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30 Jahre “Star Trek: Voyager” – 1×01/02 “Der Fürsorger“ (Teil 2)

Vor 30 Jahren startete in den USA die vierte Live-Action-Serie aus dem “Star Trek”-Universum. Anlässlich dieses Jubiläums blicken wir zurück auf den Pilotfilm “Der Fürsorger” (OT “Caretaker”). In Teil 2 analysiert Matthias das Serienkonzept und die Charaktere.

Serienkonzept

In den Fußstapfen der “Next Generation”

“Star Trek: Voyager” startete mit einer enormen Hypothek. Einerseits musste die Serie als Zugpferd für das neue Paramount TV-Network UPN in die Fußstapfen der internationalen Erfolgsserie “Star Trek: The Next Generation” treten, andererseits auch eine Nische zwischen der zwei Jahre zuvor gestarteten Schwesterserie “Deep Space Nine” und den im Zweijahresrhythmus erscheinenden TNG-Kinofilmen finden. Die neue Serie durfte kein einfacher Abklatsch sein, musste zugleich aber auch über ausreichend Querverbindungen zu den beiden parallellaufenden Vorgängerserien verfügen, um deren Zuschauer mitzunehmen.

Die Grundidee, mit der das Dreiergespann Rick Berman, Michael Piller und Jeri Taylor die Serie schließlich ins Rennen schickte, war zwar nicht gänzlich neu (siehe “Lost in Space”, 1965–1968 oder auch “Battlestar Galactica”, 1978-80), für “Star Trek” jedoch ein Novum, das dem Writers’ Room viele spannende Möglichkeiten für gute Drehbücher eröffnete. Die Kernhandlung der Serie wurde in den 70.000 Lichtjahre entfernten und bisher noch weitestgehend unerforschten Delta-Quadranten verlegt. Dies verhinderte, dass die beiden parallellaufenden Serien “Voyager” und “Deep Space Nine” mit ihren Narrationen in Konflikt gerieten.

Eine zusammengewürfelte Crew

Gut drei Jahre nach Gene Roddenberrys Tod (1991) waren die noch für TNG geltenden strengen Vorgaben, was die Harmonie unter den Hauptcharakteren betrifft, bereits deutlich gelockert worden. Schon DS9 hatte ab 1993 auf das Konzept einer “Mischcrew” gesetzt, also einer Besatzung, die nur zu einem Teil aus Offizieren der Sternenflotte besteht. Als Angehörige des bajoranischen Militärs sollten Major Kira und Constable Odo sowie der zwielichtige Ferengi-Barbetreiber Quark die “braven” Sternenflottenoffiziere Sisko, O‘Brien, Dax und Bashir ordentlich aufmischen.

Dieser Part fiel in “Voyager” den Ex-Maquis zu, allen voran dem Ersten Offizier Commander Chakotay (Robert Beltran) und der aufbrausenden Halbklingonin B’Elanna Torres. Die Idee des Maquis, also einer Terroristengruppe aus den Reihen der Föderation, der sich auch viele ehemaligen Sternenflottenoffiziere angeschlossen haben, wurde derweil in der DS9-Doppelfolge “Der Maquis, Teil 1 + 2” (DS9 2×20/21) und in der vorletzten TNG-Episode “Die Rückkehr von Ro Laren” (TNG 7×24) sorgsam eingeführt. Commander Chakotays Background, also dessen Herkunft von einer Erdenkolonie, die von Nachfahren eines indigenen nordamerikanischen Stammes gegründet wurde, geht wiederum auf die TNG-Episode “Am Ende der Reise” (TNG 7×20) zurück. Überdies stellte der Cardassianer Gul Evek (Richard Poe) ein personelles Bindeglied zwischen allen drei Serie dar.

Inwiefern das Konzept einer ursprünglich konfliktär angelegten Crew am Ende auch aufgegangen ist, darüber lässt sich gewiss streiten. Fakt ist jedoch, dass das Maquis-Konzept von “Voyager” im Jahr 1994 sehr durchdacht geplant und auch vorbildlich in Form von starken Backdoor-Episoden in TNG und DS9 eingeführt wurde.

