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Kurzrezension: Picard 2×04 – “Watcher”

Die Suche nach dem “Watcher” geht in die nächste Runde. Ob die Staffel ihr hohes Tempo halten kann, besprechen wir in dieser spoilerfreien Kurzrezension.


Was meinen wir mit “spoilerfrei”?

Es gibt sehr unterschiedliche Auffassungen dazu, was “spoilerfrei” bedeutet. Damit ihr selbst entscheiden könnt, ob ihr die Rezension vorab lesen möchtet, machen wir hier transparent, was wir darunter verstehen:

  • Wir verraten keine wichtigen und unerwarteten Wendungen der Handlung bzw. Informationen über die fiktiven Welt und ihre Figuren.
  • Was im Vorfeld durch Vorschauclips und Trailer gezeigt wird, ist kein Spoiler.
  • Was im Cold Open (vor dem Vorspann) bzw. im ersten Akt (bei Episoden ohne Cold Open) passiert, ist kein Spoiler.
  • Handwerklichen Aspekte (Schauspiel, Drehbuch, Bühnenbild, Soundtrack, Spezialeffekte) sind keine Spoiler, sofern sie nichts Wichtiges über die Handlung verraten.

Das Jahr 2024

Nachdem Rios, Raffi und Seven schon in “Assimilation” unerfreuliche Bekanntschaft mit der rauen Wirklichkeit des 21. Jahrhundert gemacht haben, bricht nun auch Picard auf, um die Koordinaten der Königin zu untersuchen.

Picard in "Watcher"
Picard in “Watcher”

Das zentrale Thema der Episode wird weniger als Parabel als vielmehr mit dem Vorschlaghammer vermittelt: Ist es für Einzelne noch sinnvoll und zumutbar, sich persönlich für die Zukunft der Menschheit zu engagieren? “Watcher” ist alles andere als subtil, was die gegenwärtigen Probleme, insbesondere den drohenden, selbstverschuldeten Klimakollaps und die sich ständig verschärfenden sozialen Verwerfungen der westlichen Welt angeht.

Die Resignation vor den schier unüberwindbar scheinenden Herausforderungen unserer Zeit ist in dieser Episode Picards größter Antagonist, verkörpert durch eine Figur, die man als Antithese zu Edith Keeler (“City on The Edge of Forever”) verstehen kann. Aber auch Raffi, Seven und Rios werden mit der anonymen und manchmal zynischen Grausamkeit eines Staatsapparats konfrontiert, der unerwünschte Menschen und damit vermeintliche soziale Probleme “verschwinden” lässt.

Star Trek doesn't promise that tomorrow will be a better place. In fact, many Trek stories warn what could happen if we make bad choices. However Trek says tomorrow CAN be a better place if we are smart, if we work hard, if we are compassionate, & if we celebrate our diversity.

— Michael Okuda (@MikeOkuda) March 18, 2022

Wie gesagt, ist das alles andere als subtil, sondern hängt dramaturgisch wie ein Damoklesschwert über der Episode. Ebenfalls aus dramaturgischen Erwägungen werden die Probleme unserer Zeit arg pointiert und ihre Ursachen ebenfalls verkürzt thematisiert. Allerdings ist das im Wesentlichen Framing für den eigentlichen Konflikt dieser Episode. D.h. “Watcher” geht es nicht darum, sein Publikum zu sozial und ökologisch tugendhafteren Menschen zu erziehen, sondern die Widersprüchlichkeit von Hoffnung und Zukunftsplänen einerseits und Weltschmerz und Zukunftsängsten andererseits zu erkennen.

Und wie es nun einmal in der humanistischen DNA von “Star Trek” verwurzelt ist, hat “Watcher” letztlich eine vorsichtig optimistische Perspektive auf die Zukunft.

Rios in "Watcher"
Rios in “Watcher”

Sicherlich wird es Zuschauer geben, die diesen direkten Kommentar über zeitgenössische Entwicklungen als parteipolitisch oder gesinnungsideologisch kritisieren werden. Allerdings sollte man der Ehrlichkeit halber drei Dinge im Blick behalten:

Die Autoren haben die Episode erstens zeitlich in die Amtszeit eines Präsidenten der demokratischen Partei und örtlich in eine liberale Hochburg der USA gelegt. Wenn die Episode einen politischen Kommentar macht, dann keinen parteipolitischen, der sich ausschließlich gegen Konservative richtet.

Zweitens: Auch wenn mir selbst eine Parabel auf die Wirklichkeit als Kommentar sowohl künstlerisch als auch intellektuell besser gefiele, ist diese Art von Kritik am Zustand unserer Gegenwart wirklich kein Präzedenzfall für “Star Trek”, sondern ein wiederkehrendes Motiv im Franchise.

Drittens sollte dem Sprichwort über George Orwells “1984” folgend Science-Fiction dem Publikum als Warnung und nicht als Anleitung dienen. Es ist schwerlich “Star Trek” anzulasten, dass die Realität unserer Zeit jene Zustände eingeholt hat, über die “Past Tense” (“Deep Space Nine”) in den 1990ern geradezu prophetisch spekuliert hat. Es wäre geradezu töricht von den Autoren, diesen Umstand nicht aufzugreifen und uns Zuschauer:innen vorzuführen.

