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Retro-Rezension: Star Trek: The Original Series 1×19- “Tomorrow Is Yesterday” / “Morgen ist Gestern”

Heute vor 50 Jahren wurde zum allerersten Mal in Deutschland eine Folge von “Raumschiff Enterprise” ausgestrahlt. “Morgen ist Gestern” markierte die Geburtsstunde des deutschen “Star Trek”-Fandoms. Anlässlich dieses Jubiläums wollen wir uns Folge 19 der ersten “TOS”-Staffel noch einmal etwas genauer ansehen. 

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Der lange Weg nach Deutschland

Story und Drehbuch zu “Tomorrow Is Yesterday” stammen von zwei echten “Star Trek”-Legenden: Robert “Bob” Justman (1926-2008) und Dorothy Catherine “D.C.” Fontana (1939-2019). Justman und Fontana prägten das “Star Trek”-Franchise mit ihren zahlreichen kreativen Ideen – nicht nur die Originalserie, sondern zwei Jahrzehnte später auch “The Next Generation”.

Mitte April 1966, also gut fünf Monate vor dem US-Serienstart, reichte Justman einen lediglich eine Seite langen Story-Pitch ein, den Fontana in den Folgemonaten ausarbeitete. Das finale Drehbuch lag am 22. November 1966 vor, schon sechs Tage später begannen die sechstägigen Dreharbeiten. Am 26. Januar 1967 feierte “Tomorrow Is Yesterday” US-Premiere. In Großbritannien ging die Episode erstmals am 16. August 1969 auf Sendung. Zu diesem Zeitpunkt war “Star Trek” in den USA bereits Geschichte.

Es sollten weitere drei Jahre ins Land ziehen, ehe “Star Trek” auch ins deutsche Fernsehen kam. Am 27. Mai 1972 war es dann endlich soweit, das ZDF schickte die seither in den Staaten immer populärer gewordene Science-Fiction-Serie unter dem Titel “Raumschiff Enterprise” auf Sendung – samstags um 17:45 Uhr, also in direkter Konkurrenz zur ARD Sportschau. Der damalige Sendeplatz war in einem Fußball-Land wie Deutschland natürlich eine echte Hypothek für eine neue Serie aus den USA, die auch noch eine Science-Fiction-Serie war. Sechs Jahre nach den Abenteuern der Orion in “Raumpatrouille” (1966) waren die deutschen Fernsehzuschauer nicht unbedingt dafür bekannt, eine besondere Vorliebe für Science-Fiction-Formate zu besitzen.

Die damalige Fernsehlandschaft – darunter auch der samstägliche Sendeplatz von “Raumschiff Enterprise” – war durch zahlreiche Western-, Krimi- und Agentenserien (“High Chaparral”, “Mit Schirm, Scharm und Melone”) geprägt. Und auch Abenteuer- bzw. Tierserien (“Daktari”) erfreuten sich hierzulande großer Beliebtheit. Gleichwohl war “Raumschiff Enterprise” zu dieser Zeit kein Novum im deutschen Fernsehen. Bereits 1968 hatte die ARD, die zwei Jahre zuvor auch “Raumpatrouille” ausgestrahlt hatte, die britische SciFi-Serie “Thunderbirds” (auch: “Donnervögel”, 1964-1966) im Programm, allerdings auf einem eher ungünstigen Sendeplatz um 21 Uhr. Doch schon damals war offensichtlich geworden, dass Serien aus dem Science-Fiction-Genre vor allem bei den jüngeren Zuschauern durchaus auf Interesse stießen.

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Bild: TrekZone Network

Entgegen einer seit dieser Zeit hartnäckig kursierenden Legende waren die damaligen Redakteure der Hauptabteilung “Fernsehspiel und Film” des ZDF unter der Leitung von Joachim Tettenborn (1918-2008) nicht der Ansicht gewesen, dass “Star Trek” im Kern eine Kinderserie sei. Vielmehr erkannten sie das große Potenzial dieser fantastischen US-Serie, die dabei helfen sollte, das ZDF-Programm abwechslungsreicher zu gestalten.

