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StartSerienStrange New WorldsRezension: Star Trek: Strange New Worlds 2x05 - "Charades" / "Scharaden"

Rezension: Star Trek: Strange New Worlds 2×05 – “Charades” / “Scharaden”

Mit Folge 5 wagt sich “Strange New Worlds” ins Subgenre der Romantischen Komödie. Ob das Experiment gelingt, klärt unsere erste SPOILER-Rezension.

Die Enterprise erforscht im vulkanischen System Eridani den Mond Kerkhov, einst die Heimatwelt der vor langer Zeit verschwundenen Zivilisation der Kerkhovianer. Als sich Spock (Ethan Peck) und Chapel (Jess Bush) mit einem Shuttle einer dort befindlichen Anomalie nähern, kommt es zu einem folgenschweren Unfall: Spocks vulkanische DNA wird aus seinem Genom entfernt, sodass nur noch sein menschliches Erbgut übrigbleibt.  

Es stellt sich heraus, dass die körperlosen Kerkhovianer für Spocks Transformation verantwortlich sind. Ein erster Kommunikationsversuch mit Yellow, der “Call Card” der Kerkhovianer, wird von den Fremden abrupt abgebrochen. Derweil drängt die Zeit, denn in einigen Stunden wird Spocks Transformation irreversibel sein. Zu allem Überfluss haben sich auch noch Spocks Verlobte T’Pring (Gia Sandhu) und deren Eltern angekündigt, um an Bord der Enterprise eine bedeutsame vulkanische Verlobungszeremonie abzuhalten.

Während ein emotional völlig überforderter Spock den Anschein seiner vulkanischen Contenance bewahren muss, fliegen Chapel, Uhura und Ortegas ein weiteres Mal in die Anomalie, um die Kerkhovianer erneut um Hilfe zu bitten…

Identity Crisis Reloaded

Nicht nur Spock erlebt in dieser Episode eine temporäre Veränderung seines Erbguts, sondern auch die Serie selbst. In “Charades” verlässt “Star Trek” nämlich für eine Stunde das Genre des seriösen Science-Fiction-Dramas und wagt sich stattdessen auf das Terrain der Liebeskomödie. Das kann man als Zuschauer mögen oder auch nicht. Ich muss an dieser Stelle vorab gestehen, dass ich Ausflügen dieser Art nicht viel abgewinnen kann.

Natürlich hat auch “Star Trek” stets davon profitiert, die Stilmittel anderer Genres in das eigene Serienkonzept einfließen zu lassen. Allerdings muss hier die Mischung stimmen, insbesondere was den Einsatz von Humor angeht. Das Drehbuch von Kathryn Lyn und Henry Alonso Myers findet diesbezüglich allerdings kein optimales Maß, denn an vielen Stellen wirkt die Handlung konstruiert, kitschig und vorhersehbar. Und auch die Figuren agieren teilweise stark überzeichnet. Zudem hatte ich ebenso wie Christopher den Eindruck, dass “Charades” nicht so recht weiß, was es sein will. Am Ende steht leider eine Episode, die das Potenzial für eine spannende Erstkontakt-Geschichte weitestgehend brachliegen lässt und auch auf der Charakterebene nur wenige Überraschungsmomente zu bieten hat.

Darüber hinaus ist auch die erzählerische Prämisse der Episode alles andere als neu. Identitätskrisen haben eine lange Tradition in “Star Trek”, angefangen bei “Kirk : 2 = ?” (TOS 1×04 “The Enemy Within”) aus der Originalserie. Auch das Motiv eines hybriden Humanoiden, der zeitweise eine seiner Hälften verliert, kennen wir bereits – aus “Das kosmische Band” (TNG 4×10 “The Loss”) oder auch aus “Von Angesicht zu Angesicht” (VOY 1×14 “Faces”). Bei Odo hat man das Transformationsthema sogar über mehrere Episoden (DS9 Staffel 5) hinweg erzählt.