Charaktere & Besetzung

Frauenpower im Kommandosessel

Obwohl es zwischenzeitlich auch mal andere Gedankenspiele gegeben haben soll, war es am Ende doch recht klar, dass der nächste Raumschiffkommandant in einer “Star Trek”-Serie eine Frau sein sollte. Mit der damals bereits 52-jährigen franko-kanadischen Theater- und Filmschauspielerin Geneviève Bujold glaubten die Produzenten zunächst, den großen personellen Wurf für ihren Cast gelandet zu haben. Voller Stolz verkündete Paramount am 1. September 1994 den Casting-Coup per Pressemitteilung.

Doch weit gefehlt, konnte sich Bujold doch weder mit dem Drehtempo einer TV-Serie anfreunden noch mit der Rolle selbst, so die Überlieferung. Nach nur zwei Drehtagen warf sie folgerichtig das Handtuch und wurde durch die 13 Jahre jüngere Katherine “Kate” Mulgrew ersetzt. Ein Glücksfall, wie man heute weiß.

Captain Kathryn Janeway (ursprünglich: Elizabeth, dann Nicole Janeway) ist ein interessanter Charakter. Das wird bereits in der Pilotfolge deutlich. Sie ist ebenso wie Kirk und Picard unverheiratet, führt aber neben ihrer Karriere bei der Sternenflotte auch ein recht bürgerliches Leben mit einem festen Wohnsitz auf der Erde, einer Hündin als Haustier und einer festen Beziehung mit einem Mann namens Mark. Charakterlich ist sie eine Mischung aus dem nahbaren und emotionalen James T. Kirk, dem rationalen und kultivierten Jean-Luc Picard und dem manchmal auch recht direkten und strengen Benjamin Sisko. Diese gute Mischung sorgte glücklicherweise auch dafür, dass die Figur Janeway relativ frei von Klischees blieb und nicht allzu “mütterlich” dargestellt wurde.

In der Pilotfolge kann Captain Janeway sowohl mit ihrer Empathie als auch mit ihrer prinzipienorientierten Entschlossenheit und Führungsstärke punkten. Gleich in der ersten Einstellung, die man von ihr zu sehen bekommt, wird deutlich, dass sie das Sagen hat. Ja, Kate Mulgrew strahlte von der ersten Sekunde an die Aura einer Anführerin aus.

Im weiteren Verlauf der Serie gelang es den Autoren aber leider nicht, der Figur Janeway eine gewisse Stringenz in die Drehbücher zu schreiben. In unserem Podcast zum 25. Jahrestag des Serienfinals haben wir hierüber ausführlich gesprochen.

Der dreifache Robert

Ein nettes Kuriosum besteht darin, dass drei Schauspieler im Cast den Vornamen Robert tragen: Robert Beltran (Chakotay), Robert Duncan McNeill (Tom Paris) und Robert Picardo (Holodoc). Dies hatte zur Folge, dass man sich am Set etwas einfallen lassen musste, um die drei Roberts zu unterscheiden. Robert Beltran blieb “Robert”, während aus Robert Picardo “Bob” und aus Robert Duncan McNeill “Robbie” wurde.

Akuchi Moia…weit entfernt von den heiligen Gebeinen seines Volkes

Commander Chakotay kommt in “Der Fürsorger” noch deutlich feindseliger, ruppiger und unorthodoxer rüber als seine Vorgänger auf der Enterprise. Sein Hintergrund als “Freiheitskämpfer” respektive “Terrorist” erinnert da schon eher an Major Kira aus “Deep Space Nine”. Gleiches gilt auch für sein religiöses Weltbild.

Man könnte demnach kritisch fragen, ob es besonders kreativ und sinnvoll war, den Ersten Offizier der Voyager mit einem fast identischen Charakterprofil ins Rennen zu schicken wie Commander Siskos Stellvertreterin nur zwei Jahre zuvor. Und obwohl ich Commander Chakotay grundsätzlich für einen interessanten Charakter halte, stören mich zwei Dinge.

