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Michelle Hurd, Vizepräsidentin der Schauspielgewerkschaft in L.A. über Streikgründe

Michelle Hurd ist Trekkies bekannt als Raffi Musiker in “Star Trek: Picard”. Sie ist eine der tonangebenden Stimmen im laufenden Streik der US-Unterhaltungsindustrie. Anfang der Woche erklärte sie gegenüber THE WRAP einige wesentliche Streikpunkte.

Warum streiken Schauspieler:innen in Hollywood

Michelle Hurd ggü. THE WRAP, Zitat 1

In all diesen Lieblingsserien, die wir seit Jahren sehen — diese Schauspieler, von denen wir denken: “Oh, da ist dieser Typ aus jener Serie!” … Man kennt vielleicht nicht unbedingt die Namen… Ihr seht mich vielleicht in einer Serie, Ihr kennt vielleicht meinen Namen nicht, aber Ihr habt mich in vielen Shows irgendwo gesehen. = Dies sind Schauspieler:innen aus der Arbeiterklasse, die buchstäblich von der Hand in den Mund leben.

Man muss 26.000 Dollar im Jahr verdienen, um sich für die SAG-AFTRA-Krankenversicherung qualifizieren zu können: [Beispiel des Gehaltsschecks für einen] Gaststar in einer Show: Die Produzenten haben die Daumenregel “top of show”. Das ist ihre eigene Wortwahl, das steht in keinem Vertrag. Das Haben die sich ausgedacht. Sie werden keine Gehälter zahlen, die über diesen “top of show”-Wert hinausgehen. “Top of Show” kann irgendwo zwischen 5.000$ und 8.000$ pro Folge liegen.

Es kann ja sein, dass Ihr jetzt sagt, “das hört sich doch gut an”: Sagen wir, ich schustere zwei oder drei Gaststars im Laufe eines Jahres zusammen…

“Top of Show” bezeichnet einen unregulierten Geldbetrag, der für Gastrollen vorgesehen ist und von Serienverantwortlichen festgelegt wird. Im Gastrollenvertrag könnte zum Beispiel stehen, dass man nicht über den Top-of-Show-Satz hinausgehen werde, was bedeutet, dass das Studio dieser Person nicht mehr als den eigenen Top-of-Show-Satz zahlt, egal wer der oder die Schauspieler:in ist. Jemand, der noch nie eine Gastrolle hatte und zum ersten Mal dabei ist, verdient nicht selten dasselbe, wie seit Jahren regelmäßig zurückkehrende Nebenrollen, die sich als verlässlich und kompetent bewiesen haben. An genug Gastrollen zu kommen, um sich für eine Krankenversicherung zu qualitfizieren, erweist sich als statistisch sehr schwierig. Um eine Grundsicherung für Schauspieler:innen zu ermöglichen, so die Gewerkschaft, müssten Top-of-the-Show-Sätze entweder reguliert oder abgeschafft werden.

Michelle Hurd ggü. THE WRAP, Zitat 2

…Die Zuschauer sehen mich dann also in drei oder vier verschiedenen Serien. Und sie sagen: ‘Wow, diese Schauspielerin arbeitet, sie macht all diese Sachen!’ Aber ich habe dann immer noch keine Krankenversicherung, wegen ‘top of show. Wir leben von Gehaltsscheck zu Gehaltsscheck.

Früher hatten wir ‘Quoten’. Wenn man eine bestimmte Zeit gearbeitet hatte, wirklich hart, um die eigene Quote zu erhöhen, also, um das Gehalt zu steigern … Sie haben beschlossen, das abzuschaffen! Sie erkennen das nicht mehr an, respektieren es nicht mehr. Diese Branche ist eine der wenigen, in der quasi Seniorität (also die Tatsache, dass man schon lange arbeitet und einen tollen Lebenslauf vorweisen kann) nichts bedeutet.

Es gibt natürlich einige sehr reiche Schauspieler:innen. Absolut. Wir haben 160.000 Mitglieder in unserer Gewerkschaft. 160,000! Ein Prozent sind die Spitzenverdiener…

Michelle Hurd ggü. THE WRAP, Zitat 3

…Ein Prozent! Und davon sind vielleicht zwei Prozent diejenigen, die unsere Gewerkschaft im wahrsten Sinne des Wortes unterstützen, aufrechterhalten, finanzieren und die Versicherung am Laufen halten. Alle anderen sind “unter dem Strich”.

Und den Leuten ist nicht klar, dass [die Gewerkschaft] SAG-AFTRA nicht nur aus Schauspieler:innen besteht: Wir sind Rundfunksprecher:innen, Stuntkoordinator:innen, Stuntleute, Tänzer:innen, Sänger:innen und Synchronsprecher:innen. Das ist ein riesiger Bereich, den wir abdecken, und 98% dieser Menschen sind “unter der Linie”, kämpfen um ihren Lebensunterhalt in einer Branche, die, wie wir alle wissen, Milliarden verdient.

Darüber denke ich die ganze Zeit nach. Wir sprechen darüber in unseren Gewerkschaftssitzungen. Früher haben wir immer über “Millionen” gesprochen. Jeder wollte “Millionen” verdienen. “Oh, wäre das nicht toll!” Doch diese Leute [— sie deutet nach oben —] machen Milliarden! Und trotzdem haben sie nicht genug Geld, um uns nur ein bisschen mehr für unsere Renten- und Grundversorgungsbeiträge zu geben, damit wir unsere Krankenversicherung in Anspruch nehmen können?

