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Kurzrezension: “Star Trek: Strange New Worlds” – 3×03 “Shuttle to Kenfori”

Captain Batel erleidet einen Rückfall nach ihrer Infektion durch die Gorn. Als Behandlungsoption wird eine seltene “Chimera”-Pflanze identifiziert, deren einziges bekanntes Vorkommen in Reichweite sich auf Kenfori befindet – einem Forschungsaußenposten, der im Klingonischen Krieg aufgegeben werden musste und unter den Bedingungen des brüchigen Friedens von keiner Seite beansprucht werden darf. Dennoch startet Pike eine unautorisierte Mission und landet mit Doktor M’Benga auf dem fremden Planeten, der seltsam ausgestorben wirkt.

Was meinen wir mit “spoilerfrei”?

Es gibt sehr unterschiedliche Auffassungen dazu, was “spoilerfrei” bedeutet. Damit ihr selbst entscheiden könnt, ob ihr die Rezension vorab lesen möchtet, machen wir hier transparent, was wir darunter verstehen:

  • Wir verraten keine wichtigen und unerwarteten Wendungen der Handlung bzw. Informationen über die fiktiven Welt und ihre Figuren.
  • Was im Vorfeld durch Vorschauclips und Trailer gezeigt wird, ist kein Spoiler.
  • Was im Cold Open (vor dem Vorspann) bzw. im ersten Akt (bei Episoden ohne Cold Open) passiert, ist kein Spoiler.
  • Handwerklichen Aspekte (Schauspiel, Drehbuch, Bühnenbild, Soundtrack, Spezialeffekte) sind keine Spoiler, sofern sie nichts Wichtiges über die Handlung verraten.

Shuttle to Kenfori

“Shuttle to Kenfori” ist ein seltsames Biest. Onitra Johnsons und Bill Wolkoffs Drehbuch scheint sich nicht so recht auf ein Genre festlegen zu können. Das muss nichts Schlechtes bedeuten, schließlich müssen nicht immer dieselben Tropen rezipiert werden. Andererseits schafft es die Episode kaum, einen eigenständigen Spannungsbogen oder eine konsistente Botschaft zu formulieren. “Kenfori” wirkt vielmehr wie ein serialisiertes Bindeglied zwischen den Schlüsselereignissen der letzten und der kommenden Staffel.

Batel und Pike in "Shuttle to Kenfori" (Photo: Marni Grossman/Paramount+)
Batel und Pike in “Shuttle to Kenfori” (Photo: Marni Grossman/Paramount+)

Die Rückblenden bereiten uns darauf vor, dass drei Handlungsbögen aufgegriffen werden:

  • Batels Infektion durch die Gorn
  • Ortegas’ Nahtoderfahrung
  • M’Bengas Mord an Botschafter Dak’Rah (Under the Cloak of War)

Zunächst scheint die Episode uns vor Augen führen zu wollen, dass unsere Figuren den Konsequenzen schwerwiegender Ereignisse und Entscheidungen nicht auf Dauer entrinnen können. Allerdings ist “Kenfori” hier fürchterlich inkonsistent und inkonsequent.

Während einige Figuren von den Konsequenzen eingeholt werden, kehrt die Episode andere unter den Tisch. Schon allein die Prämisse der Episode – ein Sperrgebiet aus persönlicher Zuneigung zu verletzen und damit einen weiteren Krieg zu riskieren – dürfte aus thematischen Gründen nicht so folgenlos bleiben, wie es uns die Folge suggeriert. Wäre das noch nicht leichtfertig genug, relativiert die Folge abermals M’Bengas Mord: Der Arzt kommt weiterhin ohne Einsicht oder Buße davon. Anders ergeht es Erika Ortega, die offensichtlich vom Trauma gezeichnet ist, und Batel, der eine radikale Behandlung bevorsteht.