Einerseits wurden Chakotays Kanten noch schneller und noch massiver abgeschliffen, als dies bei Kira Nerys der Fall war. Das liegt wohl auch daran, dass Chakotay vor seiner Zeit beim Maquis eine vorbildliche Karriere in der Sternenflotte hatte. Noch heute wird darüber spekuliert, ob Ro Laren Chakotay meinte, als sie in “Die Rückkehr von Ro Laren” von einem ihrer Ausbilder sprach, der sich urplötzlich dem Maquis angeschlossen habe. Sicherlich war Chakotay nicht sehr lange beim Maquis, aber es ist schon auffällig, wie schnell er wieder in sein Dasein als Sternenflottenoffizier zurückfindet.

Das Urvertrauen, das er Captain Janeway recht schnell entgegenbringt, geht wahrscheinlich auf einen frühen Drehbuchentwurf zurück. “Elizabeth” Janeway war darin noch deutlich älter und Chakotay ein Bewunderer ihrer Biografie.

Ein zweiter Aspekt, der mich an dieser Figur stört: Chakotay gibt seinem Captain viel zu selten Widerrede, ist oftmals viel zu brav. Während man Chakotay in “Der Fürsorger” den Maquis-Terroristen noch einigermaßen abnehmen kann, wirkt er bereits ab der Mitte der 1. Staffeln diesbezüglich nicht mehr glaubwürdig. Insbesondere die Episode “Nemesis” (VOY 4×04) lässt mich daran zweifeln, dass Chakotay jemals die Kaltblütigkeit besessen hat, die man bei vielen anderen Maquis erkennen konnte. Traut man Chakotay wirklich zu, Bomben zu legen oder Jagd auf Cardassianer zu machen? Ich eher nicht.

“Zahnlose” Halbklingonin

Gleiches gilt auch für Maquis #2, B’Elanna Torres, gespielt von Roxann Biggs-Dawson. Als löblicher Gegenentwurf zu realen Geschlechter- und fiktiven Alienklischees (eine halb-klingonische Frau als geniale Ingenieurin!) konzipiert, steckte in diesem Charakter durchaus Potential.

Aber auch ihr nimmt man die Terroristin nicht so recht ab. Und das trotz ihres klingonischen Temperaments. Zudem wäre die Figur womöglich auch spannender gewesen, wenn sie nicht ebenfalls eine Sternenflotten-Vergangenheit gehabt hätte. Dass beide Maquis innerhalb des Senior staff in Wahrheit verkappte Sternenflottenoffiziere sind, nimmt dem Maquis-Konzept einiges von dessen Wirkmacht.

Und so ist es dann auch leider gekommen. Auch B’Elanna Torres wurden recht zügig die Zähne gezogen. Viel zu schnell wurde sie den Ansprüchen, die als leitende Ingenieurin ohne Akademieabschluss an sie gestellt wurden, gerecht. Und das alles in Sternenflotten-Manier, versteht sich. Und auch die Auseinandersetzungen mit ihrem klingonischen Erbe waren oftmals nur schwache Kopien von guten Worf-Folgen in TNG und DS9, die durch jede Menge Redundanz gekennzeichnet waren.

In der Pilotepisode kommt Torres zudem enorm überzeichnet rüber. Insbesondere im Vergleich mit dem mir doch etwas zu rational agierenden Greenhorn Harry Kim während deren Gefangenschaft bei den Ocampa.   

Aus Locarno wird Paris

Robert Duncan McNeill sollte eigentlich seine Rolle aus der TNG-Episode “Ein missglücktes Manöver” (TNG 5×19) wiederaufnehmen, in welcher er den wegen einer Vertuschungsaktion von der Akademie geworfenen Sternenflotten-Kadetten Nicholas Locarno verkörperte. Leider kam es nicht dazu, entweder aus urheberrechtlichen Gründen oder aufgrund einer bewussten Kreativentscheidung die Figur betreffend.

