“Der Zeitsturm” (“Perpetual Infinity”) gibt den Startschuss für das Finale der zweiten Staffel von “Star Trek: Discovery”. Leider verliert der staffelumfassende Handlungsbogen aufgrund von diversen Wendungen etwas an Anziehungskraft, während sich auch die Charakterzeichnung der Protagonistin weiter im Kreise dreht. Unter dem Strich bleibt eine Episode, die nicht wirklich zu begeistern vermag.
Die Handlung
Die letzte Mission der Discovery (2×10 “Der rote Engel”) war ein voller Erfolg. Der Rote Engel alias Dr. Gabrielle Burnham (Sonja Sohn) ist gefasst und auch Commander Burnham hat das Drama auf Essof IV relativ unbeschadet überstanden. Während Dr. Burnham noch nicht wieder zu Bewusstsein gekommen ist, macht sich ihre wieder genesene Tochter Michael daran, deren Logbücher auszuwerten.
Dank des Zeitanzugs konnte Dr. Burnham im Jahr 2236 dem Angriff der Klingonen entkommen. Doch ihr Plan, um eine Stunde in der Zeit zurückzureisen und den Angriff zu verhindern, schlug fehl. Stattdessen wurde sie immer und immer wieder 950 Jahre in die Zukunft gezogen. Sie erfuhr von der großen apokalyptischen Katastrophe dieser Zeit und wurde daraufhin zum Roten Engel, dessen Mission seither darin besteht, durch die Zeit zu reisen und zu verhindern, dass sich die KI zur ultimativen Vernichtungsmaschine entwickeln kann.
Währenddessen hat Control Besitz von Leland ergriffen. Der Plan: Die KI will in den Besitz des Sphärenarchivs gelangen, um auf diese Weise die eigene Entwicklung voranzutreiben. Dafür muss jedoch der Störfaktor Dr. Burnham eliminiert werden. Tyler und Georgiou sollen diesbezüglich als ahnungslose Handlanger fungieren. Doch Tyler hat moralische Bedenken.
Bei einem Treffen mit Captain Pike fordert Dr. Burnham ihre Freilassung aus dem Kraftfeld. Denn nur sie sei letztendlich in der Lage, die KI aufzuhalten und die Galaxis zu retten. Pike lehnt dies ab, ordnet aber entsprechend Burnhams Forderung die vollständige Löschung des Sphärenarchivs an, was jedoch misslingt, da sich die Datei durch ein Art Firewall (Xenoverschlüsselung) selbst schützt.
Das Wiedersehen zwischen den Burnhams verläuft derweil nicht so, wie von Michael erwartet. Ihre Mutter, psychisch gezeichnet von ihrer Wanderschaft durch Raum und Zeit, weist sie zurück. Zu schmerzlich waren die vergangenen Jahre. Zu oft hat sie ihre Tochter sterben sehen. Zu schwer wiegt die Verantwortung, die auf ihren Schultern lastet. Schlussendlich kommt es dann doch noch zur emotionalen Aussprache zwischen Mutter und Tochter.
Es scheint nur noch eine Option möglich. Das Sphärenarchiv muss in den Zeitanzug überspielt und dieser in eine ferne Zukunft transportiert werden. Kann auf diese Weise verhindert werden, dass Control das ultimative Wissen erlangt?
Auf dem Sektion 31-Schiff sticht Leland den misstrauisch gewordenen Tyler nieder. Anschließend beamt er sich auf die Planetenoberfläche und versucht Dr. Burnham zu töten. Nur dank des beherzten Eingreifens von Georgiou kann Dr. Burnham samt Zeitanzug und Sphärenarchiv in die Zukunft flüchten. Ihr Zeitkristall ist jedoch hinüber. Und auch Leland gelingt die Flucht – mit 54 Prozent der Sphärendaten im Gepäck.
Die Gefahr ist noch lange nicht gebannt…
Auf Locutus’ Spuren?
