Während einer planetaren Forschungsmission wird die U.S.S. Farragut schwer beschädigt, als ein gigantisches Raumschiff den Himmelkörper auseinanderreißt. Als die Enterprise zur Rettung eilt, wird sie von dem Angreifer verschluckt. Nun liegt es am amtierenden Captain Kirk und einem Außenteam der Enterprise, bestehend aus Spock, Chapel, Uhura und Scott, das Flaggschiff zu retten und die Fremden aufzuhalten, bevor sie den nächsten bewohnten Planeten erreichen.
The Sehlat Who Ate Its Tail
Etwas formelhaft konstruiert das Drehbuch von David Reed & Bill Wolkoff eine Situation, in der die bereits etablierten Charaktere aus “Star Trek” (1966) gemeinsam mit dem vorübergehend amtierenden Captain Kirk eine Crew bilden – quasi eine Origin-Story für die Senior-Crew.

Die Folge spielt mit Versatzstücken bekannter Geschichten. Große Anleihen nimmt die äußere Handlung an “The Doomsday Machine”, während Kirks Bogen in dieser Episode durch Pines’ Kirk aus “Into Darkness” und Frakes’ Riker aus “The Best of Both Worlds” inspiriert zu sein scheint. Eher unabsichtlich scheint eine Parallele zu “People of Earth” (“Discovery” 3×03), allerdings trägt dies zum Gefühl bei, alles schon einmal gesehen zu haben.
Dreh- und Angelpunkt der Dramaturgie ist James T. Kirks erste echte Bewährungsprobe als Kommandant eines Raumschiffs. Die Farragut ist schwer beschädigt, die vulkanische Kommandantin verletzt. Im Cold Open der Episode sehen wir noch den Ersten Offizier Kirk, der bei seiner Kapitänin für mehr Risiken bei der Erforschung von Helicon Gamma wirbt und keinen Hehl daraus macht, sich für den besseren Kommandanten zu halten. Konfrontiert mit einer Kobayashi-Maru-Situation (Bonuspunkte für das Autorenduo, nicht die naheliegenden Memberberries zu bemühen), erfährt Kirk die Grenzen seines risikobewussten Führungsstils und droht die Kontrolle über sich und die Situation zu verlieren.
Kollege Matthias Suzan hat es schon häufig treffend in unterschiedlichen Rezensionen bemerkt: In Kenntnis der real existierenden Auswahlverfahren für Astronaut:innen im 20. und 21. Jahrhundert fällt es schwer zu glauben, dass viele der Offizier:innen der Sternenflotte, so wie sie in diesem Jahrtausend gezeichnet werden, jemals ein Patent erhalten könnten. Auch Paul Wesley als Kirk scheint jene Resilienz zu fehlen, die ihn für einen Job als Erster Offizier oder gar Kapitän qualifiziert. In aller Fairness macht “The Sehlat Who Ate Its Tail” in dieser Hinsicht allerdings einiges besser als “Star Trek” (2009) oder “Discovery”, indem es melodramatische Eskapaden vermeidet.

Gleichzeitig wirkt die Interaktion zwischen der Enterprise-Crew und ihrem zukünftigen Captain sehr steif und/oder unglaubwürdig. Am gelungensten sind Scotts und Kirks Diskussionen über Reparaturdauern. Wenn später das Außenteam Kirks Schwächen thematisiert, trumpft Chapel schnell mit dem “CMO kann den Captain des Amtes entheben”-Trope auf, während Uhura alle rationalen Argumente mit einer Anekdote erschlägt. Selbstredend obliegt es in dieser Konstellation Spock, ohne jeden für das Publikum erkennbaren Grund oder Herleitung Kirks menschliche Intuition als Ausweg aus der Krise zu erklären. Das alles ergibt nur den Hauch eines Sinns, wenn man “The Sehlat” nicht als eigenständiges Stück Drama, sondern als nostalgischen Content begreift.
Das Schiff in der Flasche
Auch wenn “The Sehlat” immer wieder zwischen Spielorten auf der Enterprise und der Farragut wechselt, hat sich die Produktion dazu entschieden, keine neuen Sets für diese Episode zu bauen oder auch nur bestehende ernsthaft umzudekorieren. Der Wunsch, mit “The Sehlat” Geld zu sparen, wird auch beim vergleichsweise sparsamen Einsatz von visuellen Effekten spürbar. Schlüsselmomente, die nach einer spektakulären Inszenierung verlangt hätten, werden in Reaktionsaufnahmen der Hauptcharaktere oder Statusanzeigen auf Computerdisplays abgehandelt.