Und somit wurde aus Nicholas Locarno der etwas weniger egoistische Tom Paris. Dieses Downgrade, was den Evil-Faktor des Charakters betrifft, hat leider dazu geführt, dass die im Pilotfilm noch recht interessante Außenseiterfigur schon nach wenigen Folgen ihren Reiz verlor.

Auch Paris’ Freundschaft mit Kim, deren Beginn eigentlich sehr schön erzählt wird (Kim lässt sich nicht vom [Vor-]Urteil anderer beeinflussen), hat in der Retrospektive leider niemals die Tiefe und Authentizität erreicht, die man u.a. bei Kirk und Pille (TOS), Data und Geordi (TNG, PIC), Miles und Julian (DS9) oder auch bei Malcom und Trip (ENT) erkennen konnte.

Routinierter Anfänger

Apropos Harry Kim: Auch die Idee, einen jungen Ensign, der gerade erst die Akademie abgeschlossen hat, in den Führungsstab des Schiffes zu integrieren, hatte viel erzählerisches Potential. In den vorangegangenen Serien wirkten selbst die noch relativ jungen Lieutenants oftmals recht abgeklärt. Kim sollte dazu die Gegenthese werden.

Und tatsächlich, im Pilotfilm ist Kim an einigen Stellen noch recht unsicher und unbeholfen (“Medizinischer Tricorder!”). Aber auch hier muss man leider festhalten: Auch wenn Harry Kim in sieben Jahren nicht ein einziges Mal befördert wurde, wirkte er schon im Laufe der ersten Staffel eher wie ein Offizier, der schon einige Dienstjahre auf dem Buckel hat, mal abgesehen von seinem oftmals naiven Enthusiasmus für vermeintliche Rückkehrmöglichkeiten zur Erde. Aus dem verunsicherten Anfänger wurde allzu schnell ein routinierter Offizier, der selten etwas falsch machte.

Auch bei diesem Charakter hatten die Autoren nicht den Mut, Kims Unerfahrenheit dergestalt zu thematisieren, dass er auch öfters mal schwerwiegende Fehler macht oder in eine persönliche Sinnkrise à la “NuTrek” gerät. Da Kim ansonsten keine Kanten hat, blieb der Charakter dann auch in den anschließenden sieben Staffeln leider enorm blass. Und das, obwohl “Der Fürsorger” eigentlich den Weg für eine spannende und authentische Charakterentwicklung geebnet hatte.

Einen ähnlichen “Greenhorn-Ansatz” versuchte man später auch bei Hoshi Sato (ENT), bei Sylvia Tilly (DIS) und zuletzt auch bei Nyota Uhura (SNW). Zumindest bei Hoshi hat man den Ansatz meiner Einschätzung nach länger und auch etwas glaubwürdiger durchgezogen.

Spocks Erbe

Mit Tuvok (Tim Russ) werde ich bis heute nicht warm. Mehr als eine Kopie von Spock ist er leider nie geworden, auch wenn er als Sicherheitschef eine völlig andere Position innehat. Tuvok ist in “Der Fürsorger” Undercover-Agent auf Chakotays Maquis-Schiff und damit auch der Grund, weshalb die Voyager in die Badlands fliegt und im Delta-Quadranten strandet.

Gewiss, Tuvok wirkt in der Pilotfolge extrem cool und seine Interaktion mit Neelix sorgt für den typischen “Star Trek”-Humor. Mehr aber auch nicht. Denn wie bei vielen anderen der Hauptfiguren muss man leider auch bei Tuvok enttäuscht konstatieren, dass aus dem Charakterpotential im Pilotfilm im weiteren Verlauf der Serie nur wenig gemacht wurde.

Die Konflikte mit den Maquis ebbten zu schnell ab. Und niemand aus der Sternenflotten-Crew machte Tuvok den Vorwurf, dass er letztendlich für das Stranden der Voyager verantwortlich sei. Sicherlich, Sternenflottenoffiziere sind eben brav. Aber wenn ich schon Konflikte in der Crew haben möchte, dann sollte man das auch konsequent beherzigen.