“Star Trek: Picard” auf Hochtouren

Wie schon seit Beginn der Staffel hält “Watcher” ein hohes Tempo bei Erzählweise und Inszenierung. Jede Folge dieser Staffel treibt den übergreifenden Plot ein gutes Stück voran, ohne dabei die Hauptfiguren und deren Entwicklung aus dem Blick zu verlieren.

Picard und Jurati in "Watcher"
Picard und Jurati in “Watcher”

Picard selbst hat in dieser Episode mit Abstand am meisten zu tun, dicht gefolgt von Seven und Raffi. Rios Handlungsspielraum ist situationsbedingt arg eingeschränkt, was ihn aber nicht an ein paar schönen Dialogen hindert. Juratis Tango mit der Borg-Königin wird mit Fokus auf die anderen Handlungsstränge diese Woche derweil nur eher gemächlich weitererzählt.

Alle Beteiligten vor und hinter der Kamera scheinen einen Heidenspaß mit dem Material zu haben. Wer glaubte, der Sprung ins 21. Jahrhundert sei der Versuch, Geld für aufwendige Kulissen, Make-Up und Spezialeffekte zu sparen, kann sich entspannen. In “Watcher” wird unter anderem eine absolut unnötige, aber augenzwinkernd und rasant inszenierte Action-Sequenz auf den Straßen von Los Angeles gezeigt. Ich für meinen Teil wäre in dieser Folge auch mit weniger Schauwerten zufrieden gewesen, aber es gibt auch Futter für Popcorn-Liebhaber:innen.

Nach vier durchweg gelungenen Episoden scheint “Picard” tatsächlich den richtigen Rhythmus zum Erzählen seiner Geschichten gefunden zu haben. Dazu bleiben die Dialoge pointiert, nah an den Figuren und immer wieder voller Charme und Witz. Ich habe über lange Strecken mit einem breiten Grinsen auf dem Gesicht vor dem Fernseher verbracht, weil “Watcher” trotz des ernsten Themas verdammt viel Spaß macht. Sowohl das Autor:innentrio Juliana James, Travis Fickett und Jane Maggs, sowie Regisseurin Lea Thompson haben ganze Arbeit geleistet. Wenn es etwas zu meckern gäbe, wären es die gleich drei Cliffhanger, mit denen uns diese Folge zurücklässt.

Der “Watcher” und andere Deep Cuts

“Watcher” schöpft mit beiden Händen aus dem Kanon von “Star Trek”, sowohl was relevante Aspekte der Handlung als auch Zitate und Referenzen angeht. Auch Gelegenheits-Fans haben Gelegenheit mindestens eine Szene als (absolut gelungene) Hommage/Fortsetzung einer Begebenheit aus “The Voyage Home” zu erkennen. Auch die Zeitleiste mit Bezug zum “Deep Space Nine”-Zweiteiler “Past Tense” wird durch Angaben in dieser Episode genauer spezifiziert: Die La Sirena ist im April 2024 gelandet, Sisko, Dax & Bashir werden im September San Francisco besuchen.

Seven und Raffi in "Wacther"
Seven und Raffi in “Watcher”

Damit beweisen die Autoren in Staffel 2 weiterhin, den Kanon des “Star Trek”-Universums sicher zu beherrschen. Daher verwundert gerade deswegen der Auftritt des prominentesten Gaststars in dieser Episode, den Picard an jenen Koordinaten findet, die Jurati in “Assimilation” der Borg-Königin entwendet hatte. Der Anschluss an den bekannten Kanon mag bei dieser Figur auf den ersten Blick so gar nicht passen, wobei Änderungen der Zeitlinie als Erklärung herhalten könnten. Eine genauere Besprechung überlasse ich Tom Götz und Matthias Suzan für ihre spoilerlastigen Rezensionen.

Ebenfalls für deren Reviews sei die Analyse des “Watchers” aufgehoben. Auch wenn dessen Identität (noch) nicht völlig ausbuchstabiert ist, lässt eine Dialogzeile vermuten, dass die Autoren von “Picard” auch hier den bekannten Kanon aufgegriffen haben.