Da die KI als körperloser Antagonist wohl nicht in das Konzept der Autoren gepasst hat, muss nun Leland als physischer Gegenspieler herhalten. Die gesamte “Assimilationsszene” wirft natürlich etliche Fragen auf:
- Wie ist Leland in den Stuhl gekommen? Womöglich gebeamt?
- Wie konnte Control ohne humanoiden Wirt Nanosonden entwickeln und synthetisieren? Wie ist der Injektor in Lelands Bereitschaftsraum gelangt?
- Warum ausgerechnet Leland? Natürlich, hier wird mit dessen fragwürdiger Moral argumentiert, aber wäre Tyler, der direkten Zugang zur Discovery hat, hier nicht das logischere Ziel für Control gewesen?
Zudem stellt sich eine weitere, ganz entscheidende Frage: Sind die Autoren wirklich so verrückt, hier die Ursprungsgeschichte der Borg erzählen zu wollen (oder zumindest eine Querverbindung zu diesen herzustellen)? Man muss es fast vermuten. Das wäre in meinen Augen allerdings fatal, denn die Borg haben als der ultimative Gegenspieler in “The Next Generation” und “Voyager” absolut nichts in einem Prequel zu “The Original Series” verloren. Hier zeigt sich doch eine gewisse Ideenlosigkeit, wenn man das Thema KI gleich wieder mit dem Thema Cyborg verknüpfen muss, um eine halbwegs glaubhafte Geschichte erzählen zu können.
Der gesamte Handlungsstrang um die KI krankt ohnehin an diversen Logiklöchern. Control entwickelt ein Selbstbewusstsein und Machtstreben und will zur Weiterentwicklung an die Sphärendaten gelangen. Allerdings fragt man sich, wo dieses Selbstbewusstsein und Machtstreben ursprünglich hergekommen ist. Und wie Control all die verschiedenen technischen Gerätschaften installieren konnte, um in der physischen Welt Einfluss nehmen zu können. Hier fehlt mir noch eine einleuchtende Erklärung, die hoffentlich noch folgen wird. Bisher ist das erzähltechnisch echt dünn und mir persönlich für “Star Trek” auch zu fantastisch.
Logical explanations are pointless
Diese Feststellung gilt derweil nicht nur für den Story-Arc um Leland und Control, sondern auch für den Roten Engel. Hat man sich früher wenigstens noch die Mühe gemacht, diverse Zeit- oder Raumphänomene zu erklären, zaubert man in “Discovery” einfach etliche weiße Kaninchen aus dem Hut, um die Story voranzutreiben.
Warum sollte man beispielsweise auch kostbare Zeit aufwenden, um die Funktionsweise des Zeitanzugs zu erklären, wenn man stattdessen auch einfach auf einen Zeitkristall verweisen kann.
Und warum wird Dr. Burnham eigentlich immer wieder 950 Jahre in die Zukunft gezogen? Diese Gravitationskräfte sind bisher leider nicht wirklich einleuchtend erklärt worden.
Und natürlich lassen sich auch die Sphärendaten urplötzlich nicht mehr einfach so löschen. Bei Airiam war das komischerweise kein Problem gewesen. Hier rächt sich, dass die Discovery keinen so findigen Chefingenieur wie die Enterprise-D hat. Geordi hätte einfach dem gesamten Computerkern des Schiffes gelöscht beziehungsweise rebootet, so wie in “Die Iconia-Sonden”/”Contagion” (“The Next Generation” 2×11) geschehen.
Ganz toll kommt dann auch Dr. Culber daher. War die Biosignatur des Roten Engels in der vorangegangenen Folge noch mit der von Michael Burnham identisch, so fällt ihm jetzt plötzlich auf, dass diese (falsche) Analyse ja auf der Betrachtung der mitochondrialen DNA basierte. Wer war hier jetzt der Amateur im Team: Hobby-Genetikerin Tilly – oder vielleicht doch Dr. Culber, der es scheinbar nicht für nötig gehalten hat, die Einschätzung seiner Kollegin noch einmal mit seiner medizinischen Expertise zu überprüfen?