Überdies wurde leider auch die lange Freundschaft zwischen Janeway und Tuvok nicht ansatzweise so gut umgesetzt wie die zwischen Kirk und Pille (TOS) oder Archer und Trip (ENT). In der Nachbetrachtung wäre es aus kreativer Sicht ein kluger, aber gewiss auch ein verdammt mutiger Schritt gewesen, ab Folge 40 mit Tuvix statt mit Tuvok und Neelix weiterzumachen. Dies hätte auch der Freundschaft mit Janeway eine interessante Facette hinzufügen können (ähnlich wie Siskos Freundschaft mit drei verschiedenen Dax-Symbionten).

Der Jar Jar Binks von “Star Trek”?

An Neelix (Ethan Phillips) scheiden sich bis heute die Geister. Einige mögen ihn, einige hassen ihn vielleicht sogar, und anderen ist er relativ egal. Die Vergleiche mit Jar Jar Binks aus “Star Wars” sind sicherlich nicht ganz aus der Luft gegriffen.

In “Der Fürsorger” sehe ich Neelix allerdings recht positiv. Seine extravagante Art, sein doppeltes Spiel und seine Listigkeit fügen der Crew eine Komponente hinzu, die man davor nur bei Quark und Garak finden konnte. Auch die restliche erste Staffel hatte einige überragende Neelix-Folgen zu bieten, darunter “Transplantationen” (VOY 1×05) und “Dr. Jetrels Experiment” (VOY 1×15).

In der Anfangszeit war ein solcher Charakter, der als Einheimischer im Delta-Quadranten als Guide fungiert, mit Sicherheit eine Bereicherung für die Serie. Ab Staffel 3 begann dann allerdings der Neelix-Downfall. Ein Problem für den Charakter war sicherlich auch, dass Robert Picardos Holodoc vermehrt humoristische Szenen in die Drehbücher geschrieben bekam. Dadurch brach der Figur Neelix auch das zweite erzählerische Standbein weg.

“Bitte nennen Sie die Art des medizinischen Notfalls!”

Bis heute gilt das Medizinisch-Holographische Notfallprogramm (Abkürzung MHN, im Original EMH) oder auch einfach der (bis Serienende namenlose) Holodoc (Robert Picardo) als einer der beliebtesten Charaktere in “Voyager”. Wahrscheinlich auch deshalb wird er in “Star Trek: Starfleet Academy” wieder mit von der Partie sein.

Und auch 30 Jahre nach dessen Premiere darf man feststellen, dass das MHN in “Der Fürsorger” bockstark eingeführt wurde. Beginnend bei seiner ersten Aktivierung in einer Krisensituation (“Nicht Sie haben eine Gehirnerschütterung, sondern Sie!”) bis zum Ende der Folge strahlt der Holodoc eine Coolness aus, die ihn aus der Riege der übrigen Charaktere emporhebt.

Sicherlich, in gewisser Weise ähnelt er mit seiner direkten Art seinen Vorgängern Dr. McCoy und Dr. Pulaski. Aber ihm fehlt zugleich auch etwas, das alle anderen Ärzte vor ihm, allen voran Dr. Crusher und Dr. Bashir, stets ausgezeichnet hat: Mitgefühl für die Patienten. Und genau dieses Defizit, an dem er in den nachfolgenden Episoden kontinuierlich arbeiten wird, macht diese Figur so interessant.

In der Pilotfolge ist das MHN zudem eine Metapher für ein kaputtes Gesundheitssystem, das zwar auf fachlich gute Ärzte verweisen kann, in welchem es aber aufgrund von Personalmangel und einer Krisensituation keinen “humanen” Umgang mit den Patienten geben kann. Der Holodoc tut zwar sein Bestes, das “System” (also seine Programmierung) und die Umstände (Personalmangel, Krisensituation) sorgen aber dafür, dass er die meisten seiner Patienten – zumindest am Anfang der Folge – regelrecht abfertigen muss.

