Rund ein halbes Jahr nach Ende der Ausstrahlung und zwei Monate nach dem Heimvideo-Release der fünften Staffel ist nun die komplette Serie “Star Trek: Discovery” auf Blu-ray erschienen. Wir haben einen Blick auf die Gesamtausgabe geworfen und verraten euch, ob sich der Kauf des 80 Euro teuren Sets lohnt.
Die Serie
Anders als “The Original Series”, “The Next Generation” oder auch die Filme von “J.J. Abrams” hat “Discovery” es nur in sehr engen Nischen geschafft, über die üblichen Genregrenzen hinweg ein Publikum zu finden. Allen Ambitionen zum Trotz spielt die Serie nicht in der ersten Reihe der zeitgenössischen Streaming-Größen. Es ist kein “Must Watch”-Fernsehen wie “Breaking Bad”, “Andor” oder gar “Game of Thrones”, als dessen Sci-Fi-Erbe es vor Veröffentlichung gehandelt wurde. Wer also nicht ohnehin ein starkes Faible für Fantastik hat, wird anderswo bessere Unterhaltung finden.
Die größte Schwäche der Serie sind die mitunter miserablen Drehbücher. Den genrespezifischen Anspruch an die Stringenz des Erzähluniversums kann man auch beim Produktionsdesign beklagen, aber das ist ein vergleichsweise unwesentlicher Makel. Schwerer wiegt, dass die Serie es nicht schafft, eine innere Logik über ihre eigene Kontinuität, ihre Figuren und die aufgeworfenen thematischen Motive zu entwickeln. “Discovery” ist selten mehr als die Summe ihrer Teile, und immer wieder fallen ein Wissenschaft und Humanismus predigender Anspruch und eine dagegen sprunghafte und gewalttätige äußere Handlung durch eine unangenehme Dissonanz auf. Kaschiert werden die erzählerischen Schwächen durch überbordende Emotionalität, die sich in regelrechtem Melodrama entlädt.
Dennoch kann “Discovery” punkten. Die Qualität der Produktion war für eine Science-Fiction-Serie zum Zeitpunkt der Veröffentlichung beispiellos. Mehr noch als “The Next Generation” in den späten 80ern hat “Discovery” das Versprechen eingelöst, die Schauwerte eines Kinofilms auf die Mattscheibe zu holen. Das Produktionsdesign war zu Beginn der Serie kontrovers, weil es sich nicht um die Konventionen des Franchise scherte, die Bildsprache der Originalserie für den relevanten Zeitrahmen aufzugreifen. Für sich betrachtet entwirft “Discovery” ein faszinierendes, wenn auch sehr effekthaschendes 23. Jahrhundert. Kulissen, Kostüme, Make-up – das Handwerk der Filmmagie wird von “Discovery” zelebriert wie in keiner “Star Trek”-Produktion vor ihr.
Auch bei den visuellen Effekten, Sounddesign und Soundtrack erlaubt sich die Serie keine Schwächen. Aus produktionstechnischer Sicht ist “Discovery” sicherlich ein sehenswerter Erfolg. Als einzige Einschränkung sei erwähnt, dass die Serie nach ihrem Sprung in das 32. Jahrhundert am Ende der zweiten Staffel durch die geradezu verschwenderische Zurschaustellung der technischen Stärken der Produktion ein Stück weit ihren Zauber verliert. Das gleiche Instrumentarium, das das 23. Jahrhundert zum Leben erweckte, ist trotz aller Bemühungen nicht adäquat, um eine glaubwürdige Vision von tausend Jahren technischen und sozialen Fortschritts zu entwerfen.
Ideen, Kulissen und Bilder allein erwecken noch keine Geschichte zum Leben. Die größte Stärke von “Discovery” ist zweifellos ihre Besetzung. Beginnend bei Sonequa Martin-Green als Burnham über Doug Jones Saru und Mary Wisemans Tilly bis in die kleinsten Nebenrollen wie Tig Notaros Reno, “Discovery” hat nicht nur eine ausgesprochen talentierte Gruppe von Mimen zusammengebracht, sondern auch das Kunststück vollbracht eine besondere Chemie herstellen, die auf beiden Seiten der Kamera ihre Wirkung entfaltet hat.
“Star Trek: Discovery – Die komplette Serie” als Blu-ray
Nun gibt es also aus dem Hause Paramount Home Entertainment eine Komplettausgabe dieser sechsten Live-Action-Serie aus dem “Star Trek”-Universum. Die Box enthält dieselben Scheiben, die auch in den fünf Staffelsets zu finden sind, sowie eine weitere Bonus-Disc.
Der erste Eindruck des Box-Sets ist gemischt. Wie bei Nicht-Steel-Book-Versionen üblich hat Paramount dem Set einen Pappschuber spendiert, was auf der einen Seite die Wertigkeit erhöht. Weniger schön ist das geradezu beliebig anmutende Motiv (Burnham als Kurier aus den ersten Episoden der dritten Staffel), das sowohl den Schuber als auch die Plastikbox schmückt und der nicht als Sticker ablösbare, aufgedruckte FSK-16-Hinweis. Das große Plastik-Case kommt mit einem Wendecover, dafür gibt es keine Übersicht der enthaltenen Folgen und Special Features pro Scheibe.