So viel Inkompetenz passt eigentlich nicht zur Sternenflotte, ist hier aber wohl einmal mehr auf das fragwürdige Deus ex machina-Writing der Autoren zurückzuführen. Was nicht passt, wird einfach nachträglich passend gemacht.
Dieses fragwürdige Prinzip findet ebenfalls Anwendung, um das Auftauchen des Roten Engels in den Wirren des Dritten Weltkriegs zu erklären. Wenn Dr. Burnham schon mal da ist, transportiert sie auch gleich eine ganze Kirche auf einen anderen Planeten. Cool, der Zeitanzug aus dem Jahr 2236 hat auch einen integrierten mobilen Ort-zu-Ort-Transporter. In “Star Trek: Nemesis” (2379!) war so etwas noch ein Novum gewesen, sodass man nur ein einziges Exemplar zur Verfügung hatte, was Data am Ende auch das Leben kosten sollte (übrigens auch ein gutes Beispiel für schwaches Schreiben). Wieder einmal ein ärgerlicher Kanon-Bruch!
Auch Dr. Burnhams Motiv für diese Rettungstat ist alles andere als logisch.
“Ihr Überleben beweist, dass die Zeit fließt und dass die Zukunft geändert werden kann. Vielleicht auch die Vergangenheit.” – Dr. Gabrielle Burnham in “Der Zeitsturm”
Wow, das ist wirklich eine ganz tolle und absolut “neue” Erkenntnis, die Dr. Burnham da herausgefunden hat. Schon verwunderlich, dass eine der führenden menschlichen Wissenschaftlerinnen, die auch noch für Sektion 31 arbeitet, noch nie die Missionsberichte von Captain Archer aus dem 22. Jahrhundert gelesen hat. Da soll es auch mal etwas gegeben haben, das seinerzeit temporaler Kalter Krieg genannt wurde.
Und warum vermochte es Dr. Burnham eigentlich nicht, die Sphäre zu zerstören, während es für sie scheinbar ein Leichtes war, eine ganze Ba’ul-Flotte (Episode 2×06 “Donnerhall”) zu neutralisieren? Ist das logisch?
Und wieso Spocks Dyslexie ihn besonders empfänglich für die Botschaften des Roten Engels machen soll, wird wohl auch für immer Dr. Burnhams Geheimnis bleiben. Ihre “Erklärung” im deutschen Wortlaut:
“Vulkanische Logik gepaart mit menschlichen Emotionen ermöglichen es Spock, meine Existenz zu begreifen. Und seine Dyslexie ermöglicht ihm den Umgang mit den Effekten der atemporalen Dysplasie.” – Dr. Gabrielle Burnham in “Der Zeitsturm”
Vielen Dank auch für diese absolut gut belegte und demnach völlig nachvollziehbare Begründung, Dr. Burnham! Jetzt ist mir wirklich alles zu 100 Prozent klar geworden…nicht!
Aber leider sind auch Commander Stamets und Co. nicht wirklich überzeugender in ihren Erklärungsversuchen.
“Der Anzug vom Roten Engel hat praktisch unbegrenzte Quanten-Prozessorkapazitäten und unendlich viel Speicherplatz.” – Lt. Cmdr. Paul Stamets in “Der Zeitsturm”
Super, aber wie geht das? Und warum weiß später im 24. Jahrhundert niemand etwas über diesen gigantischen USB-Stick auf zwei Beinen? Dr. Soong wäre sicher daran interessiert gewesen, als er seine Androiden gebaut hat.
Ein Gruß auch an die deutsche Synchro: Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod. Diese Weisheit stammt allerdings nicht von Laotse.
Und glücklicherweise weiß der gute Stamets nicht nur mit Pilzen umzugehen, sondern er ist darüber hinaus auch noch ein Meister im Umgang mit dunkler Materie. Zu Stamets‘ Glück ist Commander Reno bei der Einsatzbesprechung nicht zugegen, denn die hätte ihm womöglich den Kopf gewaschen, weil dieser mit – eventuell nicht ganz ungefährlicher – dunkler Materie herumexperimentieren möchte.
