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Weltenbrand: Das Thema ‘Krieg’ in “Star Trek: Deep Space Nine” – Teil 3: Der Krieg und seine Folgen

Der Dominion-Krieg ist einer der wichtigsten Handlungsbögen in “Star Trek: Deep Space Nine”. Aber hat die Serie das Phänomen ‘Krieg’ wirklich realistisch dargestellt? Und welche Botschaft steckt eigentlich hinter dieser Storyline?

Anlässlich unserer “Deep Space Nine”-Themenwoche haben wir uns die in der Serie dargestellten kriegerischen Auseinandersetzungen in Form einer mehrteiligen Artikel-Serie noch einmal etwas genauer angesehen.

Heute gehen wir der Frage nach, welche Folgen mit dem Krieg verbunden sind.

Krieg als Angriff auf die moralische Integrität

“Deep Space Nine” beschäftigt sich vor allem in den letzten beiden Staffeln sehr ausgiebig damit, welche Folgen der Krieg und die damit verbundenen pragmatischen Zwänge auf die moralische Integrität der Serienprotagonisten haben. Der Krieg bringt unsere Helden zweifelsohne in moralische Dilemmata größeren Ausmaßes.

Die wohl prominenteste Episode zu diesem Thema ist “In fahlem Mondlicht” (6×19), in welcher Captain Sisko gemeinsam mit dem zwielichtigen Garak eine Intrige aus Lügen und Täuschungen spinnt, um die Romulaner auf Seiten der Föderationsallianz in das Kriegsgeschehen zu bringen. Auch wenn Sisko die Ermordung des romulanischen Sentors Vreenak durch Garak am Ende nicht goutiert, arrangiert er sich schließlich doch mit diesen dunklen Machenschaften. Er stellt für sich selbst fest, dass dieses Opfer eben dargebracht werden musste, um das Leben von Millionen anderer Lebewesen zu retten.

Sisko vertritt hier eine utilitaristische oder auch zweckorientierte Ethik, die primär nach der Nützlichkeit einer Handlung fragt. In einer sehr kühlen Kosten-Nutzen-Abwägung kommt er zu dem Schluss, dass – ganz im Sinne Spocks – das Wohl von Vielen schwerer wiegt als das Wohl von Wenigen oder eines Einzelnen.

“In fahlem Mondlicht” spielt geschickt mit der Frage, inwiefern sich ethisch-moralische Vorstellungen unter Kriegsbedingungen ändern können. Siskos kühler Utilitarismus (oder auch – je nach Sichtweise – Verantwortungsethik) ist für “Star Trek” sehr untypisch. In der Regel entscheiden sich die Sternenflotten- Kapitäne eher für ihre Prinzipien. Man denke hier beispielsweise an Captain Janeways Entscheidung in “Voyager” 1×01 “Der Fürsorger”, die Phalanx, welche die Voyager nach Hause bringen kann, zu zerstören.

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Captain Sisko (Avery Brooks) wirft während des Dominion-Krieges einige seiner moralischen Grundsätze über Bord, um die drohende Kriegsniederlage abzuwenden (Szenenfoto: 6×19 “In the Pale Moonlight”, CBS).

Siskos Dilemma ist jedoch viel elementarer. Eine Kriegsniederlage der Föderation würde nicht nur etliche Leben kosten (Weyoun möchte in 6×06 “Sieg oder Niederlage” beispielsweise die gesamte Population der Erde eliminieren), sondern auch das Ende von Freiheit, Recht und Demokratie auf mehr als 100 Planeten im Quadranten bedeuten. Die Last, die auf Siskos Schultern liegt, ist immens.

Garak hat mit einer Sache völlig recht. Ein schlechtes Gewissen ist ein geringer Preis für … die absolute Sicherheit des Alpha-Quadranten. So werde ich lernen, damit zu leben. Denn ich kann leben damit. Ich kann leben damit.

