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Rezension: “Binti”

In diesem Sammelband werden die drei Binti-Novellen vereint und wie bei Nnedi Okorafor üblich steht Afrika im Mittelpunkt.

Inhalt (Klappentext):

Binti (CrossCult)
Binti (Cross Cult)

Ihr Name ist Binti und sie ist die erste Himba, die jemals an der Oomza Universität, einer der besten Lehranstalten der Galaxis, angenommen wurde. Aber diese Möglichkeit wahrzunehmen bedeutet, dass sie ihren Platz innerhalb ihrer Familie aufgeben und mit Fremden zwischen den Sternen reisen muss, die weder ihre Denkweise teilen, noch ihre Bräuche respektieren.

Die Welt, deren Teil sie werden möchte, hat einen langen Krieg gegen die Medusen hinter sich und Bintis Reise zwischen den Sternen lässt sie dieser Spezies näher kommen als ihr lieb ist. Wenn Binti das Vermächtnis eines Krieges überleben will, mit dem sie nichts zu tun hatte, wird sie die Gaben ihres Volkes brauchen und die Weisheit, die sich in der Universität verbirgt – aber zuerst muss sie es bis dorthin schaffen, lebendig.

Kritik

Nnedi Okorafor zeichnet sich dadurch aus, dass ihre Bücher in besonderer Form Afrika und seine Lebensweisen in den Mittelpunkt stellen. Zusätzlich gibt sie dazu wichtige Denkanstöße und im allgemeinen sind ihre Bücher keine ‘leichte’ Kost, sondern in ihrem ganz eigenen Stil geschrieben. Binti macht hier keine Ausnahme. Der vorliegende Sammelband enthält genau genommen die drei Einzelgeschichten, die auch schon zuvor als E-Book erschienen waren.

Wir befinden uns in einer, nicht näher benannten, Zukunft, in der die Menschen ins All aufgebrochen sind. Gleich zu Beginn wird uns hier die titelgebende Binti präsentiert, die einem Volk angehört, das eigentlich eher traditionell lebt und eben nicht ins All will (und ebenso selbstredend aus Afrika stammt). Zwar wird der Charakter an und für sich recht gut aufgebaut und seine Handlungsweisen können bis zum Ende nachvollzogen werden, gerade am Anfang werden aber teilweise einige altbackene Stereotypen bemüht. Auch die später auftauchende Dreierbeziehung gehört an dieser Stelle schon fast zu dem obligatorischen Klischee.

Nnedi Okorafor (CrossCult)
Nnedi Okorafor (Photo: Cross Cult)

So ist Binti natürlich die Rebellin, die eben doch ins All aufbricht (was auch sonst?). Bei ihrem ersten Flug kommt es, wie könnte es anders sein, zu einem Zwischenfall, als das Alienvolk der Medusen angreift. Binti überlebt als einzige und schafft es sogar, mit den Medusen zu reden und im Laufe der Zeit eine Art Frieden auszuhandeln. Damit wird sie quasi zur Heldin (und später auch zur Retterin ihres Volkes), denn sie schafft es, diesen Frieden auch den anderen Menschen zu vermitteln. Das alles kennen wir so oder so ähnlich schon und darf daher getrost als etwas schwächerer Auftakt angesehen werden.

Auch ein paar weitere Schwächen lassen sich nicht leugnen. So erfährt man als Leser nur wenig über die Welt, in der Binti lebt. Über Afrika bzw. Bintis Volk erfährt man zwar im Laufe der Handlung weitere Details, über das weitere “Drumherum” aber nicht. So sind die Menschen und Medusen nicht die einzigen Aliens, die in dieser Welt leben, das wird aber nur am Rande erwähnt (bzw. am Ende deutlicher, weil die Chefin der Akademie eben auch einem anderen Alienvolk angehört). Okorafor konzentriert sich an dieser Stelle zwar auf die Konflikte in Bintis Volk, was sowohl gut, als auch schlecht ist. Schlecht deswegen, weil man eben von der Welt nur wenig mitbekommt, gut deswegen, weil sich die Autorin an dieser Stelle voll auf den Rassismusaspekt konzentrieren kann – doch dazu später mehr.

Zusätzlich dazu, dass bestimmte Dinge in der Welt nur angerissen werden, wirft die Autorin auch dieses Mal wieder mit allerlei Begrifflichkeiten um sich. So tragen Binti und ihr Volk Ojitze, was eine Art brauner Schlamm zu sein scheint, den sie statt einer Kleidung am Körper tragen (ja, dass sie quasi die ganze Zeit nackt herumlaufen wird durchaus das ein oder andere Mal in der Geschichte thematisiert). Dieser Wunderstoff sorgt ob seiner Heilfähigkeiten dann auch dafür, dass Binti mit den Medusen sprechen kann. Eine weitere genauere Erklärung erfolgt nicht, obwohl der Begriff fast inflationär alle paar Seiten erwähnt wird. Das wäre für sich genommen nicht schlimm, doch leider gibt es auch noch andere Begriffe, die auf diese Art verwendet werden.