Zu guter Letzt habe ich mich gefragt, wo genau die Lösung in diesem kühnen Plan steckt. Okay, das Archiv ist dann in den Speicherkern des Zeitanzuges übertragen worden, der dann in die Zukunft geschickt wird. Aber ist die Discovery dann nicht immer noch ein lohnendes Ziel für Control? Oder lässt sich das Archiv dann doch noch löschen? Und ist es nicht ein großes Risiko, das Archiv in eine Zeit zu schicken, in der die KI die vollständige Kontrolle hat?
Also mir ist noch nicht so ganz klar, nach welcher Logik Pike und Co. hier handeln. Mir steckt da einfach viel zu viel Konjunktiv in diesem Plan drin, aber das scheint weder Burnham noch Spock oder gar Stamets zu stören.
Sicher, der Deus ex machina ist in der langen Tradition von “Star Trek” schon sehr oft und auch sehr plump bemüht worden. Aber “Der Zeitsturm” setzt diesbezüglich neue Maßstäbe – und das leider nicht im positiven Sinne, auch wenn Spock das Gegenteil suggeriert: “Ich mag Wissenschaft”. Da wirkt doch vieles sehr konstruiert.
Das ewig gleiche Drama
Irgendwie fühle ich mich beim Schreiben dieser Rezension wie Dr. Burnham, denn auch ich werde Woche für Woche durch eine Gravitationskraft, die sich ‘Drehbuch’ nennt, zu ein und derselben Stelle zurückgezogen: der Kritik an der Protagonistin Michael Burnham.
Ganz ehrlich, ich möchte hier nicht mehr viele Worte über dieses Ärgernis verlieren, weil in meinen früheren Rezensionen eigentlich fast alles dazu gesagt worden ist. Nur so viel:
Mich nervt und langweilt das ewig gleiche Drama um Burnham einfach nur noch maßlos. Diese Frau ist wirklich in jeder Episode geschockt, betrübt, tief verletzt und am Heulen. Burnham heult mittlerweile so oft, dass man mit ihren Tränen problemlos die moneanische Wasserwelt aus der “Voyager”-Episode “Dreißig Tage” (“Thirty Days” 5×09) erschaffen könnte.
Mal davon abgesehen, dass sich die Figur mit diesem unprofessionellen Verhalten auch irgendwie als Serienheldin diskreditiert, muss man sich zudem die Frage stellen, ob es den Autoren eigentlich nicht auffällt, dass sich ihr Burnham-Arc seit 26 Episoden ständig wiederholt.
Sicher, das Verhalten von Burnhams Mutter ist irgendwo nachvollziehbar und die Dialoge sind weder schlecht geschrieben noch schlecht gespielt. Es geht einzig und allein darum, dass man den Zuschauer nicht mit den ewig gleichen Storys zu Tode langweilen sollte. Und genau dieses Gefühl hat sich bei mir schon lange eingestellt, wenn ich Burnham sehe. Ein psychologischer Komplex jagt den nächsten. Wenn mich schon drei Reboot-Filme zum Thema Rache langweilen, dann langweilen mich gefühlt 20 von 26 Episoden “Discovery” zum Thema “Michael Burnham hat einen psychischen Komplex’ erst recht. Alex Kurtzman hat den Schuss nach “Star Trek Beyond” (an dem er allerdings selbst nicht mitgeschrieben hat) scheinbar noch nicht gehört. Man sollte storytechnisch schon etwas Abwechslung bieten, wenn man die Zuschauer bei der Stange halten will.