Captain Sisko in “In fahlem Mondlicht” (7×19)

“Deep Space Nine” gibt in dieser Episode eine Art “Statement” für eine Verantwortungsethik ab; nicht aber, ohne die ethisch-moralischen Implikationen, die damit verbunden sind, ausführlich zu diskutieren. Auch heute noch ist diese Episode im Fandom umstritten. Ist Siskos Verhalten eine Abkehr von Gene Roddenberrys Fortschrittsoptimismus? Dem könnte man allerdings entgegenhalten: Siskos Dilemma ist schlichtweg realistisch.

Auch die sehr starke Episode “Unter den Waffen schweigen die Gesetze” (7×16) arbeitet sich an dieser schwierigen Thematik ab. In dieser Folge deckt Admiral Ross, der den Zuschauern bisher stets als sympatischer und integrer Mann präsentiert worden ist, die üblen Machenschaften von Sektion 31. Der moralische Konflikt zwischen Utilitarismus bzw. Verantwortungsethik auf der einen und einer Prinzipien- oder auch Gesinnungsethik auf der anderen Seite manifestiert sich hier in den beiden Personen Admiral Ross und Dr. Bashir. Nicht ganz unproblematisch ist sicher die damit verbundene Botschaft: Hohe Entscheidungsträger wie Admiral Ross können sich eben keine Prinzipien leisten, wenn es hart auf hart kommt. Das ist nur dem einfachen Offizier und Arzt Dr. Bashir möglich. Ob diese Message nun der Realität entspricht oder vielleicht doch eher eine Vereinfachung darstellt, muss jeder Zuschauer für sich selbst entscheiden. Es kann aber niemand behaupten, “Deep Space Nine” sei an dieser Stelle einseitig. Dr. Bashirs anklagende Rede gegenüber Admiral Ross beweist das Gegenteil.

Ein weiteres Thema, das “Deep Space Nine” anspricht, ist die Frage, inwiefern Kriege dazu führen, dass Menschen emotional und moralisch abstumpfen, den Feind entmenschlichen und damit auch ihre eigene Menschlichkeit verlieren.

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Moralisch abgestumpft: Der Soldat Reese (Patrick Kilpatrick) sammelt in “The Siege of AR-558” (7×08) die Ketracel White-Röhrchen seiner Jem’Hadar-Opfer (Szenenfoto: CBS).

“Deep Space Nine” ist in dieser Hinsicht ganz sicher nicht so schonungslos wie prominente Hollywood-Kriegsdramen, wie etwa “Der Soldat James Ryan” (1998), “Band of Brothers” (2001) oder “The Pacific” (2010). Nichtsdestotrotz wird dieser Aspekt des Krieges in der Serie recht ausführlich behandelt. Als Beispiel ist hier der Soldat Reese in “Die Belagerung von AR-558” (7×08) zu nennen, der teilweise doch recht unterkühlt und moralisch abgestumpft wirkt. Dies äußert sich einerseits darin, wie emotionslos er mittlerweile die Verluste von Kameraden zur Kenntnis nimmt. Andererseits sammelt er die Röhrchen all derjenigen Jem’Hadar-Soldaten, die er im Laufe des Kampfes um AR-558 getötet hat. Nog imponiert dessen Überlebensfähigkeit, Quark findet dieses Ritual angsteinflößend.

Derartig grausige Rituale hat es in den Weltkriegen wohl tatsächlich gegeben. Wer “The Pacific” gesehen oder das Buch “Vom alten Schlag. Der Zweite Weltkrieg am anderen Ende der Welt. Erinnerungen” von E.B. Sledge gelesen hat, wird sich an die Szenen mit herausgeschnittenen Goldzähnen getöteter Soldaten erinnern. “Deep Space Nine” stellt diese Problematik sicherlich  etwas harmloser dar (vor allem was die gezeigten Bilder betrifft), gleichwohl steht die Serie hier ganz eindeutig in der Tradition klassischer Anti-Kriegs-Dramen.