Mit der AR-Wall hätte die Produktion inzwischen die Möglichkeit, preiswert neue Sets in Szene zu setzen, in denen die Figuren nicht mit Wänden interagieren müssen. Und es sind inzwischen ja sogar einige solche Sets gebaut und sollten abrufbereit sein. Statt Scotty im Maschinenraum der Farragut arbeiten zu lassen, werkelt er in der gleichen Jeffries-Röhre, durch die Pike und Noonian-Singh wenige Szenen später auf der Enterprise klettern. Der Konferenzraum muss in wenigen Minuten Abstand sowohl für die Farragut als auch die Enterprise herhalten. Ich kann nur vermuten, dass Regisseurin Valerie Weiss dies wegen Kostendruck nicht anders lösen konnte.
Aber auch für eine Schlüsselszene auf der Enterprise wird der Einsatz der AR-Wall verschmäht und die Handlung aus dem Maschinenraum in einen Korridor verlegt. Hier schießen meiner Meinung nach Kostensparmaßnahmen eindeutig über das Ziel hinaus. Wenn die Produktion das Drehbuch aus welchen Gründen auch immer nicht sinnvoll umsetzen kann, muss eine Neufassung der Geschichte her. Es hätte den kreativen Kern von “The Sehlat” nicht im Geringsten verwässert, die Krise auf der Enterprise geringfügig zu modifizieren.
Das Empathie-Problem
Ich habe “Strange New Worlds” mehrfach harsch dafür kritisiert, dass es humanistische Tugenden, insbesondere Gewaltverzicht und Empathie, nur als Lippenbekenntnisse vor sich herträgt, während wir praktisch wöchentlich das Gegenteil auf dem Bildschirm sehen. Insbesondere die Darstellung der Gorn und unserer Helden im Umgang mit diesen Antagonisten wirkt wie blanker Hohn. Aber eine Episode wie “A Quality of Mercy” unterstreicht diese Haltung.

“The Sehlat Who Ate Its Tail” versucht sich auf den letzten Metern zaghaft an einer ambivalenten Dekonstruktion dieses Problems – das ist eine willkommene Abwechslung. Der letzte leidlich selbstbewusste Versuch der Serie, sich mit ethischen Grautönen auseinanderzusetzen, ist schon eine Weile her (“Under The Cloak of War” 2×08). Leider hängt die ganze Diskussion an einer hanebüchenen Wendung und muss in fünf Minuten aufgelöst werden. So lobenswert es erscheint, eine Episode voller Gewalt nicht nur mit einer befriedigenden Explosion enden zu lassen, so unbeholfen und unbefriedigend ist hier der Versuch, mit den letzten Szenen eine humanistische Moral zu konstruieren.
Gemischtwarenladen
Die Geschichten der dritten Staffel scheinen mir seit “A Space Adventure Hour” langsam stärker und ambitionierter zu werden. Die Prämissen werden spannender, die ersten Akte interessanter. Allerdings scheinen die Autor:innen nicht zu wissen, wie sie aus einer vielversprechenden Ausgangslage und teilweise originellen Ideen zu einem thematisch runden und dramaturgisch befriedigenden Abschluss kommen. Selbst wenn man die Deus-Ex-Machina-Wendung der letzten Minuten ausblendet, macht “The Sehlat” eine schwache Figur bei der Ausleuchtung durchaus interessanter Facetten von James T. Kirk.
Beobachtungen