Diese Science-Fiction-Serie verkommt aber leider immer mehr zu einem Drama um eine psychisch labile Person, sodass man sich ernsthaft fragen muss, wie diese Frau Offizierin bei der Sternenflotte werden konnte. Ich kann mich hier nur wiederholen: Ich habe nichts gegen Drama und auch nichts gegen eine Protagonistin mit Schwächen und auch mal einer Lebenskrise. Die hatten die Captains Sisko und Archer ganz sicher auch. Aber Offiziere der Sternenflotte müssen nicht umsonst eine akademische Ausbildung durchlaufen, die auch Psychotests beinhaltet. Man denke nur an die “The Next Generation”-Episode “Prüfungen” (“Coming of Age”, TNG 1×19), in welcher Wesley Crusher mit seiner größten Angst konfrontiert wird – und diese Aufgabe mit Bravour meistert. Selbst der 16-jährige Sohn von Dr. Crusher hat in dieser Episode mehr psychische Stabilität gezeigt als die rund doppelt so alte Michael Burnham in “Discovery”. Burnhams Krisen sind ein Dauerzustand und das tut dieser Figur, tut der gesamten Serie einfach nicht gut.
Der Bogen ist mittlerweile weit überspannt. Wenn den Autoren für Burnham nur die sich ständig wiederholenden Psychokomplexe einfallen, dann haben sie ihre Hauptfigur einfach völlig falsch angelegt. Hat diese Figur wirklich nicht mehr zu bieten als Weinkrämpfe? Kann man der Serie nicht auch auf andere Weise und über andere Charaktere dramatische Aspekte hinzufügen? Man kann nur hoffen, dass man für die 3. Staffel Autoren findet, die in Sachen Charakterzeichnung von Michael Burnham endlich mal neue Akzente setzen können.
Georgious Muttergefühle
Eine etwas positivere Charakterwandlung durchläuft derzeit Philippa Georgiou. Dass die Ex-Imperatorin aufrichtige Sympathien für Michael Burnham hegt, war im Laufe der Staffel bereits erkennbar geworden. Nun greift sie sogar aktiv auf Seite der Guten ein, um Burnham und die Galaxis vor Leland beziehungsweise der KI zu retten.
Doch nimmt man Georgiou die Muttergefühle tatsächlich ab? Aus der ersten Staffel wissen wir, dass die Imperatorin Spiegel-Burnham sehr gemocht zu haben scheint. Und dennoch bleiben Zweifel, dass eine Despotin wie Georgiou überhaupt dazu fähig ist, Zuneigung über Machtstreben zu stellen. Das sah in der ersten Staffel nämlich noch ganz anders aus.
Etwas fragwürdig finde ich zudem, dass mit der Figur Georgiou eine gewisse Relativierung betrieben wird. Die Zuschauer sollen scheinbar Sympathien für eine künftige Spin-off-Hauptdarstellerin entwickeln, ganz nach dem Motto: Sie mag Burnham, sie kämpft auf der Seite der Guten – so schlimm kann sie doch nicht sein! Und hierfür wird dann auch seit elf Folgen nahezu konsequent verschwiegen, wie viel Blut diese Frau in Wirklichkeit an ihren Händen kleben hat. Die immer wieder geäußerte Sympathie für die autoritäre Herrschaftsform ist eine Sache, aber die rücksichtslose Brutalität, mit der diese Frau ihr Imperium regiert hat, hat allerdings noch einmal eine ganz andere Dimension. Halbsätze, wie der über die Vernichtung der Spiegel-Talosianer in “Soweit die Erinnerung reicht” (2×08, vormals “Gedächtniskraft”), können es nicht überdecken: Georgiou wird in der zweiten Staffel enorm verharmlost dargestellt. Sie soll “cool” wirken mit ihren flotten Sprüchen, sexuellen Anspielungen oder mit ihrem Popowackeln sowie ihren Martial-Arts-Einlagen. Das Problem ist nur: Despoten sind und bleiben stets verachtenswert – und diese Message sollte beziehungsweise muss auch eine “Star Trek”-Serie transportieren. Den angedeuteten Wandel Georgious von der Massenmörderin zur Retterin des Universums nehme ich den Autoren ganz sicher nicht ab.
