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StartProdigyProdigy - Season 1Erster Eindruck: Mit "Prodigy" schreitet die Disneyfizierung von "Star Trek" voran

Erster Eindruck: Mit “Prodigy” schreitet die Disneyfizierung von “Star Trek” voran

Die erste reine 3D-Animationsserie im “Star Trek”-Universum liefert mit dem Piloten “Lost and Found” einen soliden Einstand ab. Wir versuchen uns an einer spoilerfreien Ersteinschätzung.

Es ist etwas schwierig, schon etwas über “Star Trek: Prodigy” zu schreiben, denn in ihrer unendlichen Weisheit hat ViacomCBS beschlossen, deutschen Trekkies nach Netflix und Amazon Prime das Abonnement eines dritten Streamingdienstes zuzumuten, wenn sie bei der neuen Animationsserie dabei sein wollen. Weil aber Paramount+ als Zusatzpaket für Sky erst irgendwann 2022 an den Start gehen wird, bleiben die meisten Zuschauer:innen hierzulande außen vor. Nur wer sich einen Paramount+-Zugang mit Bekannten aus den USA teilen und das Geoblocking umgehen kann, hat eine Chance beim Start (legal) dabei zu sein. Darum soll es hier aber nicht gehen, wir haben das Thema an anderer Stelle vertieft.

Die nächste, nächste Generation

“Star Trek: Prodigy” ist für ViacomCBS das, was für Disney “Star Wars: The Clone Wars” und “Star Wars: Rebels” sind: Ein Vehikel, um die wertvollste Einzelmarke im Portfolio ins Kinderzimmer zu bekommen. Seinen bisherigen kulturellen Höhepunkt hat “Star Trek” in den 90er-Jahren erlebt. Die damaligen Fans wandern langsam aber sicher aus der begehrenswerten Demographie der zahlungskräftigsten Konsumenten. Um den Goldesel am Leben zu halten, muss dringend eine jüngere Alterskohorte her. Und im Gegensatz zu “The Next Generation” taugen “Discovery”, “Picard” und “Lower Decks” nicht als Unterhaltung für die ganze Familie.

Tars Lamora in "Lost and Found"
Tars Lamora in “Lost and Found”

Alex Kurtzman hat sich mit den Hageman-Brüdern für diese Mission echte Profis an Land gezogen. Ihnen wird der Erfolg von “Lego Ninjago” und dem ersten Lego-Film zugerechnet, sowie der “Trollhunters”-Serie für Dreamworks und Netflix. Insbesondere “Trollhunters” zeichnet sich dadurch aus, dass sich Merkmale “erwachsener” Serien, wie Serialisierung, Charakterwachstum und überraschende Wendungen in altersgerechter Form wiederfinden. Zurecht haben die beiden hierfür einen Emmy eingestrichen. Also beste Voraussetzungen, um auch “Star Trek” einem neuen Publikum schmackhaft zu machen.

Alte Bekannte und neue Gesichter

Spoilerwarnung: Mit Blick auf die bisherige Veröffentlichungen, Panelveranstaltungen und Trailer halte ich die folgende Besprechung für unproblematisch. Wer aber eine Nulltoleranz gegen jeden Handlungsfetzen hat, möge bitte zum Fazit springen.

Ein großes Kompliment muss man den Hagemans dafür machen, dass sie zweifellos liebenswert schrullige Figuren geschaffen haben, die alle auf ihre Weise Außenseiter und Underdogs sind. Das Figurendesign tut sein Übriges dazu, die neuen Held:innen schnell ins Herz zu schließen.

Dal R'El in "Lost and Found"
Dal R’El in “Lost and Found” (Bild: Paramount+)

Der Pilot “Lost and Found” spielt auf der Gefängniskolonie Tars Lamora, die von einem mysteriösen Alien (der “Diviner”, gesprochen von John Noble) mit Hilfe seiner Tochter Gwyn (Eller Purnell) und einer Drohnenarmee kontrolliert wird. Die Gefangenen Zero (ein Meduser, gesprochen von Angus Imrie) und Dal R’El (Brett Gray) versuchen auf unterschiedlichen Wegen, aus den Minen zu entkommen.

Erschwert wird ihr Vorankommen dadurch, dass der Diviner den Gefangenen Universalübersetzer vorenthält, um die Insassen an der Kommunikation zu hindern. Die erste realistische Chance zur Flucht ergibt sich erst, als Dal zusammen mit der Brikar Rok-Tahk (Rylee Alazraqui) das Sternenflottenschiff Protostar im Innern des Asteroiden findet. Weitere im Bunde sind der Tellarit Jankom Pog (Jason Mantzoukas), und das blaue Glibberwesen Murf (Dee Bradley Baker).