Zusammengefasst funktioniert die Story so: Figuren, denen das Schicksal übel mitgespielt hat, dreht das Drehbuch den nächsten Strick, während Charaktere, die vorsätzlich Unrecht getan haben, Glück und Nachsicht genießen. Ich habe bereits die letzten Staffeln viel darüber geschrieben, wie fragwürdig ich “Strange New Worlds” häufige Schicksalshaftigkeit als dramaturgisches Element finde. Die Figuren werden häufig ihrer Selbstbestimmung beraubt, und dem Publikum damit eine wichtige Weltanschauung des “alten” Star Trek-Wertekanons abtrainiert: die Vorstellung, dass Individuen – allein oder in Gemeinschaft – ihr Schicksal selbst bestimmen können.

Das T-Wort

Es wird im gleichen Zuge aber auch immer klarer, dass SNW die Axt an eine weitere Säule des Franchises legt: die von Regelhaftigkeit und Egalität vor dem Gesetz – sowohl in persönlichen als auch in internationalen Beziehungen. Schon andere Episoden der Serie spielten mit dem Gedanken, dass der Zweck die Mittel heilige, und unsere Held:innen eine gewisse Selbstgerechtigkeit nachzusehen sei. Star Trek, insbesondere in der TNG-Ära, traute sich gelegentlich einen Gegenentwurf zum amerikanischen Exzeptionalismus und klassischer Hollywood-Heldenverehrung aufzuzeigen. Das scheint aber nun weitgehend passé zu sein. Für Pike und M’Benga gelten ganz offensichtlich nicht vorrangig Recht und Gesetz, sondern Vorsehung und Selbstjustiz.

M'Benga und Pike in "Shuttle to Kenfori" (Photo: Marni Grossman/Paramount+)
M’Benga und Pike in “Shuttle to Kenfori” (Photo: Marni Grossman/Paramount+)

Interessanterweise erscheint diese Episode zufällig in eine Woche, in der wir live und in Farbe den Fallout von kapitalistischem Duckmäusertum vor autoritärer Kraft­mei­e­rei beobachten können. Die Rede ist von den Umständen, unter denen Paramount gerade der US-Regierung und dem Präsidenten Tribut zahlt und Ergebenheit demonstriert, um eine dringend herbeigesehnte Übernahme durch Skydance unter Dach und Fach zu bekommen. Darunter eine Zahlung von 16 Mio. US-Dollar an Donald Trump persönlich, einem Versprechen an die Aufsichtsbehörden in Zukunft auf CBS weniger nach journalistischen Standards, sondern politischem Proporz zu berichten, der Entschluss Diversitätsprogramme zu beenden, und die Einstellung der Late Show mit Stephen Colbert, einem der scharfzüngigsten Satiriker des US-Fernsehens, aus “rein wirtschaftlichen Gründen” zum Ende der aktuellen Staffel. Mehr dazu vielleicht in einem separaten Kommentar an anderer Stelle, aber ich konstatiere schon mal vorab: In seiner aktuellen Form, ist “Star Trek” bestens geeignet, im künftigen Skydance-Portfolio unter dem Radar von Autokraten zu fliegen und in kultureller Relevanz vor sich hin zu vegetieren.

Dabei war der Plot selbst streckenweise interessant. Insbesondere am Anfang, wenn man nach den Rückblenden darüber spekuliert, wie die unterschiedlichen Handlungsfäden wohl konvergieren mögen. Umso größer ist die Enttäuschung, wenn die Episode nie mehr wird als die Summe ihrer Einzelteile. Auch abseits der thematischen Unstimmigkeiten kommen die anderen Elemente nicht sinnvoll zusammen. Auf Kenfori wartet neben der unvermeidlichen Konfrontation mit dem Klingonischen Imperium eine weitere Bedrohung. Doch bis zum Finale der Episode mag diese nicht wirklich zünden. Alles in allem bleibt die Spannungskurve eher flach. Dabei können sich die individuellen Spielorte durchaus sehen lassen: Die Folge fährt streckenweise die besten visuellen Effekte der Serie auf.

