Mit einer sehr ernsten Folge in Überlänge geht “Lower Decks” in das Staffelfinale. Bei uns erfahrt ihr, was in der Folge steckt. Aber Achtung, Spoiler!
Etwas länger als üblich
Knapp 30 (statt der üblichen 25) Minuten geht diese Folge, die von keinem geringeren als Serienschöpfer Mike McMahan selbst stammt. Und das ist auch gut so, denn die Folge behandelt an dieser Stelle ernste Themen, sodass der Comedy-Faktor in dieser Woche eher in den Hintergrund rückt. Dabei gelingt “Lower Decks” das Kunststück, die Folge der Vorwoche noch zu toppen – obwohl das eigentlich gar nicht möglich sein sollte!
Doch der Reihe nach…
Von Pakleds und Gomez
Die Pakleds kommen in dieser Folge nicht vor (okay, bis auf das Ende, aber dazu kommen wir noch). Das heißt, es gibt in dieser Folge nicht die erzwungene Auflösung des “Bombe-auf-der-Erde”-Plots, was auch ganz gut so ist. Denn nach über vier Wochen auf diesen Handlungsstrang zurückzukommen, wäre etwas unglaubwürdig. Somit haben sich meine Befürchtungen der Vorwoche so rein gar nicht erfüllt. Die Lower Decks bekommen eben manchmal nicht alles auf der großen Bühne der Galaxis mit. Das hat die Serie bislang auch immer gut umgesetzt.
Dafür darf mit Sonya Gomez eine alte Bekannte aus TNG auftreten, die wir aus den Episoden “Zeitsprung mit Q” / “Q Who” (TNG 2×16) und “Das Herz eines Captains” / “Samaritan Snare” (TNG 2×17) kennen. Die damals etwas schusselige Ensign hat es inzwischen zum Captain gebracht und darf in dieser Rolle glänzen. Im englischen Original spricht übrigens Lycia Naff ihre Rolle aus TNG erneut ein. Es sind eben manchmal die kleinen Details, die zählen.
Etwas schade ist an der Stelle höchstens, dass man von ihr dann im weiteren Verlauf eher weniger sieht und der Hauptaugenmerk auf unserer Cerritos-Crew liegt. Zwar gibt es am Ende eine kurze Szene im Shuttlehangar, aber so ein klein wenig hat man doch den Eindruck, die Crew der Archimedes hat es nicht ganz so gut drauf wie unsere Helden. Zugegeben, das ist an der Stelle Jammern auf hohem Niveau und darüber kann man an der Stelle einfach mal hinwegsehen. Anrechnen muss man immerhin, dass an diese Szene im Shuttlehangar gedacht wurde.
Und das ist nicht das Einzige, woran gedacht wurde. Denn später erwähnt man sogar den Deflektor, der eigentlich Trümmer aus dem Weg schieben sollte. Klar, das wird dann mit genug Technobabble weggewischt. Aber man hat daran gedacht und das zeigt erneut, dass das Team um McMahan einfach in der Materie drin ist und weiß, was es tut.
Schauwerte par excellence
Doch damit immer noch nicht genug, gibt es in dieser Folge auch noch ein paar Neuheiten zu bestaunen, die sich auch in einer Realserie gut gemacht hätten. Denn nach dem Unglück muss die Crew der Cerritos ihre Hüllenplatten entfernen. Das gelingt sogar recht gut, wobei alle mit anpacken und eigentlich jeder – selbst die Nebendarsteller – glänzen darf. Hier zeigt “Lower Decks” übrigens auch, wie eine motivierende Ansprache geht. Zwar gibt es auch hier etwas Pathos, aber das Ganze ist emotional mitreißend gestaltet.
Und das liegt eben nicht nur daran, dass besagtes Entfernen der Außenhülle einfach was fürs Auge bietet. Viel lobenswerter ist die Tatsache, dass auch alle Charaktere schön mitgenommen werden. Vor allem Billups darf hier glänzen, aber auch die Andorianerin, mit der Mariner im Lauf der Staffel mal aneinandergeriet, bekommt hier eine sehr schöne Szene spendiert – inklusive einer Aussöhnung am Ende.
Ja, das sind Nebencharaktere. Aber man nimmt es ihnen in diesem Moment ab, auch weil sie eben im Laufe der Staffel hin und wieder eingeführt wurden und die Veränderungen nicht aus heiterem Himmel kommen. So geht das!
Witzige Beobachtung am Rande: Es gibt Raumanzüge mit Andorianer-Aufsätzen! Und selbst die bereits oft erwähnten Cetaceaner sind endlich zu sehen und erinnern an die “Titan”-Bücher. Denn auf der Titan wurde ja auch ein Sammelsurium an Alienspezies auf dem Schiff eingebaut. Ob man das jetzt unbedingt gebraucht hat in dieser Form, sei natürlich mal dahingestellt.