Beobachtungen

  • Seven und Raffis Bus fährt an einer großformatigen Plakatwand vorbei, die für die Science-Fiction-Serie “The Handmaid’s Tale” wirbt.
  • Apropos Werbung: Wie schon letzte Woche begegnen uns Hinweise auf eine bemannte Raummission zum Jupiter-Mond “Europa”.
  • Auch eine Woche später bin ich immer noch kein Fan davon, die Borg-Königin reanimiert zu haben. Aber “Watcher” setzt noch einen drauf. Warum lassen Picard und Jurati sie mit dem Schiff alleine?
Die Borgkönigin in "Watcher"
Die Borgkönigin in “Watcher”
  • Alle guten Dinge sind drei: Im Hintergrund der Straße, zu der Picard herunterbeamt, findet man ein Plakat zur Ankündigung eines Boxkampfes. Seit “The City on The Edge of Forever” sind Poster dieses Formats in zahlreichen Kulissen von “Star Trek”-Zeitreisen als Easter Eggs zu finden.
  • Picards Familie musste im Zweiten Weltkrieg vor den Nazis nach Großbritannien fliehen. Der britische Akzent hat in der Familie offenbar Jahrhunderte überdauert.
  • Die offensichtliche “The Voyage Home”-Szene ist keine bloße Hommage. Ein damals beteiligter Schauspieler ist 34 Jahre später erneut in dieselbe Rolle geschlüpft.
  • Picard macht seinem zeitgenössischen Kontakt das Zugeständnis, dass Wandel häufig langsamer voranschreitet, als es wünschenswert wäre. Er spielt damit darauf an, dass die “Bell-Unruhen” in wenigen Monaten einen gesellschaftlichen Wandel bewirken werden.
  • Ein visueller Effekt am Ende von Picards Suche liefert einen wichtigen Hinweis auf die Identität des “Watchers”, nachdem zuvor in der Episode eine weitere Referenz in dieselbe Richtung gefallen war.
  • Wir sehen einen (gebundenen!) “Dixon Hill”-Roman namens “The Pallid Son”. Picard wird in der Episode von Jurati ebenfalls als “Dixon Hill” bezeichnet, als er verschiedene Beobachtungen zu einer Hypothese über die Änderung an der Zeitlinie kombiniert.
  • In derselben Szene sehen wir die Jackson Roykirk Plaza. Das ist eine Referenz auf den Schöpfer der Sonde “Nomad” aus der gleichnamigen Folge der Originalserie.
  • Ebenfalls am Ende der Folge sehen wir eine Ausgabe der Los Angeles Times. Allerdings ist die Zeitung schon einige Monate alt und die Ausgabe auf den 21. Januar datiert. Neben der Europa-Mission wird berichtet, wie der Fabrikunternehmer Brynner versucht, die Gründung von Gewerkschaften zu unterbinden. Brynner findet Jadzia Dax in “Past Tense” (Danke an Matthias Suzan für den Hinweis!).

Mit Rücksicht auf die Leser:innen, die die Episode noch nicht gesehen haben, bitten wir in den Kommentaren zu diesem Beitrag auf Spoiler zu verzichten. Danke!

Bewertungsübersicht

Gesamt
Handlung der Einzelepisode
Stringenz des staffel- und serienübergreifenden Handlungsstrangs
Stringenz des bekannten Kanons
Charakterentwicklung
Spannung
Action & Effekte
Humor
Intellektueller Anspruch

Fazit

Auch wenn "Picard" sich nicht mit Parabeln für den Zustand unserer Welt aufhält, sondern direkt den moralischen Vorschlaghammer zückt: "Watcher" ist eine straff erzählte, temporeiche und sympatische Zeitreisegeschichte, die geschickt zeitgenössische Ereignisse mit der fiktiven Version von "Star Treks" 21. Jahrhundert zu einer gelungenen Stunde Unterhaltung verwebt.
christopher.kurtz
Christopher Kurtz
Seit den frühen 2000ern ist Christopher Redakteur im TrekZone Network. Wenn er nicht in den unendlichen Weiten nach kritisch rationalem Humanismus Ausschau hält oder sich über die Plausibilität fiktiver Technologien und Gesellschaftsformen den Kopf zermartert, findet man ihn meistens in der Nähe von Spielen der geselligen Art, egal ob analog oder digital, ob als Mitspieler oder Gelegenheitsautor.

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Ich denke, dass die Veränderungen der Zeitlinie nicht für den überraschenden Auftritt einer bestimmten Person herhalten können, denn die Zeitlinie wurde ja noch nicht verändert, Picard und Co sind ja gerade deswegen in die Vergangenheit gereist, um dies zu verhindern !

Mit der Rezension, bis auf einen Teil, und der Bewertung voll einverstanden. Danke dafür. “Das zentrale Thema der Episode..” heisst nicht, die Welt zu verbessern, sondern den Watcher zu finden. Das was da angerissen wird reicht und Picard ist ja hier das positive Element. Mich erstaunt immer wieder, welch tiefschürfende Betrachtunsgweise (Unsinn??) teilweise in Folge von Star Trek hineininterpretiert werden/ wollen/ können??? Ja, TNG war die Stunde des Humanisten Cpt Picard, aber viel der über 170 Folgen haben derart hochtrabenden Maßstab nicht genügt. Der Gaststar hat mich auch verwundert, das Nachdenken über Zeitlinien hat einiges geklärt. Dessen Verhalten war “gewöhnungsbedürftig”.… Weiterlesen »

Auch wenn "Picard" sich nicht mit Parabeln für den Zustand unserer Welt aufhält, sondern direkt den moralischen Vorschlaghammer zückt: "Watcher" ist eine straff erzählte, temporeiche und sympatische Zeitreisegeschichte, die geschickt zeitgenössische Ereignisse mit der fiktiven Version von "Star Treks" 21. Jahrhundert zu einer gelungenen Stunde Unterhaltung verwebt.Kurzrezension: Picard 2x04 - "Watcher"
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