Zudem habe ich den Eindruck, dass die Vulkanier als Dreh- und Angelpunkt von Geschichten über Identität und kulturelle Unterschiede mittlerweile auch etwas überstrapaziert sind. Hier offenbart sich leider eines der Probleme eines TOS-Prequels. Man muss zwangsläufig wieder die Vulkanier ins Rampenlicht stellen, obwohl in jüngerer Vergangenheit bereits die Reboot-Filme (Spock) und “Enterprise” (T‘Pol) denselben Pfad beschritten haben. Für neue Zuschauer mag das mitunter interessant sein, bei langjährigen Trekkies wie mir besteht allerdings die Gefahr einer schleichenden Ermüdung.

“Monsieur Claude” im Weltall

Wenn man sich trotz alledem auf diese Art von Episode einlässt, dann ist “Charades” an einigen Stellen durchaus unterhaltsam. Mich hat das erzählerische Konzept der Folge ein bisschen an die französische Komödie “Monsieur Claude und seine Töchter” (“Qu’est-ce qu’on a fait au Bon Dieu?”) aus dem Jahr 2014 erinnert. Der titelgebende Monsieur Claude ist ein konservativer Gaullist, dessen Töchter allesamt mit Männern aus unterschiedlichen Kulturkreisen (Jude, Muslim, Chinese, Afrikaner) verlobt beziehungsweise verheiratet sind. Im Laufe des Films kommt es u.a. zu Begegnungen mit seinen Schwiegersöhnen und deren Eltern, wobei sowohl die kulturellen Unterschiede als auch die damit verbundenen Vorurteile in humoristischer Weise aufs Korn genommen werden.

“Charades” basiert auf einem ähnlichen Ansatz, erreicht meiner Meinung nach aber nicht das Unterhaltungsniveau von “Monsieur Claude”. Gleichwohl sind auch hier ein, zwei lustige Szenen auszumachen. Etwa die Bemerkung von T’Pril (Ellora Patmaik), vulkanische Blasen sollten “resilienter” sein, als Spock (angeblich) auf die Toilette muss. Der zweite humoristische Anker der Handlung ist Spocks nun fehlende Impulskontrolle, was ebenfalls zu situationsbedingter Komik (Bar-Szene, Szene mit Sam Kirk) führt. Mich haben diese Szenen allerdings nicht so recht abholen können, weil sie mir nämlich ziemlich aufgesetzt vorkamen.

Lobenswert sind aber zweifellos die Leistungen der Darsteller. Besonders gefreut hat mich die Rückkehr von Mia Kirshner als Spocks Mutter Amanda Grayson, der es in “Charades” erneut in hervorragender Weise gelungen ist, eine Frau darzustellen, die sich an die vulkanische Kultur angepasst hat, ohne zugleich ihre eigene Identität als Mensch aufgeben zu müssen.  

Nichtsdestotrotz finde ich die Übereinstimmungen mit “Spock Amok” (SNW 1×05) hinsichtlich des Themas und des Stils etwas zu auffällig, als dass man “Charades” für ein besonderes Maß an Einfallsreichtum loben könnte. Ich hoffe inständig, dass man uns jetzt nicht jede Staffel eine Folge vorzusetzen gedenkt, in der Spock zum Comic Relief degradiert wird. Und bitte auch kein weiteres Vulkanier-Bashing mehr! Sicherlich waren die Vulkanier schon immer schwierige Zeitgenossen, aber spätestens seit “Enterprise” (eigentlich schon seit DS9 7×04 “Wettkampf in der Holosuite” / “Take Me Out to the Holosuite”) werden mir die Vulkanier einfach zu arschig dargestellt. Irgendwann ist’s auch mal gut.

Zwischen Liebeskummer und Karriereambitionen

Neben Spock steht auch Nurse Christine Chapel im Mittelpunkt der Handlung. Deren Charakterbogen hat zwei Komponenten, ihre Liebe zu Spock und ihre Liebe zur Wissenschaft.

