Mit “Fly Me to the Moon” geht die zweite Staffel von “Star Trek: Picard” in die Halbzeit. Unsere Zweitrezension nimmt die Episode noch einmal etwas genauer unter die Lupe und klärt, welche Figuren und Story-Arcs in den restlichen fünf Episoden noch von Bedeutung sein könnten. Achtung, SPOILER-Alarm!
Handlung
Raffi (Michelle Hurd) und Seven (Jeri Ryan) befreien Rios (Santiago Cabrera) aus dem Abschiebetransport des Department of Homeland Security. Derweil macht Picard (Patrick Stewart) Bekanntschaft mit Talinn (Orla Brady), einer außerirdischen “Aufseherin”, deren Auftrag darin besteht, das Schicksal der jungen Renée Picard (Penelope Mitchell), der Ur-Ur-Großtante von Jean-Luc, zu beschützen. Talinn macht Picard darauf aufmerksam, dass Renées Teilnahme an der historisch so bedeutsamen “Europa Mission” zum Jupitermond Io auf der Kippe steht.
Agnes (Alison Pill) muss unterdessen feststellen, dass die Borg-Königin (Annie Wersching) einen französischen Polizisten als Geisel genommen hat. In einem Akt der Verzweiflung erschießt Agnes die Borg Queen, wird aber vorher von dieser (teil-)assimiliert.
Zur gleichen Zeit kämpft in Los Angeles der Genetiker Adam Soong (Brent Spiner) verzweifelt um das Leben seiner Tochter Kore (Isa Briones), die an einem seltenen wie tödlichen Gendefekt leidet. Kommt Kore mit normalem Sonnenlicht und ungefilterter Luft in Berührung, so droht sie binnen weniger Augenblicke zu sterben. Der Versuch, Investoren für seine umstrittene Forschung zu finden, kostet Soong sodann seine Approbation. Getrieben von der Liebe zu seiner Tochter geht er kurz darauf einen fragwürdigen Deal mit einem unbekannten Forscherkollegen ein. Doch dieser Kollege ist kein anderer als…Q (John de Lancie)! Der hat es scheinbar auf Renée Picard abgesehen und will deren Teilnahme an der anstehenden Jupiter-Mission Q unbedingt verhindern…
Drehbuch & Kanon
Der Episodentitel ist eine Anspielung auf den Jazz-Song “Fly Me to the Moon” von Bart Howard aus dem Jahr 1954. Aber erst durch Frank Sinatra wurde der Song weltberühmt, denn dessen Interpretation (1964) wurde 1969 während der Apollo 10-Mission im Raumschiff abgespielt, als dieses den Mond umkreiste.
Das Drehbuch zu dieser Episode wurde von Cindy Appel geschrieben, Regie führte Jonathan Frakes. Mit Appel stößt ein weiterer “Star Trek”-Novize zum Writer’s Room der Serie hinzu, “Fly Me to the Moon” stellt nämlich Apples Trek-Debüt dar. Auch das Drehbuch zur kommenden Episode “Two of One” (PIC 2×06) stammt aus ihrer Feder.
Apple begann ihre Karriere als Writers Assistant der Serie “Silver Girls”, für die sie Mitte der 90er-Jahre tätig war. Es folgten Engagements u.a. in den Produktions- und Autorenstäben von “King of Queens”, “Desparate Housewives”, “We Are Men” und “Heartbeat”. Als Drehbuchautorin arbeitete Appel in den vergangenen zehn Jahren u.a. für die Serien “Desperate Housewives”, “Superior Donuts”, “Heartbeat” und “MacGyver” (Reboot).