Die Programmredakteure hatten hinsichtlich des deutschen Serienstarts theoretisch die freie Auswahl aus allen 79 produzierten Episoden, von denen aber zunächst nur 26 gekauft wurden. Im Jahr 1973 kamen weitere Folgen dazu. Am Ende fiel die Wahl auf “Tomorrow Is Yesterday”, eine der späteren Episoden der ersten Staffel. Wie diese Wahl zu bewerten ist? Dazu später mehr.

Der Serientitel “Raumschiff Enterprise” wurde mit Sicherheit nicht rein zufällig so gewählt, dass er Assoziationen mit “Raumpatrouille: Die phantastischen Abenteuer des Raumschiffes Orion” weckte. Gleichwohl lässt sich für das englische Wort “Trek” auch kein sinnvolles deutsches Äquivalent finden, ohne dass es zugleich kitschig wirkt. Zumal die Anspielung auf die “wagon treks” damaliger Westernserien im Deutschen ohnehin verlorengeht. “Sternenreise” wäre in der Retrospektive mit Sicherheit kein guter Titel für die Serie gewesen.

Dass man sich dann rund acht Jahre später anlässlich der Deutschland-Premiere von “Star Trek: The Motion Picture” (“Star Trek: Der Film”) dazu entschied, auch hierzulande zum Originaltitel “Star Trek” überzugehen, hatte aber wohl eher marketingtechnische Gründe (aufgrund der Klangnähe zu “Star Wars”, 1977). Nichtsdestotrotz war auch dieses ‘Rebranding’ die absolut richtige Entscheidung. Über die Sinnhaftigkeit des umständlichen Titels der Nachfolgerserie “Raumschiff Enterprise: Das nächste Jahrhundert” (Original: “Star Trek: The Next Generation”) kann man wiederum geteilter Meinung sein.

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Buchcover: “Notruf aus dem All” (Schneider Buch)

“Morgen ist Gestern” war 1972 allerdings mitnichten der Erstkontakt deutscher Science-Fiction-Fans mit dem “Star Trek”-Franchise. Bereits zwei Jahre zuvor, also im Jahr 1970, hatte der bekannte Jugendbuch-Verlag Franz Schneider den von Mack Reynolds geschriebenen “Star Trek”-Roman “Mission to Horatius” unter dem deutschen Titel “Notruf aus dem All” veröffentlicht – zunächst allerdings ohne “Star Trek”-Bezug im Titel. Tom und Christiane haben diesen Roman kürzlich in unserem Literatur-Podcast “Quarks Bücherclub” besprochen.

Wer sich für die Anfänge von “Star Trek” in Deutschland interessiert, dem sei an dieser Stelle das hervorragende Sachbuch “Star Trek in Deutschland: Wie Captain Kirk nach Deutschland kam” von Mike Hillenbrand und Thomas Höhl empfohlen.

Handlung

Wir schreiben das Jahr 1969. Auf einem Stützpunkt der U.S. Air Force registriert ein Radar-Offizier ein UFO. Daraufhin schickt der Kommandant einen seiner Piloten, Captain John Christopher (Roger Perry), mit einem F-104 Starfighter los, um das unbekannte Flugobjekt zu identifizieren. Der wiederum traut seinen Augen nicht, also er das gigantische Flugobjekt mit eigenen Augen sieht: Es ist eine fliegende Untertasse mit zwei Zylindern und einem “Kasten unten dran”, ähnlich einem hochmodernen Zeppelin. Das UFO gewinnt schnell an Höhe, es ergreift die Flucht.

Derweil erholt sich die Crew an Bord der Enterprise allmählich von den Nachwirkungen eines Raum-Zeit-Schleudereffekts. Das Schiff war auf dem Weg von Sternenbasis 9 zur Erde, als das Durchstarten des Antriebs zu einem Gravitationseffekt führte, der das Schiff zur Erde schleuderte – und zwar durch die Zeit, zurück bis ins Jahr 1969. Die Crew weiß, dass sie die Enterprise schnellstmöglich zurück in den Orbit bringen muss, denn im beschädigten Zustand sind auch die primitiven Atomwaffen des 20. Jahrhunderts eine ernsthafte Bedrohung für Schiff und Besatzung.