Ersterer Charakterbogen ist mir dann doch etwas zu kitschig. Chapel muss im Beisein ihrer Crewkameradinnen dem körperlosen Alien ihre Liebe zu Spock gestehen, um die Kerkhovianer von einem korrigierenden Eingreifen zu überzeugen. Diese Szene ist schon dicht an der Grenze zum Fremdschämen dran (oder doch schon darüber?) und befördert “Star Trek: Strange New Worlds” auf das Niveau einer Seifenoper oder Jugendserie.

Gefallen hat mir hingegen der zweite Charakter-Arc, der Chapel als selbstbewusste, kluge und mutige Forscherin charakterisiert. Nun gut, streng genommen müsste man hier beklagen, dass Chapel als Nurse (Krankenschwester) deutlich überqualifiziert zu sein scheint. Sie wirkt eher wie eine Assistenzärztin und weniger wie ‘normales’ Pflegepersonal. Aus “Star Trek: Der Film” wissen wir aber, dass Chapel später Medizin studieren und zur Ärztin aufsteigen wird (was Dr. McCoy übrigens ziemlich abwertend kommentiert). Es wäre schon eine coole Sache, wenn man Chapels Streben nach Höherem in die Serienhandlung einbauen würde, um dadurch diesen kleinen Widerspruch in ihrer Charakterisierung geschickt aufzulösen. “Charades” macht hier gewiss einen wichtigen Schritt in die richtige Richtung.

Absolut überzeugend ist auch die Szene, in der Chapel Instructor Durik (Ryan Taerk) eine Retourkutsche verpasst, die sich gewaschen hat. Ich denke, das Thema Forschungsstipendium hat sich mit dieser Episode eben doch noch nicht erledigt, zumal Roger Korby hier auch erstmals namentlich erwähnt wird. Da kommt sicher noch was nach.

Mirror, Mirror

Zwischen all der Romantik und dem Klamauk sind aber tatsächlich auch kleine sozialkritische Untertöne in “Charades” auszumachen. Die Paragrafenreiterei der Kerkhovianer könnte man durchaus als Kritik an einer Überbürokratisierung respektive Kapitalisierung des Gesundheitswesens interpretieren. Spocks ‘falsche’ Behandlung wurde nämlich nicht innerhalb des vorgeschriebenen ‘Beschwerde-Zeitraums’ moniert, weshalb ihm zunächst eine korrigierende Therapiemaßnahme verweigert wird. Ist das womöglich eine Parabel auf Ärztepfusch und Krankenversicherungen, die aus fadenscheinigen Gründen Zahlungen verweigern?

Aber auch hinsichtlich Identität, Multikulturalismus und Konformismus hält “Charades” der Gesellschaft den Spiegel vor. Spock soll als Person mit multikulturellem Hintergrund in ein von der vulkanischen Gesellschaft vorgegebenes monokulturelles Rollenbild gepresst werden. Für individuelle Anpassungen zeigen seine Schwiegereltern in spe keinerlei Verständnis. Seine Verlobte T’Pring scheint diesbezüglich offener zu sein, was Spock aber nicht zu realisieren scheint. Oder wegen seiner Zuneigung für Christine vielleicht auch gar nicht sehen möchte?

Es dürfte demnach interessant sein zu erfahren, wie aus der hier doch recht empathischen T’Pring die eiskalte Frau aus “Weltraumfieber” (TOS 2×01 “Amok Time”) geworden ist. Wenn man diesbezüglich auf den Einfluss ihrer Eltern – allen voran den ihrer Mutter – tippt, liegt man wohl nicht ganz falsch. Womöglich fühlt sie sich aber auch von Spock – nicht ganz zu Unrecht – betrogen und verletzt. Ich bin mir jedenfalls ziemlich sicher, dass die angedeutete Beziehungspause nicht bis in die TOS-Zeit andauern wird. Diese Geschichte ist noch nicht auserzählt.

Allerdings bleiben die sozialkritischen Untertöne derart oberflächlich, dass ich mich damit schwertue, der Episode eine überdurchschnittlich hohes Anspruchsniveau zu attestieren. Comedy und Gefühl stehen ganz klar im Vordergrund.   