Diese doch überschaubare Science-Fiction- beziehungsweise “Star Trek”-Erfahrung der Autorin merkt man der Episode an einigen Stellen leider auch an. Im Gegensatz zur vorwöchigen Episode wirkt “Fly Me to the Moon” auf mich weniger “rund”. Die verschiedenen Handlungsbögen sowie das simultane Einführen von vier weiteren, tragenden Figuren (Talinn, Adam Soong, Kore Soong, Renée Picard) lassen die Episode mitunter überladen und versatzstückartig erscheinen. Zumal auch Erzähltempo und Spannung unterhalb des Niveaus von “Watcher” bleiben. Vielleicht fallen deshalb auch die zahlreichen Logiklöcher im Drehbuch dieses Mal deutlicher ins Gewicht als in der letzten Episode. Licht und Schatten lassen sich auch hinsichtlich des Staffel-Arcs sowie des bekannten Trek-Kanons feststellen.
Einerseits gelingt es der Episode, das Mysterium um den Bruch der Zeitlinie unterhaltsam fortzuschreiben. Wir dürfen als Zuschauer munter darauf losspekulieren, warum Renée Picard so wichtig für die Zeitlinie ist, oder was Adam Soong dazu gebracht haben könnte, eine faschistische Gesellschaft zu begründen. Das spannendste Rätsel ist und bleibt für mich aber Q, dem in dieser Episode – vielleicht etwas zu auffällig – sinistere Motive unterstellt werden. Ich glaube indes nicht, dass Q wirklich Böses im Schilde führt. Das würde nicht zu seiner Entwicklung in “The Next Generation” und “Voyager” passen.
Andererseits entwickelt sich auch die aktuelle Staffel von “Picard” allmählich zu einer Hängepartie. Dieses Problem hatten eigentlich alle “Star Trek”-Staffeln der vergangenen drei Jahre. Man startet fulminant, verrennt sich danach allerdings in teils belanglosen oder langatmigen Storylines, die am Ende dann mehr oder minder befriedigend aufgelöst werden. Damit möchte ich keinesfalls behaupten, “Fly Me to the Moon” oder gar die übrigen vier Episoden der zweiten Staffel seien langweilig. Ich habe mich bisher durchaus gut unterhalten gefühlt. So langsam sollte man inhaltlich aber mal auf den Punkt kommen, denn auch “Fly Me to the Moon” bleibt mir diesbezüglich einfach zu vage.
Figuren & Dramaturgie
Die Einführung gleich vier neuer Charaktere lässt erwartungsgemäß nur wenig Raum, um zugleich auch die Entwicklung der Hauptfiguren voranzutreiben. Aber auch die Vorstellung von Talinn, Adam und Kore Soong sowie Renée Picard gelingt in meinen Augen nur bedingt.
Rios, Raffi & Seven
Dieser Teil der Handlung wird recht zügig abgehandelt und man muss sagen: zum Glück! Auch wenn ich gesellschaftskritische Narrative grundsätzlich mag, war mir der Story-Arc um das Department of Homeland Security und deren ICE-Einheit einfach viel zu plump und auch viel zu einseitig.
Ich mag simple Schwarz-Weiß-Malerei einfach nicht, das wird dem hohen Anspruch von (Klassik-) “Star Trek” in meinen Augen einfach nicht gerecht. Hier bewegt man sich leider auf demselben niedrigen Holzhammer-Niveau, das man sonst vor allem aus deutschen “gesellschaftskritischen” Produktionen kennt. Der Rios-Handlungsbogen hat in “Fly Me to the Moon” lediglich eine Funktion, nämlich die, einer ansonsten sehr dialoglastigen Episode wenigstens eine ausgedehnte Action-Sequenz zu spendieren. Hätte ich so nicht gebraucht.
Hinsichtlich der Charakterentwicklung muss ich sagen, dass mich Raffis unprofessionelles Verhalten mittlerweile einfach nur noch nervt. Von einer erfahrenen Offizierin ihres Dienstgrades und ihres Alters sollte man mehr Haltung und vor allem auch mehr Hirn erwarten dürfen. Die von Michelle Hurd gespielte Figur zählt für mich jedenfalls zu den unsympathischsten, belanglosesten und nervigsten Charakteren in ganz “Star Trek”. Ich kann Raffi Musiker einfach nichts abgewinnen. Mit ihrer unprofessionellen Attitüde würde sie auch viel besser auf die Discovery passen.