Für die meisten Käufer:innen wird auch der zweite Eindruck für Irritationen sorgen. Aus dem Rezensionsexemplar kamen mir direkt mehrere Scheiben entgegen, die sich aus ihren Halterungen gelöst hatten. Man hat sich beim Case für eine freundlich gesagt ökonomische Variante entschieden. Auf jeder “Seite” der Aufbewahrungsbox werden bis zu vier Blu-Rays geklemmt, zwei zueinander versetzte Stapel aus jeweils zwei Scheiben. Natürlich sind die verwendeten Klammern einerseits zu locker für einen sicheren Halt und andererseits zu hakelig für eine komfortable Handhabung; bis zu drei andere Scheiben müssen vorher aus der Halterung gelöst werden.
Der nächste Blick bekräftigt den Eindruck, dass das Release darauf ausgelegt war, keine unnötigen Produktionskosten zu generieren. PHE hat die Gestaltung der Scheiben 1:1 aus den Einzelstaffeln übernommen. Entsprechend bunt und uneinheitlich ist das Erscheinungsbild der Blu-rays. Während die erste Staffel noch mit individuell gestaltetem Vierfarbdruck daherkommt, sind die weiteren Scheiben nur noch mit dem allernötigsten gelabelt. Welche Scheibe zu welcher Staffel gehört, ist nicht immer auf den ersten Blick zu erkennen. Insbesondere die letzten Staffeln sind mit weißer Schrift auf blauem Grund zum Verwechseln ähnlich. Für eine Gesamtausgabe wäre eine ansprechendere, aber mindestens einheitliche und Übersichtliche Gestaltung angemessen gewesen.
Beim Blättern durch die Scheiben fällt auch schnell auf, was nicht dabei ist: Die “Short Treks”. Viele der Kurzfilme sind teilweise tief mit der Serie verwoben. Dass nicht wenigstens die erste, für “Discovery” wesentliche Staffel der “Short Treks” beiliegt, grenzt bei der Bezeichnung “komplette Serie” an Etikettenschwindel. Bei der ersten Staffel “Picard” hatte man bei der physischen Veröffentlichung den relevanten “Short Trek” “Children of Mars” noch beigelegt.
Bonus-Features
Ähnlich ärgerlich und unverständlich ist das Fehlen der Begleitserien “After Trek” bzw. “Ready Room”. Wenigstens “Ready Room” ist über Umwege auf Social Media abrufbar, aber eine Veröffentlichung mit einem physischen Medium steht noch aus. Hier lässt PHE unfassbar viel bereits produziertes Bonusmaterial ungenutzt der digitalen Demenz der Streaming- und Social-Media-Plattformen anheimfallen.
Bleibt noch der Blick auf die neuen Exklusivinhalte. Eine neue Scheibe mit Special Features liegt dem Set bei, darauf finden sich drei Extras mit insgesamt knapp 2 Stunden Spieldauer.
Das erste Stück ist ein knapp einstündiger Zoom-Call zwischen Wilson Cruz, Alex Kurtzman, Blu del Barrio, Doug Jones, Sonequa Martin-Green und David Ajala, die auf ihre gemeinsame Arbeit zurückblicken. Die Chemie der Gruppe untereinander ist hör- und sehbar. Gleichzeitig sind Bild- und Tonqualität durchwachsen, und das ganze Gespräch wirkt wie der Versuch, auf einem möglichst kostengünstigen Weg neues Bewegtbild für die Serienboxendreingabe aufzuzeichnen.
Das nächste Special Feature ist eine vom “Discovery”-Soundtrack untermalte Diashow diverser Konzeptzeichnungen sortiert nach Staffeln. Als Sammler der “The Art of…”-Bildbände von z.B. Dan Curry und John Eaves hat es mir durchaus Spaß gemacht, diese kleinen Kunstwerke im Schnelldurchlauf zu betrachten. Allerdings hat man auch hier eine uninspirierte und günstige Form gewählt, dieses Material aufzubereiten. Zumindest der Vergleich mit den fertigen Filmszenen drängt sich als sinnvoll auf, ganz zu schweigen davon, dass das Format Blu-ray noch ganz andere Möglichkeiten für die interaktive Einarbeitung und Erkundung geboten hätte. Z.B. hätte man Konzeptartworks und andere Hintergrund-Informationen auch als optionales Overlay für die laufenden Episoden bereitstellen können. Features wie das exzellente “Starfleet Access” für die Blu-ray der Original-Serie sucht man her vergeblich.
Den Abschluss bildet ein gut viertelstündiges Extra zu den Kostümen der Serie, ebenfalls geordnet nach Staffeln. Hier werden abwechselnd die Entwürfe aus Gersha Phillips Kostümabteilung und dazugehörigen Filmszenen gezeigt. Leider fehlt auch hier ein einordnendes Voice-Over oder gar eine Integration in das Filmmaterial, welche die Blu-ray-Technologie ermöglichen würde.