Gwyn und Drednok in "Lost and Found"
Gwyn und Drednok in “Lost and Found” (Bild: Paramount+)

Auf Seiten der Diviner-Spezies Vau N’Akat stehen den Gefangenen eine Armee von Drohnen gegenüber, angeführt vom Androiden Drednok. An Nebenschauplätzen der Handlung begegnen uns aber auch ein Kazon-Kopfgeldjäger, sowie weitere bekannte Spezies: Eine caitianische Waise und ein Lurianer sind im Piloten mit von der Partie. Schließlich begrüßt auf der Protostar eine holographische Kathryn Janeway die neue Crew.

Inszenierung vs. Message

Die Story ist wie zu erwarten recht gradlinig. Der Pilot hat den Zweck, die Hauptfiguren auf der Protostar zusammen- und von Tars Lamora fortzubringen. Das ist vor allen Dingen eine sehr actionlastige Übung, bei der ein paar Konflikte und geheimnisvolle Begleitumstände angelegt werden, die sicherlich in kommenden Folgen zum Tragen kommen. Ganz oben auf der Liste: Was macht die Protostar auf Tars Lamora? Und was ist ihre Verbindung zum Diviner? Aber das muss vorläufig warten.

Rok-Tahk und Zero in "Lost and Found"
Rok-Tahk und Zero in “Lost and Found” (Bild: Paramount+)

Stattdessen fährt die erste Folge sehr dicke Geschütze auf, was Präsentation und Tempo angehen. “Prodigy” versucht, sehr cineastisch im Animationsgenre einzusteigen. Lichtstimmung, Animation, Effekte und Kameraarbeit sind äußerst sehenswert, die Inszenierung insgesamt sehr rasant und deutlich inspiriert durch Abrams’ Kelvin-Filme. Standbilder werden dem Spektakel selten gerecht, in Bewegung sieht “Prodigy” einfach doppelt so gut aus. Der Vorspann (der im Piloten als Abspann dient) gehört zum Besten aller Trek-Serien.

Allerdings wirkt das Endprodukt an ein paar Stellen unfertig. Während die Charaktere mit ungewöhnlich ausdrucksstarker Mimik überraschen, sind nicht alle anderen Modelle und Umgebungen dafür geeignet, aus großer Nähe abgelichtet zu werden. Auch mancher visuelle Effekt hätte mehr Berechnungszeit gut vertragen. So entdeckt man gelegentlich verwaschene Texturen oder Bildflimmern bei komplexen Lichtverhältnissen. Wirklich augenfällig ist dies bei einem Zweikampf auf der Außenhülle der Protostar, die offenbar nicht dafür ausgelegt war, in dem hier gezeigten Maßstab gefilmt zu werden.

Texturen in "Lost and Found"
Man beachte die Beschriftung des Schiffsrumpfes: Matschige Texturen in “Lost and Found” (Bild: Paramount+)

Das fällt im Großen und Ganzen jedoch kaum ins Gewicht. Was hängen bleibt, ist der zu 90% erfolgreiche Versuch der Hagemans, ein Spektakel mit Kinoambitionen im Budget einer Nickelodeon-Fernsehserie zu realisieren.

Dazu hat “Prodigy” durchaus ein paar sehr interessante Ideen zu bieten, die drohen, im großen Spektakel unterzugehen. Ein toller Kniff ist es, dass die Vau N’Akat ihren Gefangenen die Möglichkeit zur Kommunikation vorenthalten. Dieses durchgängige Thema der ersten Folge ist ein starkes Signal dafür, dass die Hagemans kreative Mittel und Wege finden können, die Botschaften von “Star Trek” altersgerecht neu zu verpacken, ohne den moralischen Vorschlaghammer hervorzuholen.

Das Abenteuer geht weiter

In “Lost and Found” geht es nicht zimperlich oder stringent logisch zu. Es fliegen Fäuste, Laser und Phaser. Während die Drohnen der Vau N’Akat in einer Szene als Präzisionsschützen glänzen, leiden sie im Finale am Sturmtruppensyndrom. Die Held:innen der Geschichte sind selbstverständlich immer genau dort, wo sie sein müssen, und legen dabei in Augenblicken unplausible Distanzen zurück. Und selbstverständlich haben Türen, Fußfesseln und sonstige Technik brav das Drehbuch gelesen, damit sie sekundengenau ihrer Funktion nachkommen oder den Dienst verweigern – je nachdem, was gerade der Dramatik dienlich ist.

Jankom Pog und Murf in "Lost and Found"
Jankom Pog und Murf in “Lost and Found” (Bild: Paramount+)

So lernen wir, dass die Funktion der Schilde auf der Protostar daran hängt, fünf leuchtende Röhren in einem Panel auf der Oberseite der Untertassensektion zu versenken, das nur von Außen erreichbar ist. Da haben entweder die Ingenieure auf Utopia Planitia einen echt schlechten Tag gehabt oder wir müssen halt akzeptieren, dass “Prodigy” wie “Discovery” und “Picard” kein Interesse hat, eine halbwegs plausible Welt zu zeichnen.