Picard & Talinn
Das Gespann Picard-Talinn gehört für mich zu den größten Enttäuschungen der Episode. In der vergangenen Woche wurde im Fandom heftig darüber spekuliert, ob Talinn womöglich ein “Supervisor” (“Aufseher”) sein könnte – so wie Gary Seven in “Assignment: Earth” / “Ein Planet, genannt Erde” (TOS 2×26). Diese Vermutung hat sich tatsächlich auch als korrekt erwiesen. Aber leider gibt sich Talinn dermaßen wortkarg, dass deren Background-Story doch recht oberflächlich bleibt. Schlussendlich kommt nur ein wenig inspiriertes Namedropping seitens Picard (“Kirks Enterprise…”) dabei rum. Hoffentlich wird Talinns Mission und deren Verbindung zu Gary Seven beziehungsweise Isis in den kommenden Episoden noch etwas ausführlicher erläutert. Ich muss auch leider sagen, dass weder Patrick Stewart noch Orla Brady hier besonders gut performen. Allerdings gibt das Drehbuch ihnen hier auch nicht wirklich gutes Dialogmaterial an die Hand.
Sehr unbefriedigend ist auch der Umstand, dass Talinns äußere Ähnlichkeit mit Laris überhaupt nicht erklärt wird. Also was soll das Ganze? Zu guter Letzt geht es dann für meinen Geschmack auch etwas zu schnell mit der Kooperation zwischen der “Wächterin” und Picard. Wenn man bedenkt, wie viel Mühe sich die Episoden 3 und 4 gegeben haben, um das Mysterium des “Wächters” aufzubauen, dann ist die Auflösung, die uns “Fly Me to the Moon” hier präsentiert, unter dem Strich doch eher mager.
Gelungen ist wiederum die Situationskomik, als Picard gegenüber Talinn in höchsten Tönen von der La Sirena-Crew schwärmt, während diese gerade sehr unorthodox den notoperierten Polizisten von Bord bringt. Hier merkt man, dass die Autorin früher für Sitcoms geschrieben hat.
Agnes & Borg Queen
Erfreulicherweise nimmt der Story-Arc um Agnes Jurati und die Borg-Königin weiter Fahrt auf. Hier kann ich mich nur wiederholen: Annie Wersching spielt die Rolle der Queen wirklich überzeugend und auch Alison Pill gehört weiterhin zu den Glanzpunkten der neuen Staffel. Nur leider ist dieser eigentlich interessante Handlungsbogen auch derjenige, der in dieser Folge auch die meisten Logiklöcher aufweist.
Das fängt schon damit an, dass es der Borg-Königin für meinen Geschmack viel zu einfach gelingt, den Computer mittels Stimmenimitation zu überlisten. Man darf an dieser Stelle nicht außer Acht lassen, dass diese La Sirena aus der faschistischen Zeitlinie stammt. Und faschistische Regime zeichnen sich in der Regel durch eine besonders ausgeprägte Paranoia und entsprechende Sicherheitsvorkehrungen aus. Nicht umsonst handelt es sich hierbei stets um “Überwachungsstaaten”. Daher halte ich es doch für sehr unglaubwürdig, dass Captain Rios den Computer seines Schiffes nicht zusätzlich mit einem Verschlüsslungscode gesichert hat.
Und natürlich schickt die Polizei von La Barre dann auch nur einen einzigen ihrer Beamten zu einem seit Jahren verlassenen Weingut, das auch noch eine enorme Größe aufweist. Das ist maximal klischeehaft, denn in der Regel sind Polizeiwagen auch mit zwei Beamten besetzt. Hinzukommt die für mich ohnehin unglaubwürdige Erzählung, dass ein solch großes Weingut über Jahre völlig verlassen ist. Aber spätestens als der Polizist das Raumschiff entdeckt, hätte er Verstärkung anfordern müssen. Denn das hätte wohl jeder halbwegs gut ausgebildete Polizist in dieser Situation getan. Außerdem habe ich mich gefragt, warum es in Frankreich scheinbar ununterbrochen Nacht ist.