Und die Charakterszenen legen nochmal eines drauf
Und auch damit sind wir noch lange nicht am Ende mit der Lobeshymne für diese Folge. Denn neben den erwähnten Schauwerten, angefangen beim Ausflug aus dem Raumdock (inklusive eines Schiffes der Copy & Paste-Flotte aus “Picard”), über den Unfall der Archimedes und dem Entfernen der Außenhülle bis hin zu Ransoms Flug durch das Asteroidenfeld, gibt es auch auf der Charakterseite hier einiges zu vermelden. Die Nebencharaktere, die hier ebenfalls glänzen dürfen, wurden eben schon erwähnt. Dann ist der der einfach großartige Flug von Ransom durch das Asteroiden- bzw. Trümmerfeld, der einfach nur super umgesetzt ist (und mit der oben erwähnten Andorianer-Szene nochmal richtig eines oben aufgesetzt bekommt). Hier ist Spannung drin und man fiebert richtig bis zum Ende mit. Zumal ja durchaus die Möglichkeit besteht, dass einer der Charaktere hops geht. Ok, er käme ja eh wieder zurück von den Toten. Aber das ist ein anderes Thema.
Auch Tendi und Rutherford glänzen hier, selbst wenn beide wieder etwas die zweite Geige spielen. Rutherford hat Speicherprobleme und will seine Erinnerungen an Tendi nicht löschen. Als er dann gezwungen ist, es doch zu tun, gibt es eine kleine Szene, die andeutet, dass hinter ihm doch mehr stecken dürfte, als man bis jetzt vermutet hat. Hier wird scheinbar die Fährte einer möglichen Verschwörung gelegt, die in Staffel 3 der übergeordnete Handlungsfaden sein könnte. Man darf also auf die Auflösung gespannt sein.
Tendi sorgt dann zumindest stellenweise etwas für Comedy, als sie vor Doktor T’Ana flüchtet. Dass es am Ende nicht ganz so ist, wie Tendi denkt, weiß der Zuschauer allerdings schnell. Das tut den schönen Szenen, die sie mit Rutherford verbringt, aber keinen Abbruch. Vor allem da man sich hier wirklich an vergangenen Folgen orientiert und man auch als Zuschauer mitfühlt – man war ja immerhin dabei. Selbst die gelöschten Szenen von Rutherford sind hier nett eingebaut.
Die größte Entwicklung kommt aber diesmal von Mariner und Freeman. Zunächst gerät Mariner nämlich wieder in Panik, immerhin soll ihre Mutter wegversetzt werden. Da gibt es auch eine schöne Szene im Bereitschaftsraum, in dem die Führungsoffiziere wild über das Thema diskutieren. Hier darf jeder nochmal seinem Charakter entsprechend reagieren. Einfach herrlich.
Die besten Szenen kommen aber noch, denn Mariner ist im Vergleich zur letzten Staffel über sich hinausgewachsen. Damals war es Boimler, der wegging, was sie schwer enttäuschte. Nun will sie nicht, dass sich das neue Verhältnis zu ihrer Mutter wieder verschlechtert. Es braucht hier Tendi und Co., um Mariner die Augen zu öffnen. Die anderen Unterdeckler machen ihr nämlich nochmal klar, wer an Bord alles zur “Familie” gehört: ihre Freunde auf den Lower Decks! Und so ist Mariner am Ende auch bereit, ihre Mum ziehen zu lassen.
Diese Szenen sind einfach stark und zeigen den langen Weg, den unsere Charaktere hinter sich haben.
Als Zuschauer ahnt man zwar, dass Freeman am Ende doch nicht gehen wird. Aber darauf kommt es an dieser Stelle gar nicht an, denn die Szenen sind einfach gut geschrieben und toll in Szene gesetzt.
Zum Schluss soll auch noch Boimler eine kurze Erwähnung finden, der dieses Mal zu seiner ganz persönlichen Heldentat kommt. Und das auch deshalb, weil seine Freunde inzwischen durchgehend an ihn glauben. Auch dessen Szenen um den Tauchgang bis hin zu seiner Rettung sind gut umgesetzt, wenn auch vielleicht nicht ganz so stark wie die anderen. Vor allem der ‘Freeman-Tag’ wirkt ein wenig überflüssig, ist aber eine nette Hommage an den ‘Captain Picard Day’ aus der TNG-Episode “Das Pegasus-Projekt” / “The Pegasus” (TNG 7×12).
Der Erstkontakt mit den Laapanern ist nach der dramatischen Rettung der Archimedes dann aber nur noch Makulatur. Die Folge zeigt in erster Linie auf, wie man starke Charakterszenen in eine ebenso starke Handlung einbettet. Da können andere Serien was lernen… Okay, lassen wir das “Discovery”-Bashing an dieser Stelle mal.