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Heimtückische Waffe: Die sogenannten ‘Houdinis’ sind Subraumsprengminen, die etliche Soldaten der Föderation und des Dominion in “The Siege of AR-558” (7×08) das Leben kosten (Szenenfoto: CBS).

Eine weitere Thematik ist die Frage, inwiefern sich der Einsatz bestimmter Waffentechnologien im Kriegsgeschehen moralisch rechtfertigen lässt oder eben nicht. Sogenannte Subraum-Minen spielen zum Beispiel in der Anti-Kriegs-Folge “Die Belagerung von AR-558” ein bedeutende Rolle. Diese Waffen sind heimtückisch, denn die Minen sind praktisch allgegenwärtig, sind kaum zu orten und detonieren völlig unerwartet. Die sogenannten “Houdinis” sind für den Tod zahlreicher Föderationssoldaten verantwortlich und werden dementsprechend von Sisko und Co. gleichermaßen gefürchtet wie verachtet.

Nachdem man es allerdings geschafft hat, die “Houdinis” sichtbar zu machen und zu kontrollieren, findet bei Captain Sisko plötzlich ein – erneut utilitaristisches – Umdenken statt. Die Sternenflotten-Einheit auf AR-558 setzt die Subraum-Minen schließlich gegen die Jem’Hadar ein, um eine personelle 2:1-Überlegenheit des Feindes auszugleichen. Einmal mehr heiligt der Zweck die Mittel.

Allerdings werden auch hier die moralischen Implikationen nicht verschwiegen. Ein Gespräch zwischen Captain Sisko, Soldat Reese und Ezri Dax bringt es sehr treffend auf den Punkt:

Sisko: “Wir werden sie nicht entschärfen. Wir werden sie einsetzen.” […]

Dax: “Ich denke nur daran, dass wir vor einigen Stunden diese Minen für die Art von schrecklichen Waffen hielten, die nur das Dominion einsetzen würde. Aber jetzt…”

Reese: “Sind sie sehr viel freundlicher geworden.”

Die Belagerung von AR-558″ (DS9, 7×19)

In gewisser Weise spiegelt “Deep Space Nine” hier die Drohnen-Problematik der Gegenwart wider.

Krieg als persönliche Tragödie

Neben den moralischen Implikationen thematisiert “Deep Space Nine” auch und vor allem die menschliche Dimension des Krieges. Ein wiederkehrender Narrativ ist beispielsweise die sogenannte “Posttraumatische Belastungsstörung” (PTBS).

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Jake Sisko (Cirroc Lofton) kann die Geschehnisse des Krieges psychisch nicht verarbeiten (Szenenfoto: 5×04 “Nor the Battle to the Strong”, CBS).

In der Episode “Die Schlacht um Ajilon Prime” (5×04) begleitet Jake Sisko Dr. Bashir auf einer Reise, als das Runaboat plötzlich das Notsignal eines von den Klingonen angegriffenen Außenpostens der Föderation empfängt. Jake und Bashir finden sich wenig später in einem Krankenhaus nahe der Frontlinie wieder, das dem Ansturm an Verletzten nicht gewachsen ist. Im Verlauf der Episode bekommt der Zuschauer zunächst einen Föderationssoldaten zu sehen, der bereits traumatisiert ist und dementsprechend bedenkliche Verhaltensauffälligkeiten zeigt. Später wird auch Jake immer stärker mit dem Kriegsalltag konfrontiert: traumatisierte Soldaten, Verwundete und Sterbende. Zudem wird er selbst beschossen.

“Die Schlacht um Ajilon Prime” greift das Thema “Belastungsstörung” sehr schön auf, wenngleich die Autoren für meinen Geschmack im weiteren Verlauf der Serie nur unzureichend mit diesem Aspekt der Figur des Jake Sisko weitergearbeitet haben.

Auch in der bereits erwähnten Folge “Die Belagerung von AR-558” wird das Thema PTBS behandelt, ebenso wie in der Episode “Leben in der Holosuite” (7×10), in der Nog den Verlust seines Beines verarbeiten muss.