Auch dass die Queen Jurati assimilieren wird, ist am Ende leider keine wirkliche Überraschung mehr. Schade, aber dieser Story-Arc ist in dieser Episode leider durch und durch unglaubwürdig geschrieben. Da gibt es nichts zu beschönigen.
Renée Picard
Im Zentrum der Episode steht die 24-jährige Renée Picard, die von Penelope Mitchell (30, u.a. “The Vampire Diaries”) gespielt wird. Mitchell ist Australierin, ihre Mutter stammt aus Frankreich. Ich finde, diese Rolle hat man sehr gut besetzt, denn Mitchell hat tatsächlich eine gewisse Ähnlichkeit mit Patrick Stewart, zumindest was das Kinn und die Augenbrauen betrifft. Picard hatte seine Vorfahrin in “The Star Gazer” (2×01) schon einmal kurz erwähnt, diesen Wink mit dem Zaunpfahl hatte ich damals allerdings nicht als solchen wahrgenommen. Bisher wissen wir eigentlich recht wenig über Renées Mission.
Leider bedient sich die Episode auch hinsichtlich Renées Charakterisierung einiger häufig verwendeter Stereotypen, was die Darstellung von hochbegabten Personen angeht. Es ist sicherlich richtig, dass “Genies” nicht selten zu depressiven Verstimmungen oder gar pathologischen Persönlichkeitsauffälligkeiten neigen können. Die Geschichte der Menschheit kennt solche Beispiele. Dennoch wäre es schön, wenn man in “Star Trek” auch einfach mal ganz ‘normale’ Genies zu sehen bekommen würde: Zefram Cochrane war Alkoholiker und Richard Daystrom musste sich am Ende von “The Ultimate Computer” (TOS 2×24 “Computer M5”) in eine Rehabilitationseinrichtung für Personen mit mentalen Problemen einweisen lassen. Und auch alle Soongs wurden bisher als soziale Sonderlinge dargestellt. In meinen Augen ist das etwas zu viel Klischee. Darüber hinaus trägt “Fly Me to the Moon” leider noch nicht allzu viel zur Figurenzeichnung von Picards berühmter Ur-Ur-Großtante bei.
Negativ aufgefallen sind mir allerdings zwei Logiklöcher. Zum einen ist Renée Picard französische Staatsbürgerin, obwohl es letzte Woche noch hieß, die Picards seien nach England ausgewandert. Zum anderen halte ich die Erklärung von Picard, die Historiografie des 21. Jahrhundert sei ob der “chaotischen Zustände” dieser Epoche weitestgehend verlorengegangen, schlicht für Blödsinn. Wir wissen heute sogar über viele Ereignisse in der Antike recht gut Bescheid – und das trotz extrem lückenhafter und schwieriger Quellenlage. Heute leben wir im digitalen Zeitalter, eine präzisere Geschichtsschreibung hat es eigentlich noch nie gegeben. Nahezu alles ist mehrfach (und multiperspektivisch) dokumentiert. Historische Quellen sind digitalisiert, vervielfacht und auch für Hobby-Historiker jederzeit abrufbar, ohne dass man dafür in ein historisches Archiv gehen müsste. Ich halte es daher für unplausibel, dass selbst ein atomarer Weltkrieg dazu führen könnte, dass Einzelheiten zu historischen Ereignisse von globaler Relevanz, wie etwa eine Jupiter-Mission, nahezu vollständig verloren gehen könnten. Zumal die Menschen im 25. Jahrhundert komischerweise über alle Epochen vor der Mitte des 21. Jahrhunderts sehr gut Bescheid wissen. Müssten diese Überlieferungen dann nicht auch unwiederbringlich verloren sein? Und warum war Sisko so gut über Gabriel Bell informiert? Warum wussten Spock und Kirk so einiges über das späte 20. Jahrhundert, zum Beispiel über die Literatur dieser Zeit? Und die Picards haben ihre Familiengeschichte auch immer sehr ausführlich dokumentiert. Warum hat Picard keine persönlichen Quellen über seine Ur-Ur-Großtante mehr zur Verfügung? Nein, hier macht es sich das Drehbuch viel zu einfach.
