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Rezension: Star Trek Adventures

Seit 2017 gibt es wieder ein Pen-&-Paper-Rollenspiel im “Star Trek”-Universum. Wir haben inzwischen ein bisschen Erfahrung mit dem Spielsystem gesammelt und verraten, was wir davon halten.

Eine Rezension zu “Star Trek: Adventures” steht schon lange auf dem To-Do-Zettel der Redaktion. Anlässlich des Sonderangebots bei Humble Bundle ist die Gelegenheit günstig, ein paar Worte über die Stärken und Schwächen des inzwischen vierten großen lizensierten Pen-&-Paper-Rollenspiels zu verlieren.

Bisher ist das Rollenspiel nur auf Englisch erschienen. Der deutsche Uhrwerk-Verlag hat jedoch die Lizenz erworben, und wird ein übersetztes Grundregelwerk voraussichtlich am 31.08.2020 auf den Markt bringen. Diese Rezension bezieht sich aber ausschließlich auf die Originalausgabe.

Zum Genre: In “Pen-&-Paper”-Rollenspielen übernehmen die Spieler die Charaktere in einer nach bestimmten Regeln erzählten Geschichte. Typischerweise gibt es einen Spielleiter, der Nichtspielercharaktere verkörpert, die Umwelt für die Spieler “simuliert” und gemeinsam mit ihnen die Handlung eines Szenarios weiter treibt. Rollenspiele unterscheiden sich sowohl in ihren Settings als auch den verwendeten Regelwerken. Der Zusatz “Pen-&-Paper” rührt daher, dass viele Eigenschaften der Charaktere und der Umwelt schriftlich festgehalten oder gar Zeichnungen angefertigt werden. Neben Stift und Papier spielen häufig Würfel eine zentrale Rolle, denn mit ihnen wird oft simuliert, ob schwierige Aktionen der Spieler gelingen oder Zufallsereignisse eintreten. Rollenspiele sind meist eine hochgradig soziale und atmosphärische Angelegenheit und leben häufig von der Fähigkeit der Teilnehmer, die Spielwelt und ihre Figuren mit Leben zu erfüllen.

Szene in der Shuttlerampe in "Star Trek Adventures" (Bild: TZN)
Szene in der Shuttlerampe in “Star Trek Adventures”, mit selbstgedruckten Standees (Bild: TZN)

Übersicht

Modiphius verwendet für “Star Trek Adventures” das hauseigene “2d20”-Regelsystem, das bei praktisch allen Publikationen des Verlags zum Einsatz kommt. Der Name ist gleichzeitig die wichtigste Kernregel des Systems, dazu später mehr. Der Verlag hat die Lizenz für die Fernsehserien und Filme aus den ersten 40 Jahren des Franchises, d.h. einschließlich “Enterprise” bzw. “Nemesis”. Elemente aus “Discovery”, “Picard” und den “Kelvin”-Filmen sind bisher in den Materialen nicht aufgetaucht. Dies ist insbesondere auffällig in dem neuen Hauptregelwerk zu Klingonen und einem Sternenflotten-Ergänzungsband, der inzwischen nicht mehr kanonische Spekulationen zu Sektion 31 enthält.

Star Trek Adventures: Alpha Quadrant (Bild: Modipheus)
Star Trek Adventures: Alpha Quadrant (Bild: Modipheus)

In den meisten Kampagnen sind die Spielercharaktere eine Crew, die ähnlich wie die Helden aus Film und Fernsehen episodische oder serialisierte Szenarien erleben. Das von Modiphius vorgeschlagene Haupt-Setting ist das Jahr 2371, dem “Sweetspot” zwischen “The Next Generation”, “Deep Space Nine” und “Voyager”. Allerdings finden sich verstreut in den Regelwerken zahlreiche Anmerkungen, wie Spiele in anderen Zeitepochen wie dem 22. und 23. Jahrhundert zu realisieren sind. Es gibt sogar inzwischen vorbereitete Szenarien, die explizit in den Äras von “Enterprise” und “The Original Series” spielen.