Spock (Leonard Nimoy) macht unterdessen auf ein weiteres, ernsthaftes Problem aufmerksam: Die Anwesenheit der Enterprise im 20. Jahrhundert könnte die Zeitlinie verändern und die eigene Welt, wie man sie kennt, für immer auslöschen.

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Captain Kirk (William Shatner) entscheidet daraufhin, dass das Verwischen der eigenen Spuren oberste Priorität genießt. Niemand aus dieser Zeit darf je erfahren, dass Menschen aus der Zukunft hier waren. Zugleich arbeitet Chefingenieur Scott (James Doohan) an einem Plan, die Enterprise zurück in ihre Zeit zu bringen.

Bevor Kampfpilot Capt. Christopher seinem Stützpunkt weiter Bericht erstatten kann, wird er durch einen seltsamen Lichtstrahl geblendet – und plötzlich aus seinem Cockpit heraus teleportiert. An Bord der Enterprise erklärt ihm Captain Kirk die verzwickte Situation, was dazu führt, dass Christopher nicht zu seiner Familie zurückkehren darf. Doch dann findet Spock heraus, dass Christopher einen (1969 noch nicht geborenen) berühmten Sohn haben wird, der für den Lauf der Geschichte von entscheidender Bedeutung sein wird. Also muss ein neuer Plan her.

Kirk und Sulu (George Takei) beamen nachts in die Büroräume des Stützpunktes, um alle Bild- und Tondokumente zu vernichten, die die Anwesenheit der Enterprise beweisen. Doch sie werden vom Wachpersonal entdeckt. Während Sulu die Flucht gelingt, wird Kirk von den Sicherheitsbeamten festgenommen und verhört. Gemeinsam mit dem zeitweise zwielichtigen Captain Christopher gelingt es der Enterprise-Crew schließlich, alle Spuren zu verwischen und die Zeit so zurückzudrehen, dass es erst gar nicht zu den vorigen Ereignissen kommt. Die Zeitlinie ist gerettet und die Enterprise kehrt in ihr Jahrhundert zurück…

Exposition: Willkommen im “Star Trek”-Universum

“Morgen ist Gestern” hatte in Deutschland dieselbe Funktion, die “Das Letzte seiner Art” rund sechs Jahre zuvor in den USA hatte: Die Episode musste ein noch unwissendes Publikum in die Welt von “Star Trek” einführen. Keine leichte Aufgabe, zumal beide Episoden wirklich sehr unterschiedlich sind. Ein Vergleich über die Vor- und Nachteile beider Episoden hinsichtlich ihres Expositionsgehalts bietet sich folglich an. Eine ausführliche Rezension zu “The Man Trap” ist hier nachzulesen.

Der große Vorteil von “Morgen ist Gestern” besteht sicherlich darin, dass die Episode eine Brücke schlägt zwischen unserer (damaligen) Gegenwart und der Zukunft, in der “Star Trek” spielt. Die Folge ist ferner enorm actiongeladen, spannend und auch die visuellen Effekte konnten sich zur damaligen Zeit absolut sehen lassen.

Für die Remastered-Version, die 2007 Premiere feierte, wurden die Effekte überarbeitet, sodass “Tomorrow Is Yesterday” nun optisch deutlich ansprechender wirkt als die ursprüngliche Fassung. Insbesondere die Szene, in der die Enterprise den aus “Implosion in der Spirale” (TOS 1×03 “The Naked Time”) bekannten Schleudereffekt anwendet, hat durch die Remastered-Version deutlich hinzugewonnen. In der Originalversion war hier von einer Sonne nämlich nichts zu sehen (siehe Diashow).

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Das Universum

Als Einführung in die Welt von “Star Trek” taugt “Morgen ist Gestern” allerdings nur bedingt. Die Gründe hierfür sind selbstredend. Denn abgesehen von der Enterprise sehen wir von der Zukunft (also vom 23. Jahrhundert) eigentlich nichts. Das gelegentliche Namedropping, das in der deutschen Version stellenweise leider sehr diffus bleibt (“Zentrale Kontrolle” statt “Starfleet Control”), hilft leider nicht sonderlich, das Publikum tiefergehend in das Trek-Universum einzuführen. Vielmehr wurde der ZDF-Zuschauer damals mehr oder weniger ins kalte Wasser geworden und lediglich mit kleinen Informationshäppchen versorgt. Diverse Aussagen (“in 200 Jahren”) ließen damals zudem vermuten, dass “Raumschiff Enterprise” irgendwann im 22. Jahrhundert spielt, was sich am Ende bekanntlich als falsch herausstellen sollte. Wobei das 23. Jahrhundert faktisch erst mit “Star Trek II: Der Zorn des Khan” bestätigt wurde.