Man kann daher nur hoffen, dass die Autoren nicht den zweifelhaften Plan verfolgen, Georgiou dauerhaft zu einer “sympathischen Antiheldin” machen zu wollen. Ich denke nicht, dass der Großteil des Fandoms das goutieren würde. Für mich wäre das in der Tat ein Verrat an den Grundwerten von “Star Trek”.
Eine Portion Nanosonden für Ash Tyler
In Bezug auf Ash Tyler habe ich mich gefragt, ob Control nicht auch ihm mal eine Injektion mit Nanosonden verpassen könnte. Etwas “künstliche Intelligenz” könnte diesem Hohlkopf sicher nicht schaden. Was veranlasst diesen Mann, der Burnham liebt und Teil der Discovery-Besatzung war, eigentlich dazu, alle diese Leute für den zwielichtigen Leland zu hintergehen? Ja, ich weiß, Tyler mag die Methoden der Sektion nicht unbedingt, steht aber grundsätzlich hinter der Sache. Welche “Sache” denn? Wie unreflektiert Tyler diesem Leland folgt, ist schon erschreckend.
Man hätte eigentlich annehmen können, dass er nach den Erfahrungen der vergangenen Folgen eher als Doppelagent für Captain Pike agiert denn als stupider Handlanger von Leland. Aber dieser Tyler weiß wirklich immer wieder zu überraschen. Er hat sich den Titel als dümmster Hauptcharakter in über 50 Jahren “Star Trek” wirklich absolut verdient. Seine ach so moralischen Bedenken können das dann auch nicht mehr überdecken. Diese Figur ist einfach nur erbärmlich einfältig und unglaubwürdig geschrieben. Da passt es dann auch ins Bild, dass sich dieses Abziehbild eines Klingonen von Leland fertigmachen lässt wie ein Anfänger. Ja klar, Leland ist ja jetzt auch ein super augmentierter Cyborg. Und weil man Tyler im weiteren Verlauf der Serie wohl (leider) noch braucht, darf er Lelands Messerattacke dann auch überleben. Er bricht zwar während des Gesprächs mit Pike bewusstlos zusammen, schafft es später dann aber auf wundersame Weise in eine Rettungskapsel. Zudem habe ich mich gefragt, ob die KI nicht weiß, dass sich das Herz eines Menschen (dessen Anatomie Tyler bekanntlich hat) etwas weiter oben befindet. Faules Schreiben mal wieder, wie bereits gewohnt.
Neues aus der Beobachtungslounge
- Burnham hat ihre Tochter Michael praktisch überall beobachtet: auf Vulkan, beim Lesen, bei ihrer Abschlussfeier. Da bekommt der Begriff “Helikopter-Mutter” eine ganz neue Bedeutung. Wer weiß, wo sie noch alles zugesehen hat…
- Die sieben roten Signale gehen nicht auf Dr. Burnham (Roter Engel) zurück. Was sie sind und von wem sie stammen, bleibt demnach weiterhin ein großes Rätsel. Vier Signale stehen noch aus.
- Michael und ihre Mutter ähneln sich charakterlich sehr. Beide sind extrem von sich überzeugt und stur obendrein. Oder einfacher ausgedrückt: extrem unsympathisch!
- Spocks Befehlsverweigerung in “Der rote Engel” (2×10) bleibt völlig unerwähnt und demnach auch unbestraft. Der Zweck heiligt die Mittel, ist wohl auch Captain Pikes Devise. Okay, auch Datas Befehlsverweigerung war in “Wiedervereinigung?, Teil 2” (“Unification, Part 2”, TNG 5×08) ohne Folgen geblieben, aber hier sah man wenigstens ein Gespräch zwischen Data und Captain Picard, das eine Erklärung lieferte.