In den letzten Jahren hat Modiphius in überraschend hoher Schlagzahl eine breite Palette von Büchern produziert, die das “Star Trek”-Universum bereits sehr gut abdecken:

  • Zwei jeweils eigenständige Hauptregelwerke (Föderation und Klingonen)
  • Drei Regelergänzungen für die Sternenflotten-Divisionen (Kommando/Conn, Ops/Sicherheit, Wissenschaft/Medizin)
  • Vier Quellenbücher (je eines für jeden Quadranten)
  • Zwei Sammelbände mit vorgefertigten Szenarien, mehrere Einzelszenarien und eine (kostenlos herunterzuladende) “lebende” Kampagne, die in zwei Zeitepochen spielt
  • Werte und Statistiken für die Protagonisten und Schiffe/Stationen aus “The Orignal Series”, “The Next Generation”, “Deep Space Nine” und “Voyager”
  • Zahlreiches Zusatzmaterial wie Miniaturen, Würfel und Geländekacheln

Das Material ist sowohl in physischer Form als auch (mit Ausnahme der Miniaturen) digital zu erstehen. Wer bereit ist, die Bücher als PDF auf einem Tablet zu lesen, kommt deutlich günstiger weg, denn die digitalen Ausgaben kosten häufig nur ein Drittel oder die Hälfte der gebundenen Hardcover-Bände.

Sternenkarte im Einband von "Star Trek Adventures - Core Rulebook" (Bild: TZN)
Sternenkarte im Einband von “Star Trek Adventures – Core Rulebook” (Bild: TZN)

Wer nur unverbindlich in das Spielsystem hinein schnuppern möchte, kann dies mit einem kostenlosen Quickstart-Guide tun, der Kurzregeln und ein vorbereitetes Szenario beinhaltet. Etwas kostspieliger, aber auch ausführlicher und umfangreicher ist ein “Print-to-Play”-Starterset für knapp 9,00 €, das Regeln, Spielhilfen und Material für eine 3 Szenarien umfassende Einführungskampagne beinhaltet.

Wer sich aber gerne direkt mit der Komplexität des kompletten Regelwerks beschäftigen möchte, kann auch sofort zu einem der beiden 360 Seiten starken “Core”-Regelbücher (Föderation bzw. Klingonen) für aktuell knapp 17,00 € greifen, die für sich selbstständig sind und jeweils das komplette Regelwerk, alle nötigen Quellen sowie ein Einführungsszenario beinhalten.

Zusätzlich sind in jedem Fall Stifte, Papier sowie eine handvoll 20- und 6-seitiger Würfel von Nöten, wobei man nicht zwingend zu den teuren aber schön gestalteten Exemplaren von Modiphius greifen muss. Wer Original-Charakterbögen verwenden möchte, braucht zudem einen Drucker.

Regeln

“Star Trek Adventures” ist ein relativ narratives Spiel. Das heißt, dass die Spielsysteme mit vergleichsweise schlankem Zahlenwerk auskommen und stattdessen einen Schwerpunkt auf das gemeinsame Geschichtenerzählen legen. Das heißt nicht, dass “Adventures” völlig unstrukturiert und regelfrei ist. Die Regeln stellen allerdings das gemeinsame Erleben und Erzählen von fantastischen Abenteuern in den Mittelpunkt, wofür sie den Spielern recht viel Handlungsspielraum und Verhandlungsmasse mit dem Spielleiter geben.

Das geht bereits bei der Charaktererstellung los, in der Spieler die Hintergrundgeschichte ihrer Figuren nacherzählen und so Charaktereigenschaften und -werte in sehr organischer Art und Weise festgelegen (für Ungeduldige und die schnelle Erstellung von Nebenfiguren gibt es aber auch Regeln, mit denen sehr traditionell Punkte und Fähigkeiten verteilt werden können). Der Charakterbogen ist dabei sehr schlank. Zentral sind sechs Werte für Attribute (biologische und soziale Herkunft), sechs Werte für Disziplinen (in sechs klassischen Abteilungen der Sternenflotte), eine handvoll Ausbildungs- und Interessenschwerpunkte, sowie eine handvoll Wertevorstellungen als Freitext. Abhängig von Spezies und Ausbildung kommen noch einige wenige Talente (zumeist passive Boni) hinzu.