Michelle Hurd ggü. THE WRAP, Zitat 4

Wir haben Schauspieler:innen, die sehr bekannt sind; diese bekannten Gesichter in den bekannten Shows, die ihre Grundversorgung verloren haben, nicht mehr versichert sind und sich abrackern müssen, um einen Job zu bekommen, mit dem sie gerade mal ihre Miete bezahlen können — noch nicht die Versicherung, sondern DIE MIETE!

Dies ist ein ernster, entscheidender Moment. Ich weiß, es klingt übertrieben: aber es ist eine Situation, in der es um Leben und Tod gehen kann. Denn es geht darum, für unsere Familien zu sorgen, für unsere Lieben. Wenn unsere Eltern älter werden, möchte man als Kind immer einen Beitrag leisten können. Sollte ich in diesem Alter noch meine Eltern um Geld bitten? Nein, ich sollte mich um meine Eltern kümmern. Es ist schmerzhaft.


Michelle Hurd streikt mit ihren Schauspielkolleg:innen seit letztem Donnerstag; die US-Autorengewerkschaft bereits seit Mai. Terry Matalas, Drehbuchautor und Showrunner bei “Star Trek: Picard” kommentierte heute auf Twitter über die Zahlungsmoral der großen Studios und unterstreicht damit einmal mehr, weswegen viele sagen, sie hätten keine andere Wahl mehr gehabt, als zu streiken:

Ich kann dir gar nicht sagen, wie oft ich ein Studio anrufen musste, um das Geld für einen meiner Autoren einzufordern. Bei mehreren Studios, wohlgemerkt. Einmal hat es fast fünf Monate gedauert, bis ich für ein Drehbuch bezahlt wurde.

Terry Matalas auf Twitter

Dies war seine Antwort an Jenny Bicks (u.a. bekannt als “Sex in the City”-Drehbuchautorin), die davon erzählte, dass sie vor nicht all zu langer Zeit zweieinhalb Monate auf ihren Gehaltscheck hat warten müssen.

Als ich [die Verantwortlichen] darauf ansprach und sie zugaben, dass es ihre Schuld war, verlangte ich Zinsen. Sie erwiderten, sie seien ‘noch nie so beleidigt worden’.

Jenny Bicks auf Twitter

Aaron J. Waltke, Showrunner der kürzlich abgesetzten Serie “Star Trek: Prodigy”, klinkte sich in den Austausch ein:

Mein Rekord liegt bei einem Jahr und zwei Monaten.

Aaron J. Waltke auf Twitter

The record for me is a year and two months.

— Aaron J. Waltke (@GoodAaron) July 19, 2023

Die US-Schauspielgewerkschaft streikt, Miles O'Brien nickt zufrieden

Über den Streik

Die US-Autorengewerkschaft und die US-Schauspielgewerkschaft streiken gemeinsam, nach gescheiterten Verhandlungen mit einer Allianz großer Studios zu keiner Einigung geführt hatten. Es ist das erste Mal seit dem Jahr 1960, dass beide Gewerkschaften streiken und somit einen Großteil der US-Unterhaltungsindustrie lahmlegen. Sprechchöre stehen vor den Gebäuden namhafter Produktionsstudios, von den Gewerkschaften organisierte Demonstrationen versuchen noch laufende Dreharbeiten zu stören. Hauptthemen des Streiks sind Streaming-Einnahmen sowie deren Verteilung und die Formulierung von Regeln für den Einsatz künstlicher Intelligenz in der Branche.

Die wesentlichen Punkte beider Streiks haben wir hier zusammengefasst.

WIKIMEDIA User Fabebk "Writers Guild of America 2023 writers strike"
Bild von WIKIMEDIA User Fabebk: “Writers Guild of America 2023 writers strike”

Eine Konsequenz des Streiks: Keine Convention-Panels

Das Fandom wartet gespannt, wie sich die Lage weiterentwickelt. Eine der kommenden Konsequenzen des Streiks wird die abnehmende Anzahl von Serien und Filmen sein. Ab 2024 werden wir es zu spüren bekommen, so sagt man. Da selbst Conventionauftritte bestreikt werden, sind auch weitaus weniger Stargäste zu erwarten. Cast & Crew dürfen, den Streikregeln folgend, zwar Autogramme geben, sprechen aber nicht über ihre Filme und Serien. Sie besuchen Conventions in dieser Zeit nur auf Eigeninitiative. Viele werden fernbleiben; beispielsweise hat heute Kate Mulgrew (Captain Janeway in “Star Trek: Voyager”) “in Solidarität mit dem Streik” zwei Conventions abgesagt. Gewöhnlich werden sie von ihren Produktionsfirmen entsandt. Und dies fällt im Moment alles weg.

Paramount hat z.B. auf der morgigen Comic Con eine der großen Halle gebucht. Da die Bühne vermutlich nicht mit Gaststars belegt sein wird, die 90 Minuten lang Fragen beantworten und Anekdoten erzählen, hat Paramount entschieden, das zahlende Publikum mit einer Preview des “Lower Decks”/”Strange New Worlds”-Crossovers zu beschallen. Comic-Con-Besucher:innen sehen Episode 2×07 der Serie “Strange New Worlds” also etwas früher als der Rest von uns.

Unser Streik-Thread auf Twitter

Wir fädeln einen langen Streikfaden auf Twitter, den wir immer wieder um News zum Thema ergänzen: Bilder, Videoclips, Zitate von “Star Trek”-Mitwirkenden. Schaut vorbei.

Maja T Mo
Maja T Mo
Beim TZN dabei seit der Erstausgabe des DAILY-TREK-Newsletters, 1999.

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