Auf der anderen Seite behebt die deutsche Synchronversion (unbewusst?) einen (kleinen) Kontinuitätsfehler der Originalfassung. Als Kirk mit Christopher im Turbolift fährt und mit ihm über die Zukunft redet, stellt Kirk fest, dass die Enterprise einer Behörde namens “United Earth Space Probe Agency” untersteht. In der deutschen Fassung spricht Kirk stattdessen von der “Raumforschungsgruppe der Vereinigten Planeten“. Zum Hintergrund: Die UESPA müsste eigentlich im Jahr 2161 in der Sternenflotte der Föderation aufgegangen sein. Memory Alpha listet die UESPA allerdings noch als existent – eben wegen der erwähnten Szene in “Morgen ist Gestern”.

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“Einmal Hühnersuppe, bitte!” – Zauberei? Nein, Zukunftstechnologie! (Bild: TOS 1×19 © Paramount)

Die Episode macht aber zweifellos zwei Aspekte sehr deutlich: Erstens die Tatsache, dass sich die Menschheit in der Trek-Zukunft politisch vereinigen wird – sowohl als gemeinsame Spezies als auch mit fremden Planeten. Zweitens bringt “Morgen ist Gestern” den technischen Fortschritt eigentlich ganz gut rüber: Warp-Antrieb (hier: Sol-Antrieb), Traktorstrahl, Transporter (Beamen), Nahrungsverteiler (Replikator), Phaser-Pistole, Kommunikator und allen voran der sprechende und enorm leistungsstarke Bordcomputer – alle diese technischen Errungenschaften spielen in dieser Episode mitunter wichtige Rollen. “Das ist aber cool”, dürften sich damals bestimmt viele Zuschauer gedacht haben.

Wenn man allerdings bedenkt, dass die Redakteure des ZDF damals die freie Auswahl aus zunächst 26 Episoden der Serie hatten, dann stellt sich mir schon die Frage, ob es nicht vielleicht auch bessere Einführungsepisoden gegeben hätte als “Morgen ist Gestern”. Nach meinen Dafürhalten wären etwa Folgen wie TOS 2×10 “Journey to Babel” / “Reise nach Babel” (ZDF-Folge Nr. 16, 16.09.1972), TOS 2×24 “The Ultimate Computer” / “Computer M5” (ZDF-Folge Nr. 8, 15.07.1972) und vor allem TOS 2×06 “The Doomsday Machine” / “Planeten-Killer” (ZDF-Folge Nr. 5, 24.06.1972), die alle zum ersten Ausstrahlungsblock gehörten, ideale Einführungsepisoden gewesen; und zwar deshalb, weil in diesen Folgen sehr viel Weltraum und einiges von der Sternenflotte oder der Föderation zu hören oder zu sehen ist.

Für mich persönlich wäre allerdings “Horta rettet ihre Kinder” (TOS 1×25 “The Devil in the Dark”) prädestiniert dafür gewesen, als Serienauftakt zu fungieren, weil diese Episode nahezu alles hat, was “Star Trek: The Original Series” ausgezeichnet hat: Sternenflotte vs. Kolonisten, Spannung, Horror, ein moralisches Dilemma sowie eine geniale Kirk-Spock-McCoy-Dynamik. Der Haken: “Horta rettet ihre Kinder” gehörte zu jenen Episoden, die erst 1988 von Sat.1 gekauft und ausgestrahlt wurden.

Figuren

Im Gegensatz zu “Das Letzte seiner Art” sind in “Morgen ist Gestern” alle in der ersten Staffel zum Hauptcast gehörenden Figuren zu sehen. Scotty war in “The Man Trap” hingegen nur über die Bordsprechanlage zu hören gewesen. Das ist schonmal erfreulich, nichtsdestotrotz bleiben praktisch alle Charaktere, darunter auch das die Serie tragende Triumvirat Kirk, Spock und McCoy, hier eher blass. Das liegt vor allem an der doch eher dünnen Story, die sich auf das Verwischen von verräterischen Spuren beschränkt.