Charaktere können mit sehr wenig Zahlenwerk beschrieben werden (Bild: "Star Trek Adventures: Quickstart Guide", Modiphius)
Charaktere können mit sehr wenig Zahlenwerk beschrieben werden, hier der Bogen eines romulanischen NPCs (Bild: “Star Trek Adventures: Quickstart Guide”, Modiphius)

Wirklich angenehm ist, dass alle wichtigen Regeln einer neuen Spielergruppe in zehn Minuten erklärt werden können, und man schnell zum Spielen kommt. Viele Teilsysteme, wie der Kampf, lassen sich auch später nach Bedarf erläutern.

Kern des Systems ist der Wurf von zwei zwanzigseitigen Würfeln für das Bestehen von Fertigkeitsproben. Dieser 2d20 abgekürzte Wurf ist gleichzeitig auch Name des Spielsystems. Wann immer die Spieler eine nicht-triviale Aktion durchführen wollen, können sie dafür in Abstimmung mit dem Spielleiter je ein Attribut und eine Disziplin ihres Charakters addieren und auf diesen Zielwert einen Fertigkeitenprobe mit 2d20 würfeln. Jedes Würfelergebnis kleiner oder gleich des Zielwerts gilt als Erfolg, wobei Standardproben mit einem Erfolg zu meistern sind. Ein wenig irritierend ist, dass niedrige Würfelergebnisse besser sind als hohe. Aber wenn man darüber hinweg sehen kann, zeigen sich einige Stärken dieses Systems.

Es erlaubt nämlich einiges an Freiheitsgraden, da die Frage, welche zwei Eigenschaften zum Zielwert addiert werden, maßgeblich von der Erzählung bestimmt wird. Stehen die Spielercharaktere zum Beispiel vor einer verschlossenen Türe, hängt der Zielwert zum Öffnen der Türe vom Vorgehen ab. Entscheidet sich der Spieler zum Beispiel für das Aufbrechen mit bloßen Händen, addiert er vermutlich Werte für Fitness und Sicherheit. Geht er dabei überstürzt ans Werk, können es aber auch Wagemut und Sicherheit sein. Nutzt er stattdessen ein Werkzeug, um die Türe aufzustemmen, wird die Probe eher Kontrolle und Sicherheit verwenden. Ein bedächtiges Vorgehen, das den Schießmechanismus mechanisch aushebelt, fordert dagegen Kontrolle und Ingenieurswesen. Die Regeln und Charakterwerte führen folglich nicht zu einem dumpfen Auswürfeln von vorgegebenen Proben, sondern fördern, dass die Spieler sich konkret Problemlösungsstrategien überlegen, die zur von ihnen gespielten Rolle passen. Bei einigen Standard-Proben und Szenarien ist das Spiel jedoch auch “streng” und gibt die Kombination vor.

Offizielle Würfelsets für "Star Trek Adventures" (Bild: TZN)
Offizielle Würfelsets für “Star Trek Adventures” (Bild: TZN)

Überzählige Erfolge können die Spieler häufig als Momentumpunkte “speichern”, um sie später für vorteilhafte Wendungen des Spielgeschehens oder Zusatzwürfel auszugeben. Umgekehrt sammelt der Spielleiter Bedrohungspunkte, die er in dramatische Zuspitzungen des Szenarios investieren kann. Hierdurch gleichen sich Würfelglück und Würfelpech ein wenig aus. Allerdings fühlt sich das Zufallselement durch Würfelproben immer noch sehr traditionell (um nicht zu sagen: altmodisch) an. Anderswo ist das Spielsystem moderner.

Neben einem Dutzend Zahlenwerten werden Charaktere durch einige Interessen- bzw. Ausbildungschwerpunkte sowie Wertvorstellungen bestimmt. Diese werden von den Spielern bei der Charaktererstellung weitgehend im Freitext vergeben und ihre Anwendung auf das Spielgeschehen ergibt sich wiederum aus dem Narrativ des Geschichte. Ist z.B. plausibel, dass ein Charakter von einem Schwerpunkt wie “Xenolinguistik” bei einer anstehenden Probe profitiert, zählen bestimmte Würfelergebnisse als doppelte Erfolge. Wertvorstellungen wie “The Needs of The Many Outweight The Needs of The Few” hingegen sorgen dafür, dass Figuren plötzlich in moralische oder persönliche Dilemmas geraten, die wiederum spielmechanische Konsequenzen mit sich bringen. Auch erlauben es die Wertvorstellungen, den Charakteren über sich hinauszuwachsen und einige wenige besonders schwierige Proben zu meistern, wenn dies in den Kontext der Story passt.