Spannungsarmer Augenschmaus

“Charades” ist aber zumindest eine Folge mit enormen Schauwerten. Die Spezialeffekte sind wieder auf Topniveau und auch in Sachen Kostüme und Requisiten hat die Episode einiges zu bieten. Wie wahrscheinlich in noch keiner der bisherigen Folgen der Serie hat man hier auch die Zeit, sich die Schönheit der Bestand-Sets der U.S.S. Enterprise NCC-1701 vor Augen zu führen. Ja, “Charades” ist wahrlich ein Augenschmaus.

Leider gelingt es Regisseurin Jordan Canning nur in sehr begrenztem Umfang, das spannungsarme Drehbuch mit spektakulären visuellen Effekten, harten Schnitten und klug ausbalancierten Szenenwechsel zu kompensieren. Unter dem Strich fand ich die Episode über weite Strecken doch etwas langatmig und leider auch enorm vorhersehbar. Echte Spannung konnte da nicht wirklich aufkommen.

Bewertungsübersicht

Handlung
Dramaturgie
Dialoge
Anspruch
Atmosphäre

Fazit

"Charades" wagt ein Experiment, an dem sich wohl die Geister scheiden. Wer mit einer Kombination aus Science-Fiction und Liebeskomödie etwas anfangen kann, der dürfte Gefallen an der Episode finden. Für mich ist "Charades" aber leider eine unterdurchschnittliche Folge, die vor allem durch Redundanz, Logikprobleme und teils überzeichnete Figuren gekennzeichnet ist. Unter dem Strich steht eine der schwächsten Episoden der gesamten Serie und die Talsohle der aktuellen Staffel.
Deutscher TitelScharaden
OriginaltitelCharades
SerieStrange New Worlds
Staffel2
Episodennummer5
Produktionsnummer15
RegisseurJordan Canning
DrehbuchKathryn Lyn & Henry Alonso Myers
GastdarstellerMia Kirshner (Amanda Grayson), Michael Benyaer (Sevet), Ellora Patnaik (T'Pril), Gia Sandhu (T'Pring), Ryan Taerk (Durik)
US-Erstausstrahlung13.07. 2023
DE-Erstausstrahlung13.07. 2023
Sternzeit / Missionsdatum2259
Dauer60
Matthias Suzan
Matthias Suzan
Matthias' Leidenschaft für "Star Trek" wurde 1994 mit knapp zehn Jahren durch "The Next Generation" geweckt. TNG und DS9 sind bis heute seine Lieblingsserien. Es sind vor allem die politischen, gesellschaftlichen und menschlichen Themen des Trek-Universums, die ihn faszinieren. Aber auch die vielen, tollen Raumschiffe haben es dem passionierten Modellbauer angetan. Matthias ist seit 2017 Teil der TZN-Redaktion.

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Vorweg: Ich habe mir einfach die Unlogik beiseite geschoben um die Scharade zu genießen. Dennoch störte mich vorallem eine sehr unlogische Sache, welche wohl der Nähe zu Vukan angedacht war: Mitten im vulkanischem System soll sich nun eine untergegange Zivilisation befinden und dazu noch eine Anomalie? Beides kaum erforscht bisher über die ganzen Jahrhunterte von den Vulkaniern? Ich hätte es anders gelöst: Die Anomalie ist plötzlich im Vulkanischem System aufgetreten und wird gemeinsam untersucht. Das Shuttle gerät hinein und Spock wird transformiert. Die Anomalie droht wieder zu verschwinden und darum drängt die Zeit Spock zurück zuverwandeln und nicht weil sein… Weiterlesen »

"Charades" wagt ein Experiment, an dem sich wohl die Geister scheiden. Wer mit einer Kombination aus Science-Fiction und Liebeskomödie etwas anfangen kann, der dürfte Gefallen an der Episode finden. Für mich ist "Charades" aber leider eine unterdurchschnittliche Folge, die vor allem durch Redundanz, Logikprobleme und teils überzeichnete Figuren gekennzeichnet ist. Unter dem Strich steht eine der schwächsten Episoden der gesamten Serie und die Talsohle der aktuellen Staffel.Rezension: Star Trek: Strange New Worlds 2x05 - "Charades" / "Scharaden"
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