Beobachtungen

  • “Strange New Worlds” recyclet sich selbst. War es nicht gerade schon einmal vor drei Episoden so, dass wir zu einem Planeten müssen, der aus diplomatischen Gründen Tabu ist, und zufällig ein Trümmerfeld die unbemerkte Annäherung ermöglicht?
  • Die Schutzmasken von M’Benga und Pike sind aus dem gleichen Schutzmaterial wie der Seuchenschutzanzug aus “Hegemony, Part II”, der dem Original aus z.B. “The Naked Time” nachempfunden ist.
  • Commander Chin-Riley wird in dieser Episode endlich dem vermeintlichen Ruf gerecht, ein harter (aber gerechter) Hund zu sein. Diesen “Show” zum “Tell” hätten wir schon gut vor 23 Folgen gebrauchen können. Erfrischend, zur Abwechslung ein:e professionell auftretende:n Offzier:in zu sehen.
  • Wie funktioniert das mit der Tauglichkeitsprüfung von Offizier:innen vor Dienstantritt nach einem Trauma? Es hat ja offenbar eine stattgefunden, und dennoch scheint bei Ortegas gar nichts in Ordnung zu sein.
  • Wie kann es eigentlich sein, dass M’Benga mit wirklich Allem durchkommt? Es geht ja schon lange nicht mehr “nur” um ein opferloses Vergehen wie bei der illegalen Einlagerung seiner todkranken Tochter im Transporterpuffer. Aber Pike entscheidet sich konsequent wegzugucken.
  • Warp soll doch Überlichtgeschwindigkeit sein, oder? Warum braucht die Enterprise von ihrer Position aus mehrere Sekunden, um einen Punkt zu erreichen, den man schon vorher leicht mit bloßem Auge von der Brücke aus erkennen kann? Den Mond und die Erde trennt grob eine Lichtsekunde, und vom Mond aus betrachtet ist die Erde deutlich kleiner als Kenfori von der Brücke der Enterprise.

Mit Rücksicht auf die Leser:innen, die die Episoden noch nicht gesehen haben, bitten wir in den Kommentaren zu diesem Beitrag auf Spoiler zu verzichten. Danke!

Bewertung

"Shuttle to Kenfori" ist weder Fisch noch Fleisch: kein spannender Horror, keine Charakterstudie, keine clevere Konstruktion paralleler Handlungsstränge mit gemeinsamer Moral. Stattdessen stellt sich der Rezensent wieder einmal die Frage, wie man bei nur zehn Episoden im Jahr eine so teure Produktion auf einem derart dürftigen Drehbuch basieren lassen kann. Und soweit sich eine Botschaft aus der inkonsistenten Erzählung erschließen lässt, leidet mit beinahe jeder weiteren generischen Sci-Fi-Folge das Alleinstellungsmerkmal der Marke *"Star Trek"* als humanistische und optimistische Zukunftsvision.

Bewertungsübersicht

Gesamt
Christopher Kurtz
Seit den frühen 2000ern ist Christopher Redakteur im TrekZone Network. Wenn er nicht in den unendlichen Weiten nach kritisch rationalem Humanismus Ausschau hält oder sich über die Plausibilität fiktiver Technologien und Gesellschaftsformen den Kopf zermartert, findet man ihn meistens in der Nähe von Spielen der geselligen Art, egal ob analog oder digital, ob als Mitspieler oder Gelegenheitsautor.

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Eure Rezensionen, liebes TrekZone-Team, sind erstklassig. Aber über New Trek kann ich eigentlich nur noch heulen. Ich hätte auch diese Folge wesentlich schlechter bewertet. Ihr bemüht Euch sichtlich um Fairness und Abgewogenheit, was ich schön finde. Aber der Subtext dieser Rezension klingt eigentlich noch etwas negativer.

"Shuttle to Kenfori" ist weder Fisch noch Fleisch: kein spannender Horror, keine Charakterstudie, keine clevere Konstruktion paralleler Handlungsstränge mit gemeinsamer Moral. Stattdessen stellt sich der Rezensent wieder einmal die Frage, wie man bei nur zehn Episoden im Jahr eine so teure Produktion auf einem derart dürftigen Drehbuch basieren lassen kann. Und soweit sich eine Botschaft aus der inkonsistenten Erzählung erschließen lässt, leidet mit beinahe jeder weiteren generischen Sci-Fi-Folge das Alleinstellungsmerkmal der Marke *"Star Trek"* als humanistische und optimistische Zukunftsvision.Kurzrezension: "Star Trek: Strange New Worlds" – 3x03 "Shuttle to Kenfori"
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