Die Mechaniken rund um Wertvorstellungen sind nicht der einzige Spielmechanismus, dem es gelingt, ein typisches “Star Trek”-Gefühl beim Spielen einzufangen. Ein anderer netter Kniff sind Regeln für Nebenfiguren, die Crewmitglieder aus der zweiten Reihe verkörpern. So können die Spieler nicht nur nach Bedarf fehlende Fähigkeiten im Reigen der Hauptfiguren ausgleichen, es gibt einzelnen Spielern auch die Möglichkeit, für ganze Szenarien in die Haut dieser Zweitcharaktere zu schlüpfen, wenn z.B. eine Hauptfigur gerade krank oder in Gefangenschaft geraten ist. Diese Mechanik passt nicht nur hervorragend zur Vorlage, sie ist ein weiterer Weg, wie “Adventures” die Spieler zum aktiven Mitgestalten der Szenarien einlädt.

Charaktere "leveln" nicht im herkömmlichen Sinne (Bild: "Star Trek Adventures: Quickstart Guide", Modiphius)
Charaktere “leveln” nicht im herkömmlichen Sinne (Bild: “Star Trek Adventures: Quickstart Guide”, Modiphius)

Auffällig ist auch, was an üblichen RPG-Systemen in “Adventures” nicht anzutreffen ist. Zwar gibt es Kampfsysteme für persönliche Konflikte und Raumschlachten, aber diese sind wenig originell oder von sonderlichem Tiefgang geprägt. Wenig verwunderlich gibt es auch kein Äquivalent eines “Zaubersystems”, in dem die Charaktere einen verfügbaren Pool aktiver Fähigkeiten managen müssen. Typisches Leveling und das Sammeln von Erfahrungspunkten fehlen ebenso, dazu gehört auch die Jagd nach Ressourcen und Ausrüstung. Es gibt keine Spielwährung für das Besiegen von Gegnern. Weder Fähigkeiten noch Ausrüstung lassen sich einfach steigern oder verbessern. Sehr selten kann es vorkommen, dass einzelne Charakterwerte um einen Punkt steigen, aber dies geschieht vergleichsweise selten und ist das Ergebnis von aktivem Rollenspiel.

Ganz im Sinne der Vorlage betreten die Spieler die Szene meistens bereits als sehr kompetente Offiziere, deren Entwicklung vorwiegend eine innere bzw. “horizontale” ist. Den Rang ihrer Figur können Spieler bei der Erstellung praktisch frei wählen, danach entscheidet die Handlung über Beförderungen. Charaktere sind nach 20 Abenteuern nicht nennenswert “mächtiger” als zu Beginn der Kampagne, sie haben sich aber wie die Counterparts auf der Mattscheibe ein wenig gewandelt und sind vielleicht zu einem besseren Team gereift. Spielmechanisch heißt dies, dass Spieler ihre Talente, Schwerpunkte und Wertvorstellungen über die Zeit wandeln können und nur selten einzelne Statistiken stärker werden.

Dieser Fokus auf Spielsysteme, die das im wahrsten Sinne des Wortes “Spielen einer Rolle” fördern, sind gleichzeitig die größte Stärke und Schwäche von “Adventures”. Der Spaß, den man mit diesem Regelwerk hat, ist direkt abhängig von der Bereitschaft und Fähigkeit der Spielergruppe, sich auf diesen spielerischen Kern einzulassen.

Schreibstil

Die Bücher von Modiphius müssen wie alle Rollenspielregelwerke den Spagat zwischen einer immersiven “Innenperspektive” des Spieluniversums und einer objektiven Außensicht für die Erklärung der Spielregeln meistern. Den bisher erschienenen Bänden gelingt dies recht gut. Kapitel sind klar einer der beiden Schreibperspektiven zuzuordnen und es ist jederzeit ersichtlich, ob man gerade Lore oder Regeln liest.