Spock darf hier für das deutsche Publikum erstmals als Mastermind der Enterprise-Crew in Erscheinung treten und auch seine Fremdheit wird in “Morgen ist Gestern” geschickt in Szene gesetzt. Letztendlich weiß das Publikum hier ebenso wenig über diesen spitzohrigen Typen wie der zeitgenössische Captain Christopher. Auf der einen Seite ist es sicher keine falsche Strategie, nicht gleich in der ersten Episode sämtliche Charakter-Geheimnisse zu lüften. Andererseits hätte ich mir als damaliger Zuschauer sicher noch etwas mehr Hintergrundinfos zu diesem seltsamen Mr. Spock gewünscht.

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Typische 1960er-TV-Klopperei: Kirk (William Shatner) ist der Old Shatterhand des Weltraums (Bild: TOS 1×19 © Paramount)

Captain Kirk wird in “Morgen ist Gestern” deutlich sympathischer gezeichnet als in “Das Letzte seiner Art”, wo er stellenweise unreflektiert, gewaltaffin und vorurteilsbehaftet rüberkommt. So richtig als Captain kann er aber auch hier nicht auftrumpfen, da gibt es sicherlich andere Folgen, die Kirk eher glänzen lassen. Nichtsdestotrotz wurde Kirk dem deutschen Publikum gleich vom Start weg als entscheidungsmutiger Kommandant und dynamisches Prügel-Ass vorgestellt. Ich könnte mir vorstellen, dass die ZDF-Zuschauer damals schon alleine wegen einer gewissen äußerlichen Ähnlichkeit zwischen William Shatner und Lex Barker und vor allem aufgrund der gemeinsamen Synchronstimme (Gert Günther Hoffmann) einige “Old Shatterhand-Vibes” verspürten. Auch die Ähnlichkeiten mit Commander McLane (Dietmar Schönherr) aus “Raumpatrouille” waren 1972 womöglich Gesprächsthema im frühen deutschen Trek-Fandom.

Die Hassliebe zwischen Mr. Spock und Dr. McCoy (DeForest Kelley) wird hier auch gleich angedeutet (Szene im Transporterraum), kommt aber noch nicht zur vollen Entfaltung. Der Schiffsarzt, der im Deutschen den (nicht unpassenden) Spitznamen “Pille” (statt “Bones”) erhielt, läuft in “Morgen ist Gestern” nämlich noch auf Sparflamme. In “Das Letzte seiner Art” stand er hingegen im Zentrum der Handlung.

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Spock, Kyle und McCoy in TOS 1×19 “Tomorrow Is Yesterday” (Bild: © Paramount)

Für Lt. Uhura (Nichelle Nichols) und Scotty (James Doohan) bleiben leider auch nur einige wenige Alibi-Sätze übrig. Dagegen hat George Takeis Lt. Sulu zur Abwechslung mal wieder etwas mehr tun, als nur am Steuer der Enterprise zu sitzen. Er geht hier gemeinsam mit Kirk auf eine gefährliche Außenmission. Aber auch in diesen Szenen bleibt es leider nur bei einer besseren Statistenrolle – ein trauriger Vorgeschmack auf die übrigen 78 Folgen der Serie.

Klar, es war damals eben Usus, sich auf nur wenige Hauptcharaktere zu beschränken, in “Raumschiff Enterprise” namentlich Kirk, Spock und McCoy. Aber trotzdem schmerzt es auch heute noch, all die verpassten Chancen zur Charakterentwicklung zu sehen, die man damals einfach so hat liegen lassen. Zumindest für Uhura bietet “Strange New Worlds” nun die Möglichkeit auf Wiedergutmachung. Das nützt Nichelle Nichols aber leider auch nichts mehr.

Von den Supporting Characters ist – mit Ausnahme von Transporter-Chief Kyle (John Winston) – in “Morgen ist Gestern” auch nichts zu sehen, weder von Yeoman Rand (Grace Lee Whitney) noch von Schwester Chapel (Majel Barrett). Die Geschichte gibt dafür aber auch nicht wirklich Raum.