Adam & Kore Soong
Mit der neuerlichen Mitwirkung von Brent Spiner betritt ein weiterer Vorfahre von Datas Erbauer Noonien Soong die “Star Trek”-Bühne: Adam Soong. Dieser ist als Forscher auf dem Gebiet der Gentechnik aktiv und hat eine Tochter, die an einem schweren Gendefekt leidet. Um diese zu heilen, sucht er Sponsoren für seine Genforschung. Diese scheint allerdings keine besondere Rücksicht auf die Grundlagen der Bioethik zu legen, weshalb Soong am Ende sogar seine Zulassung verliert. In seiner Verzweiflung wendet er sich an einen Unbekannten, den er auch gleich als dubiose Gestalt identifiziert. Dennoch lässt er sich auf dieses fragwürdige Bündnis ein.
Adam Soong, dass wissen wir aus Folge 2, wird die faschistische Konföderation der alternativen Zeitlinie begründen. Doch wie kam es dazu? Die Verbindung zwischen ihm, seiner Tochter Kore und Renée Picard ist noch nicht wirklich ersichtlich, wenngleich ich eine Theorie habe: Renée bringt laut Picard von Io einen “empfindungsfähigen Mikroorganismus” mit zurück auf die Erde. Könnte sich dieser vielleicht als Schlüssel zu Kores Heilung erweisen? Und somit verhindern, dass Soong weitere gefährliche Genexperimente durchführt? Mal sehen, aber dieser Mikroorganismus scheint mir handlungstechnisch des Rätsels Lösung zu sein.
Soongs Charakterisierung lässt mich jedenfalls mit einem zwiespältigen Gefühl zurück. Einerseits bedient sich die Autorin auch hier wieder einiger gängiger Wissenschaftler-Klischees und schon x-mal erzählter Film-Narrative (genialer Wissenschaftler muss seine Frau oder sein Kind heilen). Anderseits ist die Figur durchaus ambivalent genug, um als Grundlage für einen guten Story-Arc fungieren zu können. Soong erinnert mich ein wenig an Dr. Soran (“Star Trek: Generations”), denn dessen Motive (Liebe zur Familie) waren ebenfalls nachvollziehbar. Sein rücksichtsloses Vorgehen (Zerstörung ganzer Sonnensysteme) war hingegen absolut inakzeptabel. Auch Soong scheint durch die Liebe zu seiner Tochter geblendet zu sein, sowohl für das Leid anderer Menschen als auch für notwendige ethische Grenzen der Genforschung. Jedenfalls spricht die Gremiumsvorsitzende Diane Werner (Lea Thompson) davon, dass Soong illegale Genexperimente an ehemaligen Soldaten durchgeführt und dadurch die “Shenzhen Konvention” verletzt habe.
An dieser Stelle nimmt das Drehbuch konkreten Bezug zu unserer Gegenwart. Im Jahr 2018 sollen in der chinesischen Stadt Shenzhen zum ersten Mal genetisch manipulierte Babys geboren worden sein, nämlich die Zwillinge Nana und Lulu. Deren Erbgut wurde mit der Genschere Crispr/Cas9 verändert. In der Folge dessen wurden mehrere chinesische Wissenschaftler Ende 2019 zu Gefängnisstrafen verurteilt. Der Fall war international als Tabubruch kritisiert worden. Ich denke, der Soong-Arc könnte an diese realen Vorkommnisse anknüpfen.