Insbesondere bei den “In-Universe”-Anteilen stellt sich ein sehr schöner Lesefluss ein. Die meisten Texte haben dabei die Form von Sternenflottenbriefings, mit denen Offiziere über die aktuelle Lage der Galaxie informiert werden sollen. Aufgelockert wird der Fließtext von Randspalten, die die gleichen Sachverhalte aus einer anderen Perspektive beleuchten. Dies können Kommentare von Zeitgenossen aus der Sternenflotte oder Föderation sein, aber auch abgefangene Kommuniques aus anderen Zivilisationen. Wenn sich ein Agent des romulanischen Geheimdienstes über die Naivität der Sternenflotte ereifert, ist dies nicht nur unterhaltsam, sondern oft auch ein interessanter Perspektivwechsel.

LCARS-Optik des "Star Trek Adventures - Core Rulebook" (Bild: TZN)
Die Texte der Modiphius-Bücher sind mit Randnotizen gespickt “Star Trek Adventures – Core Rulebook” (Bild: TZN)

Dabei gehen die Autoren mit offenkundig tiefer Kenntnis des Kanons und des “Star Trek”-Universums vor. Wenn es eine Klage zu formulieren gäbe, dann dass manche Randspalten einiges an Vorwissen der Leser voraussetzen. So wird die jüngere Geschichte der Föderation ausschließlich durch Randspalten erzählt. Zwar sind auch hier die zeitgenössischen Logbücher und Briefe äußerst sachkundig und teilweise originell geschrieben, aber die Autoren nehmen keine Rücksicht auf Leser, die keine fundierte Kenntnis über die Cardassianische Besatzung von Bajor oder die Schlacht bei Wolf 359 haben.

Das ist offenkundig Gejammer auf hohem Niveau. Diese Teile der Modiphiusbände haben selbst dann einen Unterhaltungswert, wenn man mit dem Regelwerk wenig am Hut hat. Die Texte fügen sich nahtlos in die “TNG”-Ära ein und respektieren dabei sogar die einschlägige Sekundärliteratur und ausgewählten Soft-Kanon. Sie stehen klassischen Nachschlagewerken wie der “Offiziellen Star Trek Chronologie” der Okudas kaum nach. Allerdings müssen sie sich zwangsläufig einige kreative Freiheiten nehmen, um Lücken füllen, die nicht durch den Kanon gedeckt sind. Schließlich müssen alle spielrelevanten Bereiche mit Material unterfüttert werden. Auch hier berücksichtigen die Autoren ausgewählten Soft-Kanon. Bei der Ausgestaltung der Gorn und Tzenkethi in den Quellbüchern des Alpha- und Beta-Quadranten wurde z.B. Material aus “Star Trek: Online” integriert.

Die Regeln selbst sind solide Mittelklasse. Der Schreibstil ist zweckmäßig und geht in Ordnung. Der Text ist absolut verständlich verfasst und mit Beispielen (die gerne Bezug auf bekannte Szenen aus Serien und Filmen nehmen) unterfüttert. Ab und zu würde man sich eine erklärende Abbildung wünschen, die das Zusammenspiel der Einzelteile eines Spielsystems besser illustriert. Somit sind die Regeln mit Nichten ein Highlight der Bände, aber sie erfüllen ihren Zweck ausreichend gut.

Ein echtes Manko ist jedoch die Verteilung des Materials in den Grundbüchern. Die sorgt nämlich immer wieder für ordentliches Hin- und Hergeblättere. Die Charaktererstellung ist durch mehrere Kapitel vom Abschnitt über Ausrüstungsgegenstände getrennt, ebenso die Spielregeln für Spieler und Spielleiter, obwohl sie teilweise Überlappungen haben, und man bei einigen Fragestellungen beide Teile konsultieren muss.

Präsentation

Über die Druckqualität der physischen Exemplare können wir kein Urteil abgeben, diese Rezension basiert auf den digitalen Ausgaben der Regelbücher. Zum Lesen ist ein ausreichend großes Tablet wünschenswert. Die Schriftgröße ist gerade noch groß genug, um die Bücher notfalls auch als PDF auf einem Full-HD-Monitor (dann wie ein aufgeschlagenes Buch mit zwei Seiten nebeneinander) zu entziffern. Ein Tablet ab 12″ Bilddiagonale, auf dem man die Seiten einzeln in nahezu Originalgröße lesen kann, ist jedoch sehr viel entspannter.