Story & Inszenierung

Wie bereits ausgeführt, ist die Handlung der Episode gewiss keine Offenbarung, da hat “Raumschiff Enterprise” an vielen anderen Stellen deutlich mehr zu bieten. Die Episode ist über weite Strecken viel zu generisch, eben wie eine typische TV-Episode aus den 60ern. Die Kulissen, welche die Räume der USAF darstellen, könnten auch ohne Weiteres aus Serien wie “Bezaubernde Jeannie” oder “Kobra, übernehmen Sie” stammen. Auch die Klopperei ist mir etwas zu klischeehaft. Als Erstzuschauer hätte ich mich damals an so einigen Stellen schon gefragt, was dieses “Raumschiff Enterprise” jetzt so besonders machen soll, mal abgesehen von den bunten ‘Schlafanzügen’ (Farbfernsehen!) und dem Raumschiff. 😉

Die musikalische Untermalung war beim ersten Mal ansehen sicherlich beeindruckend, aber es ist kein Geheimnis, dass sich die Themes in der Originalserie – wohl aus Budget-Gründen – recht schnell viel zu oft wiederholten. Das nervt stellenweise.

In der Gesamtbetrachtung hat Regisseur Michael O’Herlihy (1929-1997) aber eine durchaus flotte und durchweg unterhaltsame Episode orchestriert, die nach meinem Dafürhalten aber zu keiner Zeit den besonderen Spirit der Originalserie einfängt. Atmosphärisch gesehen finde ich “The Man Trap” als Einstieg in die Serie daher deutlich aussagekräftiger. Der deutsche Serienstart krankte eben doch an der Zeitreise-Thematik, die mit “fremden, neuen Welten” eben nicht allzu viel zu tun hat.

Inhaltlich betrachtet ist es jammerschade, dass das der Zeitreise-Geschichte innewohnende moralische Dilemma, ob es vertretbar ist, Captain Christopher die Rückkehr in sein gewohntes Leben zu verwehren (und zwar mit dem Verweis auf das Wohl der zukünftigen Allgemeinheit), hier für meinen Geschmack deutlich zu rasch und auch zu einfach aufgelöst wird. An dieser Stelle hatte ich das Gefühl, dass das Drehbuch eine Steilvorlage hinsichtlich einer diskursiveren, tiefergehenden Handlung leider ungenutzt gelassen hat. Gene L. Coons Drehbuch zu “Horta rettet ihre Kinder” ist in dieser Hinsicht deutlicher besser gelungen.

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Ein sichtlich genervter Kirk wird vom Bordcomputer angeflirtet (Bild: TOS 1×19 © Paramount)

Hinsichtlich des Humors der Episode ist festzustellen, dass der etwas emotional (oder doch erotisch?) angehauchte Computer – das Resultat einer Umprogrammierung durch die Bewohnerinnen von Cygnet XIV – für meinen Geschmack etwas drüber ist. Über den Aspekt des mindestens latenten Sexismus der 60er will ich an dieser Stelle wohlwollend hinwegsehen, da es keinen Sinn macht, 55 Jahre später den erhobenen Zeigefinger auszupacken und eine Serie, die den damaligen Zeitgeist widerspiegelte, genau dafür zu kritisieren. Wie dem auch sei, der Joke ist bei mir aber einfach nicht so angekommen, wie es wohl intendiert war. Aber Humor ist stets eine individuelle Sache. Ganz unlustig sind Kirks und Spocks Reaktionen jetzt auch wieder nicht. Aber auch hier gilt: “TOS” war schonmal lustiger.