Neben der “Europa Mission” und der Erwähnung von Nomad macht auch Soongs technische Ausstattung (futuristisches Drohnen-Kraftfeld) sehr deutlich, dass sich das Jahr 2024 in “Star Trek” von unserer realen Gegenwart unterscheidet. Ich kann damit leben, denn der Trek-Kanon sollte hier der Maßstab sein und nicht die Realität, die “Star Trek” in einigen historischen Aspekten bereits relativiert oder sogar überholt hat.
Zur Rolle von Isa Briones kann man nach diesem kurzen Auftritt noch nicht viel sagen. Im Vergleich zu Staffel 1 ist Kore aber sicherlich ein Downgrade für die junge Schauspielerin. Dass man eine ganze Staffel dazu verwendet, um eine Story zu erzählen, die zwei Hauptcharaktere (Elnor, Soji) nahezu komplett aus der Gleichung nimmt, finde ich aber schon etwas irritierend.
Q
Q (John de Lancie) bleibt weiterhin eine enorm spannende Variable in Staffel 2. Was hat er vor? Will er Picard schaden oder ihm doch helfen? Spielen dieses Mal auch persönliche Motive eine Rolle?
Mir gefällt sehr gut, wie Staffel 2 mit Q arbeitet. Man erkennt sehr viele Facetten Qs wieder, die man aus “The Next Generation” kennt. Beispielsweise sein Hang zum Schlüpfen in verschiedene Rollen, hier in die eines Psychotherapeuten. Andererseits ist die Rolle derart ambivalent angelegt, dass man sich bisher keinen Reim darauf machen kann, was Q vorhat und weshalb er so agiert, wie er agiert. John de Lancie ist hier wirklich in seinem Element und die gemeinsamen Szenen mit Brent Spiner gehören zweifelsohne zu den Highlights der Episode.
Gesellschaftskommentar
Bereits in meiner Rezension zu Episode 2 hatte ich gemutmaßt, dass die zweite Staffel die Themen Gentechnik beziehungsweise Eugenik in den Mittelpunkt der Handlung stellen könnte. Ich denke, der Hinweis mit der “Shenzhen Konvention” spricht hier eine eindeutige Sprache. Sollte hier eine Verbindung zwischen Adam und Arik Soong hergestellt werden, dann wäre das wirklich eine tolle Sache. Außerdem könnte ich sehr gut damit leben, wenn man die “Eugenischen Kriege”, aus denen bekanntlich auch Khan und seine Augments hervorgegangen sind, in die erste Hälfte des 21. Jahrhunderts verlegen würde. Ein solcher Retcon wäre durchaus sinnvoll und vertretbar.
Genforschung, Eugenik oder auch der Transhumanismus sind in der Tat Themen, die in unserer gegenwärtigen Gesellschaft von großer Relevanz sind und nach meinem Dafürhalten noch viel intensiver diskutiert werden müssten. Angesichts wachsender utilitaristischer Tendenzen in unserer Gesellschaft (“Der Zweck heiligt die Mittel”) sind bioethische Erwägungen einfach unabdingbar. Vielleicht kann “Star Trek” hier – in guter, alter Tradition – der Gesellschaft den Spiegel vorhalten.
Neben der Genforschung behandelt “Fly Me to the Moon” auch das sensible Thema Depressionen. Allerdings wird das Thema hier lediglich angeschnitten, sodass der Sozialkommentar doch eher oberflächlich bleibt. Vielleicht kommt da aber noch was in den nächsten Episoden.
Inszenierung
Für “Fly Me to the Moon” nahm mal wieder Trek-Veteran Jonathan Frakes (69) im Regiestuhl Platz. Dessen Inszenierung ist absolut solide und beinhaltet einige nett anzusehende Kamerafahrten. Auch das Grusel-Szenario auf der La Sirena ist adäquat umgesetzt.
An der Inszenierung gibt es nichts auszusetzen, wobei diese Episode auch sicherlich nicht als ein Frakes-Highlight in die Trek-Annalen eingehen wird. Dafür ist das Drehbuch dann eben doch zu durchschnittlich ausgefallen.