Beispielseiten aus "Star Trek Adventures" (Bild: Modipheus)
Beispielseiten aus “Star Trek Adventures – Quickstart Guide” (Bild: Modipheus)

Alle Bände bis auf das Grundregelwerk der Klingonen ist in der Aufmachung dem LCARS-Computersystem der Sternenflotte nachempfunden. Die klaren, geschwungenen Bedienelemente, die das Layout der Bücher abwechslungsreich auflockern, sind insbesondere beim Lesen auf einem Tablet ein echter Hingucker und eine wahre Freunde. Wenn man sich darauf einlässt, beim Schmökern in das fiktive Universum abzutauchen, kann man sich leicht wie ein Sternenflottenoffizier mit PADD in der Hand vorkommen (manchmal ist die Erkenntnis surreal, dass die Technik der Gegenwart zu den Zukunftsfantasien von Gestern aufgeschlossen hat.)

Schematische Darstellung der Interpid-Klasse von "Star Trek Adventures - Core Rulebook" (Bild: TZN)
Schematische Darstellung der Interpid-Klasse von “Star Trek Adventures – Core Rulebook” (Bild: TZN)

Unterstützt wird das Layout von einer ganzen Reihe, meist sehenswerter Illustrationen. Es gibt derer drei Arten:

  • Technische Illustrationen
  • Illustrationen von Weltraumszenen
  • Illustrationen von Charakteren und NPCs

Technische Illustrationen wie Sternenkarten, oder Raumschiffhüllen sind offenbar 1:1 aus Referenz- und Standardwerken der letzten Jahrzehnte entliehen. Man kann Illustrationen aus den offiziellen technischen Handbüchern, Blueprints und Sternenkarten finden. Wo vorhanden, werden sogar Vektorgrafiken verwendet, die bei jeder Bildschirmauflösung gestochen scharf daherkommen. Das trägt zum sehr guten Gesamteindruck bei und verankert das Quellmaterial von “Adventures” angenehm im Hard- und Soft-Kanon. Allerdings scheinen die technischen Illustrationen im Gegensatz zu den anderen Abbildungen etwas wahllos in den Büchern verteilt. Ein Zusammenhang mit dem umgebenden Text erschließt sich nicht immer.

3D-Illustration im "Star Trek Adventures - Core Rulebook" (Bild: TZN)
Raumschiffillustrationen werden von renommierten 3D-Künstlern beigesteuert, die u.a. auch den jährlichen “Ships of the Line”-Kalender schmücken. (Seite aus “Star Trek Adventures – Core Rulebook”, Modipius, Photo: TZN)

Bei den weiteren Illustrationen  verhält sich das anders. Auffällig ist, dass die weit weniger bekannt und großteils speziell für “Adventures” angefertigt worden sind. In den inzwischen vielen hundert Seiten verwendet Modiphius bisher kein einziges Standbild aus einer Film- oder Fernsehproduktion! Hier vermeidet man einen Kardinalfehler vieler anderer Lizenzspiele, die mit teils minderwertigen und unscharfen Szenenphotos hantierten.

Die Weltraumbilder stammen überwiegend von namhaften 3D-Künstlern. Einige Illustrationen erkennt man wieder, wenn man Anhänger des “Ships of the Line”-Kalenders ist. Hier finden sich tolle, detailreiche Darstellungen von Begebenheiten, die man entweder gar nicht oder nur aus anderer Perspektive kennt. Zur Wahrheit gehört leider auch, dass sich einige Illustrationen über die Vielzahl der Bücher wiederholen und auch ein paar weniger gute Renderergebnisse dabei sind.

Illustration in "Star Trek Adventures - Core Rulebook" (Bild: TZN)
Illustration in “Star Trek Adventures – Core Rulebook” (Bild: TZN)

Bei der Darstellung von Szenen auf “Argushöhe”, d.h. im Maßstab von Personen in Korridoren und Planetenoberflächen, zeigt “Adventures” Gemälde in unterschiedlichen Techniken. Hier schwankt die Qualität der Illustrationen sehr stark. Während einige Bilder wirklich erstklassig gelungen sind, irritieren manche mit einer verzerrten Perspektive, sichtbaren Copy-&-Paste-Versatzstücken oder übertrieben karikaturhafter Mimik und Gestik der Subjekte. Auch einige dieser Illustrationen werden über die verschiedenen Bände gelegentlich recycelt.