In der Retrospektive betrachtet habe ich schon den Eindruck, dass der Holodoc am Ende der Serie die einzige Figur aus dem ursprünglichen Cast (ohne Seven of Nine) war, welche die im Pilotfilm angelegte Charakterkonzeption stringent und erfolgreich weiterentwickelt hat.

Schwacher Start und trauriges Ende

Eine gewisse Weiterentwicklung kann man in den ersten drei Staffeln auch Kes (Jennifer Lien) attestieren, die nicht nur zur medizinischen Assistentin ausgebildet wird, sondern auch im psychologischen Bereich stellenweise wie ein inoffizieller Counselor agiert.

Kes bringt eigentlich alles mit, was einen interessanten Charakter auszeichnet. Sie hat eine vergleichsweise geringe Lebenserwartung und sticht als neugierige und selbstbewusste Revoluzzerin aus einem Volk von unmündigen Konformisten (Ocampa) heraus. Und sie hat ein beeindruckendes Gespür für ihre Mitmenschen. Kurz gesagt: Empathie und Sozialkompetenz sind ihr in die Wiege gelegt.

Das wird in “Der Fürsorger” allerdings noch nicht so deutlich, da sie hier vor allem als Gewaltopfer mit blauem Auge und als Anhängsel von Neelix in Erinnerung bleibt. Ein eher schwacher Start für diese Figur, die im weiteren Verlauf der ersten drei Staffeln aber glücklicherweise Teile ihres Potentials erforschen durfte.

Ich persönlich habe es immer für einen großen Fehler gehalten, Kes derart plump aus der Serie zu schreiben, wie dies zu Beginn der 4. Staffel der Fall war. Zudem hat mir ihr destruktives Comeback in “Voller Wut” (VOY 6×23) missfallen. Ein trauriges Ende für diese Figur. Selbst als wiederkehrende Nebenfigur hätte Kes der Serie sicherlich noch den ein oder anderen erzählerischen Input geben können. Sicherlich mehr als ein Tom Paris oder ein Harry Kim. 

Fazit

Die Pilotepisode “Der Fürsorger” steht ganz im Zeichen der Einführung des grundlegenden Serienkonzepts (“Lost in Space”) und des dazugehörigen Worldbuildings (Delta-Quadrant). Dennoch nimmt sich die Episode an der ein oder anderen Stelle auch Zeit, um die Hauptfiguren zu beleuchten. Einige Figuren erhalten hierfür mehr effektive Screentime (Janeway, Paris, Kim, B’Elanna, Neelix), andere etwas weniger (Chakotay, Tuvok, Kes, Holodoc).

Einige der Hauptfiguren waren in der Pilotepisode “Der Fürsorger” durchaus vielversprechend angelegt. Aber leider verließ die Autoren recht früh der Mut (oder womöglich auch die nötige Kreativität), um dieses Potential im weiteren Serienverlauf auch auszuschöpfen. Und bedauerlicherweise gab es auch Charaktere wie Tuvok, die von Anfang an nicht mehr waren als eine Kopie bereits ausführlich erforschter Figuren aus den Vorgängerserien.

Im dritten Teil analysiert Matthias‘ das Drehbuch und die Inszenierung von “Der Fürsorger”.

Wie sind eure Meinungen zu den Charakterprofilen in der Pilotepisode und deren Entwicklungen in den späteren Staffeln? Lasst uns gerne einen Kommentar dazu da.

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Matthias Suzan
Matthias Suzan
Matthias' Leidenschaft für "Star Trek" wurde 1994 mit knapp zehn Jahren durch "The Next Generation" geweckt. TNG und DS9 sind bis heute seine Lieblingsserien. Es sind vor allem die politischen, gesellschaftlichen und menschlichen Themen des Trek-Universums, die ihn faszinieren. Aber auch die vielen, tollen Raumschiffe haben es dem passionierten Modellbauer angetan. Matthias ist seit 2017 Teil der TZN-Redaktion.

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