime laufen würden und der Rest dann auf dem damals selbst ernannten Star Trek Sender am Nachmittag. Die letzten Episoden von Enterprise haben nicht mal mehr das geschafft, sondern wurden im Vormittagsprogramm verwurstet. DS9 wurde also der gleiche Start gewährt wie Voyager und Enterprise und wurde ebenso wie die anderen Serein… Weiterlesen »

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