Die Illustrationsdichte fällt in den unterschiedlichen Büchern verschieden aus. Während das “Core”-Regelbuch geradezu vor Abbildungen platzt, werden Illustrationen in den Quellbüchern und Ergänzungen etwas zurückhaltender eingesetzt. Störend ist dies bei der Einführung nicht-kanonischer Spielerraumschiffe, die häufig nur eine Textbeschreibung erhalten, oder Spielerspezies, von der man auch als langjähriger Trekkie nicht auf Anhieb ein Bild im Kopf hat. In den beiden Missions-Sammelbänden wird es mit ca. zwei Bildern pro Szenario ebenfalls sehr dünn, Einzelszenarien sind bis auf ein paar generische Füller eine reine Text-Angelegenheit.

Ein Wort noch zur Qualität der PDFs: Kauft man diese bei Modiphius direkt, erhält man neben der schicken LCARS-Variante auch noch druckfreundliche Versionen ohne vollflächig schwarzen Hintergrund. Zwei Wermutstropfen: Die Kompressionsqualität der Illustrationen ist nur mittelmäßig. Insbesondere die Abbildungen des Core-Quellbuchs sind in der dem Rezensenten vorliegenden Version recht pixelig geraten, in anderen Bänden dagegen jedoch anstandslos. Spannenderweise hat das Core-Buch aus dem Humble Bundle deutlich besser aufgelöste Illustrationen, leidet dafür aber an einem Farbstich. Diese Schwierigkeit scheinen einige PDFs zu haben. Vermutlich geht dies auf eine fehlerhafte Farbraumkonvertierung aus der Druckvorlage zur Bildschirmdarstellung zurück. Statt eines wirklich satt schwarzen Hintergrunds ist er hier anthrazitfarben. Diese Farbabweichungen sind allerdings minimal und kein wirklich beklagenswerter Mangel.

Szenarien

Modiphius hat inzwischen eine ganze Palette an unterschiedlichen, spielbereiten Szenarien erstellt, die Spielleiter verwenden können, um sich Vorbereitungszeit zu sparen. Wie bei den Quellbüchern wurden hierfür einige namhafte Autoren verpflichtet. Leider können wir keine pauschale Empfehlung für diese Szenarienhefte und -bücher geben. Die Bewertung hängt sicherlich auch mit dem persönlichen Spielstil zusammen, aber einige Szenarien lassen den Spielleiter über wichtige und naheliegende Fragen im Unklaren.

Zum Beispiel erkunden die Spieler in der dritten Mission “Entropy’s Demise” aus dem Sammelband “These Are The Voyages” einen romulanischen Außenposten. Der Text für den Spielleiter beschreibt mehrere Räume und ihre relative Lage entlang von getrennten Korridoren, aber es fehlen wichtige Teilinformationen, so dass nicht klar ist, wie die Gänge zusammenhängen und von wo aus sie betreten werden können. Eine Karte der Einrichtung sucht man vergeblich. Im selben Szenario ist ein NPC beschrieben, den die Spieler verhören können. Allerdings lässt das Szenario offen, wo dieser Romulaner zu finden ist. Es ist also dem Spielleiter überlassen, die Versatzstücke zu einem schlüssigen Ganzen zusammen zu setzen. Von einem kommerziell vertriebenen Modul kann man durchaus ein wenig mehr Vorarbeit und Liebe zum Detail erwarten.

Neben diesen Problemen in der Ausführung muss man aber hervorheben, dass die begutachteten Geschichten sehr gut in das “Star Trek”-Universum passen und authentische Themen wie Entdeckergeist, politische Intrigen und/oder wissenschaftliche Mysterien aufgreifen. So kommt sehr viel “Star Trek”-Atmosphäre auf, wenn Spielleiter und Spieler sich auf das Narrativ einlassen.