- Die Angreifer sind in ihrer Charakterisierung und Beschreibung nah mit den ursprünglichen Borg aus “Q Who” verwandt, bevor “The Best of Both Worlds” mit einem weichen Retcon auch die Assimilation von organischem Leben etablierte. Beim Erstkontakt bezeichnete Q das Kollektiv noch als den “ultimativen Konsumenten”, und das Interesse der Borg auf die Verwertbarkeit der Enterprise beschränkt.
- Warum sehen wir den Maschinenraum in Staffel 3 gar nicht mehr? Es besteht doch bloß aus ein paar Konsolen vor der AR-Wand, und es gibt ständig Szenen, die sinnvollerweise dort spielen sollten. Das war schon in “A Space Adventure Hour” auffällig, aber in “The Sehlat Who Ate Its Tail” macht schon das Drehbuch Entschuldigungen dafür, warum man das Set nicht einsetzen könne (giftige Gase). Warum aber unsere Helden auch mit Gasmasken nur in einem Korridor herumschrauben, bleibt offen.
- Pelia hat in ihrer 80er-Jahre-Sammlung einen Atari samt Funkjoystick. Sie erklärt, sie habe damit schon mehrere Raumschiffe gesteuert. Vielleicht sogar die Enterprise in “Star Trek: Strategic Operations Simulator” von 1982.
- Apropos Gasmasken: Wie kann es sein, dass sich so ein lebenswichtiges Teil von einer taktischen Rüstung beim ersten Nahkampfkontakt verabschiedet?
- Pike fummelt gern an explosiven Fremdkörpern herum, die große Löcher in sein Schiff reißen können (vgl. “Such Sweet Sorrow, Part II”).
- Es ist schwierig, die Albernheit des “Deus-Ex-Machina”-Twists am Ende in Worte zu kleiden. Aber das Totenkopfdesign des fremden Schiffes und die missglückte Photoshop-Illustration der Besatzung sind in diesem Kontext besondere Leckerbissen.
- Der Anachronismus, auf einem Raumschiff mit kabelgebundenen Telefonen zu kommunizieren war bereits ein Plot-Element von “Battlestar Galactica” (2003). Dort vermied die physische Signalübertragung von den Zylonen drahtlos gehackt werden zu können.
Warum wird nicht durchgehend gegendert? Wieso gibt es mal “Astronaut:innen”, “Offizier:innen” und “Autor:innen”, dann aber “Helden” und “Antagonisten”? Nach welcher sprachlichen Regel wird mal gegendert und mal nicht? Im Duden gibt es leider keine Erklärung. Für mich ist das Lesen solcher Texte immer sehr anstrengend, da ich das Prinzip dahinter nicht nachvollziehen kann. Vielleicht finde ich hier eine verständliche Erklärung, würde mich sehr freuen.
Amen
Also ich würde der Folge sogar eine 4,2 geben. Ich Fand sie wirklich gut. Das Einzige, was mir nicht Gefallen hat, ist, das sie Aufgelöst haben, wer die Angreifen waren und das es Menschen sind. Hier etwas Cosmic Horror hätte den gutgetan. Zu dem Humanismus. Will ich anmerken das hier ist die TOS Sternenflotte und nicht die TNG? Ja würde Strange New Worlds kurz vor TNG oder während TNG Spielen würde ich euch völlig zustimmen. Doch in TOS war die Sternenflotte immer War Ready. Und hier muss man doch sagen. Wie genau willst du in der Situation diplomatisch sein? Die… Weiterlesen »
Oh ja, bitte Rezi zu S3E05 nachreichen! Da warte ich doch schon seit einer Woche drauf!
Warum keine Rezension zur Folge 5?
Moin Duni
die halbe Redaktion kocht gerade am Strand in diversen Ländern vor sich hin 🙂
Ich werde zusehen, nächste Woche die Rezensionen nachzureichen, wenn da Interesse besteht ;).
Gruß
Tom
Besteht! Vorallem für die 5
Urlaub ist auch für die Trekzone Redaktion gegönnt 😉
Danke für eure stetige Arbeit!
Ja, ganz langsam nähern wir uns der Qualität der ersten zwei Staffeln an….
Das mit den Telefonen, hm….okay….es passt jedenfalls zum Humor der Serie…