Da wir von einer Kinder- und Jugendserie sprechen, scheint das eine eher untergeordnete Rolle zu spielen. Wie mir aber auch bei “Discovery” und “Picard” mehrfach sauer aufgestoßen ist, untergräbt diese Hemdsärmeligkeit die kritisch-rationale Grundhaltung, die für eine wirklich humanistische Botschaft unerlässlich ist. Wenn immer und jederzeit alles unerwartet passieren kann, ist es nicht glaubwürdig, dass die Figuren durch Forscherdrang und Experimentierfreude ihre Welt verstehen und Probleme lösen lernen. Insbesondere “Discovery” hat gezeigt, wie diese beliebige Art des Geschichtenerzählens wichtige Botschaften von “Star Trek” zu sentimentalen Plattitüden reduziert, während im Hintergrund unabsichtlich faschistoides und anderes bedenkliches Gedankengut toleriert wird (nicht nur, aber insbesondere in “Terra Firma” zu bewundern).

Drednok in "Lost and Found"
Drednok in “Lost and Found” (Bild: Paramount+)

Ob dieses Problem auch “Prodigy” plagen wird, kann man nach einer Doppelfolge unmöglich sagen. Aber ein paar der bedenklichen Zutaten sind auch hier zu finden. Dass aber auch im Piloten Konflikte bevorzugt mit Gewalt ausgetragen werden, macht die Serie in meinen Augen kaum empfehlenswerter für Kinder als z.B. “The Next Generation” oder die Originalserie. Ja, Letztere behandeln teilweise ernstere Themen und sind in ihrer Präsentation inzwischen angestaubt. Dem Unterhaltungswert und der Botschaft tut das aber wenig Abbruch.

Fazit

“Prodigy” startet mit einem soliden Piloten ins Weltall, schleppt aber viel stilistischen Ballast mit, der schon die Kelvin-Filme und “Discovery” teilweise zu austauschbaren Repliken von Disney-Erzeugnissen wie “Marvel” und “Star Wars” gemacht hat. Das ist offenbar ein Mandat, mit dem die Massentauglichkeit der Marke “Star Trek” sichergestellt werden soll. Ob das zu Lasten der inhaltlichen Substanz geht, lässt sich nach einer Folge noch nicht beurteilen. “Lost and Found” zeigt aber, dass in der Paarung von “Trek” und den Hagemans viel Potential schlummert.

USS Protostar in "Lost and Found"
USS Protostar in “Lost and Found” (Bild: Paramount+)

Und damit stehen wir ungefähr da, wo wir auch schon am Anfang der zweiten oder dritten Staffel “Discovery” und dem Auftakt von “Picard” waren – leider jeweils mit enttäuschendem Ausgang. Ich drücke den Hageman-Brüdern und uns die Daumen, dass sich die nächsten Folgen mehr Zeit für Story, Ideen und die tollen Figuren nehmen. Dann könnte uns eine gute “Trek”-Serie ins Haus stehen.

Bewertung

Handlung der Einzelepisode [usr 3 max=”6″]
Stringenz des staffel- und serienübergreifenden Handlungsstrangs
Stringenz des bekannten Kanons [usr 4 max=”6″]
Charakterentwicklung [usr 3 max=”6″]
Spannung [usr 4 max=”6″]
Action & Effekte [usr 5 max=”6″]
Humor [usr 4 max=”6″]
Intellektueller Anspruch [usr 2 max=”6″]
Gesamt [usr 4 max=”6″]

Episoden-Infos

Episodennummer 1 (Staffel 1, Episode 1)
Originaltitel Lost and Found
Deutscher Titel unbekannt
Erstausstrahlung USA Donnerstag, 28. Oktober 2021
Erstausstrahlung Deutschland unbekannt
Drehbuch Kevin & Dan Hageman
Regie Ben Hibon
Laufzeit 46 Minuten

Mit Rücksicht auf andere Leser, die die Folge noch nicht gesehen haben, bitten wir, in den Kommentaren zu diesem Artikel auf Spoiler zu verzichten. Danke!

christopher.kurtz
Christopher Kurtz
Seit den frühen 2000ern ist Christopher Redakteur im TrekZone Network. Wenn er nicht in den unendlichen Weiten nach kritisch rationalem Humanismus Ausschau hält oder sich über die Plausibilität fiktiver Technologien und Gesellschaftsformen den Kopf zermartert, findet man ihn meistens in der Nähe von Spielen der geselligen Art, egal ob analog oder digital, ob als Mitspieler oder Gelegenheitsautor.

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