Die deutsche Synchronisation von “Star Trek” stand damals ganz im Zeichen humoristischer Blödel-Dialoge, wie man sie aus “Die 2” (mit Tony Curtis & Roger Moore) kennt. Ob die flapsigen Dialogzeilen in “Raumschiff Enterprise” dem Erfolg der Serie hierzulande nun zuträglich waren oder ob wir von einem “trotzdem” ausgehen müssen, bleibt wohl für immer ungeklärt. Ich für meinen Teil bevorzuge dann doch eher die etwas ernsthaftere englische Originalversion, weil mir Sprüche wie “Mr. Spocks Wundertüte” (statt Scanner) doch irgendwie zu kindisch sind. Nichtsdestotrotz soll nicht unerwähnt bleiben, dass insbesondere die Auswahl der Synchronsprecher, darunter der bereits erwähnte Kirk-Sprecher Gert Günther Hoffmann und der legendäre Herbert Weicker (Spock), damals nicht weniger als genial war. Auch wenn man einige Fachtermini (z.B. “Warp-Antrieb”, “Sternenflotte”) anfangs noch umbenannt oder gänzlich vermieden hatte, so hat die Synchronisation von “Morgen ist Gestern” am Ende doch die Grundlagen (und oft auch die Maßstäbe) für alle weiteren “Star Trek”-Produktionen in Deutschland gelegt.

Fazit

Mit “Morgen ist Gestern” haben die damaligen Programmredakteure des ZDF eine durchaus unterhaltsame Episode als deutschen Auftakt für “Raumschiff Enterprise” ausgewählt. Als Exposition in die Welt von “Star Trek” war die Episode allerdings nur bedingt geeignet. Während die überwältigenden, teils fantastischen technologischen Fortschritte der Menschheit in dieser Episode gekonnt in Szene gesetzt werden, erfährt der Zuschauer andererseits nur ganz wenige Details über das Universum, in dem “Raumschiff Enterprise” spielt. Der Forschergeist der Protagonisten, die Lust auf das Unbekannte und die Gefahren der unendlichen Weiten kommen in dieser Episode noch nicht so recht zum Tragen, vom angedeuteten Zeitreise-Paradox mal abgesehen.

Auf der inhaltlichen Ebene ist “Tomorrow Is Yesterday” auch recht eindimensional, stehen hier doch das Verwischen von verräterischen Spuren sowie einige kleinere Actionszenen in Form von Prügeleien im Zentrum der Handlung. Nur kurz am Anfang (Spocks Vortrag über das drohende Zeitreise-Paradox) und kurz am Ende der Episode wird ein kleiner Ausblick auf das geboten, was “Star Trek” auszeichnet: Science-Fiction, das sich sehr stark an (pseudo-)wissenschaftlichen Narrativen orientiert, hier in Gestalt eines Raum-Zeit-Schleudereffekts.

Auch eine weitere Stärke von “Star Trek” kommt in dieser Folge noch nicht so richtig zur Geltung: die Diskussion um die richtige Ethik. Diesbezüglich kratzt “Morgen ist Gestern” leider nur an der Oberfläche.

Unter dem Strich steht eine für die damalige Zeit recht tempo- und actionreiche Episode, die in den deutschen Wohnzimmern des Jahres 1972 sicherlich Lust auf mehr gemacht hat. Und dennoch bleibt festzuhalten: “Morgen ist Gestern” war dann aber doch irgendwie nur “Star Trek”-Durchschnittskost. Die echten Leckerbissen sollten erst noch kommen…

Episoden-Infos

Episodennummer19 (Staffel 1, Episode 19)
OriginaltitelTomorrow Is Yesterday
Deutscher TitelMorgen ist Gestern
Erstausstrahlung USA26. Januar 1967
Erstausstrahlung Deutschland27. Mai 1972
Story & DrehbuchRobert Justman (Story); D.C. Fontana (Drehbuch)
RegieMichael O’Herlihy
Laufzeit50 Minuten

Bewertungsübersicht

Handlung der Einzelepisode
Einführung in das Serienuniversum
Charaktervorstellung
Dialoge
Spannung
Action & Effekte
Humor
Intellektueller Anspruch
Matthias Suzan
Matthias Suzan
Matthias' Leidenschaft für "Star Trek" wurde 1994 mit knapp zehn Jahren durch "The Next Generation" geweckt. TNG und DS9 sind bis heute seine Lieblingsserien. Es sind vor allem die politischen, gesellschaftlichen und menschlichen Themen des Trek-Universums, die ihn faszinieren. Aber auch die vielen, tollen Raumschiffe haben es dem passionierten Modellbauer angetan. Matthias ist seit 2017 Teil der TZN-Redaktion.

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