In der Episode “Die Konspiration” (2×05) wird auf sehr bewegende Weise gezeigt, dass vor allem Kinder zu den größten Opfern des Krieges gehören. Im Laufe des Konflikts zwischen den Cardassianern und den Bajoranern werden sowohl bajoranische als auch cardassianische Kinder zu Vollwaisen. Viele dieser Waisenkinder führen in den Waisenhäusern auf Bajor ein trauriges Leben ohne eigene Familie. Das Besondere an dieser Episode ist, dass weder die Cardassianer nur als Täter noch die Bajoraner nur als Opfer dargestellt werden. Unschuldig sind allein die Waisenkinder, welche die Zeche für den Konflikt der Erwachsenen zahlen müssen.

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Die Besatzung Bajors hat zahlreiche Waisenkinder hervorgebracht (Szenenfoto: 2×05 “Cardassians”, CBS).

Krieg als Zivilisationsbruch

Kriege bringen die abscheulichsten Eigenschaften in den Menschen hervor und zerstören die kulturellen Errungenschaften der Menschheit, zu denen vor allem auch die Menschenrechte zählen. “Deep Space Nine” befasst sich auch mit diesem Aspekt des Krieges und thematisiert in mehreren Episoden diverse Menschenrechtsverletzungen, wie Zwangsarbeit, Folter und Genozid.

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Die cardassianischen Arbeitslager sind eine Anspielung auf den Holocaust in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts (Szenenfoto: 2×01 “The Homecoming”, CBS).

Die sogenannten “Arbeitslager” (engl. “Labor Camps”) der Cardassianer auf Bajor und diversen anderen Planeten sind eine Anspielung auf den Holocaust im 20. Jahrhundert. In diesen Lagern müssen die Bajoraner bis zur völligen Erschöpfung – oder auch bis zum Tod – Zwangsarbeiten verrichten. Exekutionen sind an der Tagesordnung. Neben Bajoranern sind auch politische Feinde des cardassianischen Regimes dort inhaftiert.

Abgesehen von den Arbeitslagern spielen auch Massenvernichtungswaffen in “Deep Space Nine” eine Rolle. Hier ist vor allem das “Quickening” aus der Episode “Hoffnung” (4×24) zu nennen, ebenso wie der morphogene Virus, den Sektion 31 einsetzt, um die Gründer auszurotten. Die Gründer geben wiederum in “Das, was du zurücklässt” (7×25) den Befehl, die gesamte Bevölkerung Cardassias auszulöschen. Dafür ziehen mordende Jem’Hadar-Einheiten durch die Straßen der Hauptstadt auf Cardassia Prime. Andere Großstädte, wie etwa Lakarian City, werden durch Beschuss vernichtet.

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Grausame Biowaffe: Das Virus ‘Quickening’ tötet in “The Quickening” (4×24) das Volk der Teplaner auf furchtbare Weise (Szenenfoto: CBS).

Fazit

“Star Trek: Deep Space Nine” ist in weiten Teilen ein Anti-Kriegs-Drama, das sehr darauf bedacht ist, die verschiedenen Folgen des Krieges herauszustellen. Die Serie betrachtet moralische wie auch menschliche Aspekte. Im Gegensatz zu prominenten Anti-Kriegs-Dramen wie “Band of Brothers” oder “The Pacific” setzt “Deep Space Nine” weniger auf die Macht der Bilder als auf die Macht der Erzählung oder auch die Macht des Wortes.

Matthias Suzan
Matthias Suzan
Matthias' Leidenschaft für "Star Trek" wurde 1994 mit knapp zehn Jahren durch "The Next Generation" geweckt. TNG und DS9 sind bis heute seine Lieblingsserien. Es sind vor allem die politischen, gesellschaftlichen und menschlichen Themen des Trek-Universums, die ihn faszinieren. Aber auch die vielen, tollen Raumschiffe haben es dem passionierten Modellbauer angetan. Matthias ist seit 2017 Teil der TZN-Redaktion.

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