Zur Kommunikation benutzt Binti etwa ein Astrolabium. Was das genau ist und wie es funktioniert, erfährt man ebenso wenig, außer, dass es essentiell ist. Diese fremden Begrifflichkeiten tauchen immer wieder auf und bekommen keinerlei tiefergehende Erklärung spendiert. Dabei beziehen sie sich nicht nur auf die Technik, sondern auch auf die Rituale von Bintis Volk. Die Nachtmaskerade (Titel des zweiten Bandes) ist zum Beispiel so ein Ritual, das ebenso kurz angerissen und dann in der Tiefe nicht mehr erwähnt wird, obwohl die Auswirkungen die ganze Zeit nachhallen. Mag sein, dass es Afrikaner kennen, als kulturfremder Leser dieses Buches steht man aber zumeist mit Fragezeichen im Gesicht vor den Seiten.

Kurzum: Es mag schön sein, nicht immer alles zu erklären und gewisse mythologische Sachen außen vor zu lassen oder nur kurz anzureißen. Der vorliegende Roman übertreibt es aber leider mit den fremden Begrifflichkeiten, die nicht erklärt werden, weswegen man nach kurzer Zeit davon genervt ist.

Doch von diesen Negativpunkten abgesehen gelingt es der Autorin, eine wichtige Botschaft zu transportieren: Angst vor dem Unbekannten ist kein Grund für Rassismus. Binti ringt während des ganzen Romans gegen ihre einstigen Freunde und Familie (die sich dann immerhin schnell auf ihre Seite stellen) und einem benachbarten Volk (bzw. besser: afrikanischer Stamm), welches sogar wegen ihres Schulterschlusses mit den Medusen angreift. Ohne an dieser Stelle den Holzhammer zu sehr zu bemühen, zeigt Binti hier wiederholt auf, dass es besser ist, zu reden, statt sich von altem Hass auf ein fremdes Volk leiten zu lassen. Dieser rote Faden zieht sich durch den ganzen Band und ist heute sicher aktueller denn je. Er kulminiert dann auch in dem letztlich unausweichlichem Opfer von Binti, dass dann endlich zu offeneren Augen führt.

Oder so könnte es sein. Denn – Achtung, Spoiler – Bintis Tod wird kurz darauf wieder negiert. Hier verbindet sich das lebende Schiff (ja, die menschlichen Raumschiffe sind Lebewesen – aber auch hier wird nichts weiteres dazu erklärt) mit Binti und holt sie so zurück. Dabei wäre ihr Ableben eigentlich ein runder Abschluss der Geschichte gewesen. Dass Okorafor nicht davor zurückschreckt, ihre Helden zu töten, konnte man in ihren anderen Romanen schon sehen. Hier drängt sich aber der Verdacht auf, dass sie mit den zurückgebliebenen Protagonisten nichts anzufangen wusste, weswegen dieser Kniff hervorgeholt wurde. Da die Autorin in der Ich-Form schreibt, waren diese Passagen, mit dem Wechsel der Erzählperspektive, also durchaus mal interessant zu sehen, aber wohl auch etwas zu viel Änderung. Dies mag dem persönlichen Schreibstil geschuldet sein, damit kann man leben.

Dass Binti im übrigen auch noch ein Stück alter Technologie hat, das sie später nutzt, um den Erstkontakt mit einer weiteren fremden Alienspezies herzustellen (die bereits ihre Spuren auf der Erde bzw. bei Bintis Volk hinterlassen hat), sparen wir uns an dieser Stelle mal und sehen diesen Handlungsstrang als Ergänzung in der B-Note an.

Fazit

Mit Binti macht es die Autorin einem schwer. Viele “Kratzer” im Detailgrad der Geschichte trüben etwas den Gesamteindruck, hier werden einfach zu viele Klischees bedient und zu wenig Hintergrund geboten. Auf der anderen Seite ist die Botschaft gegen den Rassismus gut umgesetzt und durchaus einen Blick Wert. Am Besten vorher mal in ein anderes Buch von Okorafor hinein schnuppern. Wem diese gefallen, der kann auch hier zugreifen.

[usr 3]

Information: Ein Exemplar dieser Ausgabe wurde dem Autor vom Verlag zum Zwecke der Rezension kostenlos überlassen.

Quick-Infos

Autor: Nnedi Okorafor
Originaltitel: Binti
Jahr der Veröffentlichung (Original): 2018
Übersetzer: Claudia Kern
Seitenanzahl: 400
Preis: 18.- Euro
ISBN: 978-3-95981-653-3
Verlag: Cross-Cult

 

Thomas Götz
Thomas Götz
Seitdem er 1985 zum Ersten Mal Episode IV sah und ausrief "Aber das heisst doch, Vader ist Lukes Vater" ist Tom der Science Fiction verfallen. Star Trek Fan wurde er, wie viele seiner Kollegen, 1990 mit "The Next Generation" in Deutschland. Seine ersten Buchrezensionen zu Star Trek Büchern erschienen schon 1995 im Alter von 16 Jahren im Star Trek Fanclub. Seit 2006 schreibt er auch Online Rezensionen (ab 2009 Trekzone-Exklusiv) und hat kürzlich seine 2000.Rezension veröffentlicht.

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