- Dr. Burnhams Aussage, die Zeit sei grausam, erbarmungslos und gewinne immer, erinnert sehr stark an Dr. Sorans Statement bezüglich der Zeit in “Star Trek: Treffen der Generationen” (“Star Trek: Generations”, 1994): “Sie ist wie ein Raubtier: Sie schleicht sich an Sie heran. Sie können versuchen ihr zu entkommen, mit Ärzten, Medizin, neuen Technologien; aber am Ende wird die Zeit Sie unerbittlich einholen. Sie wird Sie erledigen.”
- Michael und Gabrielle Burnham versuchen, sich mit den Händen zu berühren, sind aber durch ein Kraftfeld getrennt. Die Szene erinnert an die Abschiedsszene zwischen Kirk und Spock in “Star Trek II: Der Zorn des Khan”.
- Gabrielle Burnham wird in der deutschen Fassung von Susanne von Medvey gesprochen, die in “Star Trek “keine Unbekannte ist, synchronisierte sie doch vier Staffeln lang Jolene Blalock als T’Pol (“Star Trek: Enterprise”).
- Wie es mit der Handlung weitergehen könnte, indiziert die “Short Treks”-Episode “Calypso”. Hier sagt Zora, die KI des Discovery-Computers, zu Craft, sie könne das Schiff nicht fortbewegen, weil ihr der Captain seinerzeit befohlen habe, unter allen Umständen die Position zu halten. Vermutlich befinden sich die Sphärendaten immer noch im Bordcomputer, sodass sich Pike am Ende genötigt sehen könnte, die Evakuierung der Discovery anzuordnen und das Schiff per Wurmloch 950 Jahre in die Zukunft ins 33. Jahrhundert zu schicken. Womöglich erleben wir sogar noch einen “Krieg der Computer” zwischen der bösen KI Control und der guten KI Zora.
- Craft erwähnt in “Calypso”, dass die Menschheit im 33. Jahrhundert in einer Art Diaspora lebt und dass ein großer Krieg mit den V’draysh herrscht.
Fazit: Das Niveau fällt weiter
Der “Zeitsturm” führt die Staffelhandlung konsequent fort und legt den Fokus zweifelsohne auf die Charaktere (Michael und Gabrielle Burnham, Leland, Tyler und Georgiou). Zudem versucht die Episode, diverse Handlungsstränge aufzulösen, schafft aber gleichzeitig auch neue. Viele der von den Autoren Alan McElroy & Brandon Schultz angebotenen Erklärungen sind mindestens dürftig, einige sogar unlogisch. Die Drehbücher wirken mittlerweile ähnlich inkonsistent und inkonsequent wie in weiten Teilen der ersten Staffel.
Die Parallele zwischen Lelands Transformation und den Borg ist irritierend. Man kann nur hoffen, dass sich die Autoren hier nicht die Finger verbrennen, sollten sie tatsächlich eine Verbindung zu den Borg herstellen. Auch hier offenbart sich meiner Meinung nach ein Mangel an Kreativität. Die Geschichte um Gabrielle Burnham und die KI erinnert zudem – zumindest in Ansätzen – an ältere “Star Trek”-Zeitreise-Episoden (siehe dazu unser Kanon-Futter zu 2×10), allen voran an “Der Besuch”/”The Visitor” (DS9 4×03), “Ein Jahr Hölle, Teil 1 & 2″/”Year of Hell” (“Voyager” 4×08/09) oder auch “Die Drohne”/”Drone” (“Voyager“ 5×02”) und “Zeitschiff Relativity”/”Relativity” (“Voyager“ 5×24”).
Hinsichtlich der Charakterzeichnung fällt negativ auf, dass sich die Schreiber in Sachen Michael Burnham ständig wiederholen, den Drama-Aspekt schon lange überreizt haben, diesen Umstand bis jetzt allerdings immer noch nicht bemerkt zu haben scheinen. Die Serie wandelt demnach auf einem schmalen Grat, denn die Vergangenheit hat gezeigt, dass das Publikum mitunter schnell und massenhaft abspringen kann, wenn man ihm die ewig gleichen Geschichten vorsetzt. Man denke hier nur an die Reboot-Filme, die das Thema ‘Rache’, über alle Maßen strapaziert haben – mit der Folge, das “Star Trek Beyond” (2016) an den Kinokassen enttäuschte.