Preis-Leistung
“Star Trek: Discovery – Die komplette Serie” ist eine ökonomische Möglichkeit, die erste “Star Trek”-Streaming-Serie auf physischen Medien zu erstehen.
Der Preis von rund 80 Euro geht für fünf Staffeln/65 Episoden prinzipiell in Ordnung. Ansonsten macht das Set nur das Allernötigste, um den Claim “komplette Serie” auf dem Papier zu erfüllen, aber es wäre ein leichtes, sich ein runderes und wertigeres Paket vorzustellen. Um wirklich die “komplette Serie” zu erleben, sind nochmal 15-20 Euro für die Sammlung der “Short Treks” aufgerufen (bisher nicht auf Deutsch auf BD veröffentlicht), die teils eng insbesondere mit der zweiten Staffel “Discovery” verzahnt sind.
Somit kann man das Set vor allen Dingen solchen Zuschauenden empfehlen, die “Discovery” bereits im Streaming gesehen haben, und nun nach einer möglichst preiswerten Möglichkeit suchen, sich die Serie in den Schrank zu stellen. Neuen “Discovery”-Interessierten kann man die Ausgabe indes wegen der fehlenden “Short Treks” nur eingeschränkt empfehlen, Sammlern ob der dürftigen Verpackung und mageren Bonus-Scheibe gar nicht. Und Technik-Begeisterte werden sich am Ende fragen, warum die Serie nicht wenigstens als physisches Release auch in 4K-Qualität zu bekommen ist, und auf eine spätere Veröffentlichung warten wollen.
Transparenzhinweis
Der Herausgeber Paramount Home Entertainment hat uns durch die Frandly PR GmbH ein Rezensionsexemplar für diesen Artikel zu Verfügung gestellt. Unsere redaktionelle Unabhängigkeit bleibt immer gewahrt. Die TrekZone erlaubt niemals redaktionelle Einflussnahmen, sagt keine “Mindestwertungen” zu oder lässt die Rezension vor Veröffentlichung “freigeben”.
Danke für die Bewertung, hat mir geholfen bei der schnellen Entscheidung so eine Box nicht zu kaufen. Den eigentlichen Vogel schießen aber die Streaminganbieter ab, die solche Fanserien aufteilen auf unterschiedliche Anbieter. Das war mein Ausstieg.
Strange new world hat meine Star Trek Leidenschaft neu entfacht, was sofort in DVDs umgesetzt wurde.
Lower decks setzt ebenfalls neue Akzente.
Aushängeschild ist für mich “Subspace Rhapsody”, die Aufführung eines solchen Musicals einen Besuch wert.
Das Cover zeigt ja schon eines der großen Probleme der Serie, ein dazu passender Serientitel wäre “MICHAEL BURNHAM (btw its Star Trek, no really!)”. Eine lieblose Disc-Auswertung einer lieblosen Serie. Braucht keiner, kann weg. Über einen UHD Release der letzten Picard Staffel würde ich mich dagegen sehr freuen. Das wäre auch die einzige Staffel die ich davon kaufen würde (gibt es noch andere Staffeln? Ich glaube nicht^^). Bei SNW warte ich auf die Komplettbox, aber die wird ganz sicher geholt. Gleiches gilt für LD. Das sind alles Serien/Staffeln die ich irgendwann gerne wieder schauen werde. Discovery hingegen werde ich nie… Weiterlesen »
Also bitte, wir müssen hier nicht so tun, als bestünde zwischen Discovery und Strange New Worlds oder Picard irgendein gewaltiger Qualitätsunterschied. Star Trek ist intellektuell arg abgemagert, und selbst wenn es natürlich stilistische Nuancen gibt, wäre es nun wirklich eine Illusion, zu behaupten, bei Pike und Co. würden mutige, neue Schritte gegangen. SNW ist extrem stark und risikoscheu orientiert an TOS und Co., ohne dabei so viel geistige Substanz abzuliefern. Stattdessen werden teils Ideen munter von anderen Sci-Fi-Shows kopiert. Ich persönlich bin fertig mit jeder Art des neuen Trek. Lower Decks war eine nette Ergänzung, war aber für mich nie… Weiterlesen »
Vielleicht kein gewaltiger Unterschied, aber einen spürbaren Unterschied gibt es für mich sehr wohl. SNW, LD und Staffel 3 von PIC kann man sich sehr gut anschauen, während man bei Disco und Picard S1-2 komplett die Krise kriegt vor lauter Bullshit, unlogik und Melodrama und ätzenden Figuren. Kommt das alles an TNG und DS9 ran? Nein, aber es sind trotzdem ordentliche Serien. Eben im Gegensatz zu Disco und Pic1-2. Aber wenn du lieber alles über einen Kamm scheren willst mach es dir halt so einfach. Is ja nich so, dass es nich auch bei den alten Serien Unterschiede gab, die… Weiterlesen »
“Is ja nich so, dass es nich auch bei den alten Serien Unterschiede gab, die waren ja auch alle gleich gut…”
Genau, wo ist eigentlich der Dude, für den VOY völliger Quatsch ist, weil da eine Frau Captain (beim Militär!!1!) ist?