Der fiese Cliffhanger
Wie erwähnt ist dem Zuschauer schnell klar, dass Freeman nicht gehen wird. Auch hier schließt sich wieder eine kleine Rede über die beste Crew an. Dass diese es drauf hat, hat sie ja schon ein paar Folgen vorher bewiesen. Erneut fühlt sich hier jede Szene einfach verdient und entwickelt an.
Doch damit nicht genug, gibt es am Ende auch noch einen Cliffhanger, der sich gewaschen hat. Denn ein Sonderkommando der Sternenflotte kommt an Bord der Cerritos und berichtet, dass der Heimatplanet der Pakleds kürzlich in die Luft geflogen ist. Ob dies doch wieder die Verbindung zur angenommenen “Erdbombe” ist und die Pakleds einfach sich selbst gesprengt haben? Würde zumindest zur Erklärung der Vorwoche passen (Bombentest). Doch es kommt noch dicker: Freeman wird bezichtigt, für diese Explosion verantwortlich zu sein!
Als Zuschauer wissen wir natürlich, dass sie für die Explosion nicht verantwortlich ist – auch weil sie zu dieser Zeit gar nicht dort sein konnte. Zunächst wird sie aber mal verhaftet, was zu einer beklemmenden Szene vor der ganzen Crew führt. Und dann folgt auch schon das Ende mit dem Hinweis, dass es – irgendwann – weitergeht.
Noch nie habe ich bei einer ‘New Trek’-Serie derart herbeigesehnt, gleich die nächste Folge gucken zu können wie nun bei “Lower Decks”. Schade, dass man vermutlich fast ein Jahr auf die Fortsetzung wird warten müssen…
Fazit
Lasst die Leute um McMahan bitte eine Realserie machen! Wer von “Lower Decks” bislang nicht überzeugt war, wird spätestens mit dieser Folge eines Besseren belehrt. Denn hier zeigen die Macher eindrucksvoll, dass sie auch “ernsten” Erzählstoff können. Diese Folge hat wirklich alles, was das Trekker-Herz begehrt: Spannung, Action und emotionale Charaktermomente. Dabei fühlt sich jeder dieser Momente einfach verdient und entwickelt an. Und für eine Zeichentrickserie schafft man auch Schauwerte, die einfach super sind. Erneut kassiert “Lower Decks” hier die Höchstwertung.
Diese Folge als Realvariante… das wäre doch mal was!
Bewertung [usr 6 max=”6″]
Episoden-Infos
Episodennummer | 20 (Staffel 2, Episode 10) |
Originaltitel | First First Contact |
Deutscher Titel | Erster Erster Contact |
Erstausstrahlung USA | Donnerstag, 14. Oktober 2021 |
Erstausstrahlung Deutschland | Freitag, 15. Oktober 2021 |
Drehbuch | Mike McMahan |
Regie | Jason Zurek |
Laufzeit | 29 Minuten |
Epilog: Recap zu Staffel 2
Machen wir es kurz: Die zweite Staffel hatte zwar am Anfang ein paar Durchhänger, zog aber – wie schon die erste Staffel – im weiteren Verlauf stark an.
Zunächst wurden etwas zu viele bekannte Motive aus den alten Serien hervorgekramt, sodass deren inflationäre Verwendung diese auch leider etwas entwertet hat.
Doch zur Staffelmitte hin wendete sich das Blatt. Von da an stimmte einfach alles: starke Charaktermomente, “Star Trek”-Feeling und auch die Action konnte sich sehen lassen.
Vor allem haben die Serienmacher am Ende eindrucksvoll gezeigt, dass sie nicht nur Comedy, sondern auch Ernsthaftigkeit können. Und das ist für eine Serie, die bei ihrem Start als eher unliebsames Kind gesehen wurde, eine beachtliche Leistung – eine, die keine der anderen neuen “Star Trek”-Serien bis jetzt hat erreichen können.
Am Liebsten würde man gleich die dritte Staffel sehen.
Gesamtwertung Staffel 2: [usr 5 max=”6″]
Trekbarometer: “Lower Decks” Season 2
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wow, habe gar nicht bemerkt, das die Folge länger ging :-O Also wie fies ist das jetzt? Immer diese Cliffhanger… und die versteckte Anspielung bei Rutherfords ist so was von genial. Aber auch wie Mariner auf die mögliche Versetzung ihrer Mutter reagiert und wie ihr die anderen quasi die Augen öffnen. Die Charakterentwicklungen ist so gut, wie Thomas schreibt könnten andere Serien sich hier locker was abschneiden. Ich war schon letzte Woche total begeistert und bin es diese Woche nochmals. Mein Punktesystem muss ich glaub überarbeiten, denn die Folge ist mind. einen halben Punkt besser als die letzte, die ja… Weiterlesen »