Grundsätzlich fehlt es der Episode an Eigenständigkeit und einem klaren Spannungsbogen. Das Ende ist vorhersehbar (Trennung der Burnhams, Leland überlebt, Tyler überlebt) und lebt einmal mehr von comichafter Action (Georgious Kampfeinlage, der unzerstörbare Cyborg-Leland).
Die Inszenierung von Maja Vrvilo wirkt hingegen zu jeder Zeit angemessen und verzichtet auf übertriebene Lens Flares oder anderen, störenden Elemente. Auch die Musik ist wie gewohnt stimmig, erinnert an einigen Stellen sogar etwas an die früheren Serien. Hier gibt es eigentlich keine nennenswerten Kritikpunkte.
Unter dem Strich bleibt jedoch eine Episode, welche die Handlung zwar weiterführt, an vielen Stellen aber große Fragezeichen zurücklässt. Der Handlungsstrang um die KI und den Roten Engel hat, wie ich schon letzte Woche resümieren musste, an Anziehungskraft verloren. Insbesondere die Transformation von Leland hat dieser Bedrohung leider das Besondere genommen. Denn eine körperlose KI, die praktisch überall sein kann, ist wesentlich angsteinflößender als das, was nun mit Leland vorliegt – eine greifbare Person.
Die zweite Staffel ist vielversprechend gestartet (1×01 “Bruder”), hatte mehrere Höhepunkte (2×04 “Charonspfennig”, 2×07 “Licht und Schatten”, 2×08 “Soweit die Erinnerung reicht”), flachte danach allerdings wieder etwas ab. Mit “Der Zeitsturm” ist nun leider ein Tiefpunkt erreicht. Das Storytelling wird flacher, die Charakterentwicklung stagniert (Burnham, Saru, Spock, Culber, Stamets, Pike) und das anfangs sehr spannende Mysterium um den Roten Engel und die sieben Signale verliert sich in einem übertriebenen Familiendrama (das gesamte Universum dreht sich einzig um die Burnhams) und einer Art Neuauflage der Borg. Das wirkt alles doch sehr ‘profan’, wenig innovativ und teilweise auch anachronistisch.
Ich habe lange überlegt, ob ich der Episode zwei oder drei Sterne geben soll. Am Ende sind es 2,5 Sterne geworden, weil ich “Der Zeitsturm” sogar noch etwas schwächer finde als “Der rote Engel”, die ich mit 3 Punkten bewertet habe. Meine Hoffnung ruht auf den restlichen drei Episoden. Es wäre schade, wenn man diese vielversprechende Staffel auf der Zielgeraden noch gegen die Wand fahren sollte. Aktuell bin ich etwas ernüchtert.
Bewertung
Handlung der Einzelepisode | [usr 2 max=”6″] |
Stringenz des staffel- und serienübergreifenden Handlungsstrangs | [usr 4 max=”6″] |
Stringenz des bekannten Kanons | [usr 2 max=”6″] |
Charakterentwicklung | [usr 2 max=”6″] |
Spannung | [usr 2 max=”6″] |
Action & Effekte | [usr 4 max=”6″] |
Humor | [usr 1 max=”6″] |
Intellektueller Anspruch | [usr 3 max=”6″] |
Gesamt | [usr 2,5 max=”6″] |
Episoden-Infos
Episodennummer | 26 (Staffel 2, Episode 11) |
Originaltitel | Perpetual Infinity |
Deutscher Titel | Der Zeitsturm |
Erstausstrahlung USA | Donnerstag, 28. März 2019 |
Erstausstrahlung Deutschland | Freitag, 29. März 2019 |
Drehbuch | Alan McElroy und Brandon Schultz |
Regie | Maja Vrvilo |
Laufzeit | 49 Minuten |