Modulare Geländekacheln von "Star Trek Adventures" (Bild: TZN)
Modulare Geländekacheln von “Star Trek Adventures” (Bild: TZN)

Ein besonderes Schmankerl sind die zwei Sätze von modularen Geländekacheln, die Modiphius unter dem wachsamen Auge von “Star Trek”-Veteran und -Illustrator Rick Sternbach für Föderations- und Klingonenschiffe herausgegeben hat. Hiermit können Spielleiter sehr schnell und unkompliziert recht ansehnliche Spielgelände für Szenen und auch Phaserscharmützel zusammenlegen. Leider fehlen bisher noch weitere Kachelsets für Planetenoberflächen, Höhlen oder die Raumschiffe anderer Kulturen.

Fazit

“Star Trek Adventures” hat eine klar definierte Zielgruppe: Die Schnittmenge aus “Star Trek”-Fans der “Berman-Ära” und Rollenspielern, die es leid sind, immer höheren Zahlenwerten hinterherzujagen. Wenig ansprechend ist es für Freunde von Monsterkämpfen, Skill- und Equipment-Min-Maxing oder ausgefuchster Würfelkaskaden. Wer hier zusammenkommt, möchte gemeinsam eine “Star Trek”-Story erleben und mitgestalten. Dafür gibt das Werk der Gruppe und dem Spielleiter ein Regelsystem mit viel Verhandlungsspielraum. Umgekehrt fehlt die ein oder andere harte Leitplanke, sowohl in den Regeln als auch in den Szenarien.

Für Sternenflottenoffiziere in “Star Trek” passt dieses 2d20-Regelsystem sehr gut, regt es doch zum kreativen Problemlösen und Rollenspielen an. Außerdem glättet das Momentum- und Bedrohungssystem die üblichen Unwuchten des Würfelglücks (oder -pechs), was den Zufallsfrust von Fähigkeitsproben ein wenig mildert.

Die Ausführung ist in weiten Teilen vorbildlich und insbesondere der Lore-Materialien wegen sehr empfehlenswert. Für den Aufstieg in die AAA-Klasse fehlt ein beständigerer Illustrationsstil, eine konsequentere Bebilderung von Spezies, Raumschiffen und Umgebungskarten, eine bessere Organisation des Regelwerks und eine sauberere Ausarbeitung der vorbereiteten Szenarien. Ebenfalls wäre es für Anhänger der “Kelvin”-, “Discovery”- und “Picard”-Inkarnationen von “Star Trek” schön, bald entsprechende Ergänzungen zu erhalten. Auch das Material zu “Enterprise” und “The Original Series” ist ausbaufähig.

Trotz dieser Kritikpunkte ist “Star Trek Adventures” für die oben beschriebene Zielgruppe ein tolles Regelwerk, und die stetige Erweiterung durch Modiphius ist ein gutes Zeichen dafür, dass das Spiel in Zukunft weiterhin mit neuem Material versorgt wird.

Der "Star Trek Adventurs"- Gamemaster lässt sich nicht in die Karten gucken (Bild: TZN)
Der “Star Trek Adventurs”- Spielleiter lässt sich hinter dem selbstgebauten Sichtschutz nicht in die Karten gucken (Bild: TZN)

Bewertung

Komplexität [usr max=6 5]
Strategie [usr max=6 4.5]
Glück [usr max=6 4]
Spielerinteraktion [usr max=6 6]
Wiederspielwert [usr max=6 6]
Präsentation [usr max=6 4.5]
Gesamt [usr max=6 5]
Star Trek Adventures - Core Rulebook (Bild: TZN)
Star Trek Adventures – Core Rulebook (Cover: Modiphius, Photo: TZN)

Infos

Autor: Nathan Dowdell, Dave Chapman, Sam Webb et al.
Original-Titel: Star Trek Adventures, The Roleplaying Game
Jahr der Veröffentlichung 2017
Sprache: Englisch
Anzahl Spieler: 3+
Altersempfehlung: keine
Spieldauer: 120+ min
Seiten: 368 (Core Rulebook, PDF)
Preis: 14,99 GPB, derzeit ca. 16,50 € (Core Rulebook, PDF)
Verlag: Modiphius Entertainment

Zum Zeitpunkt des Erscheinens dieser Rezension gibt es ein zeitlich beschränktes, stark reduziertes Angebot für einen Großteil der bereits erschienen “Star Trek Adventures”-Bände bei Humble Bundle. Dieser Hinweis ist ein Service für unsere Leser und keine bezahlte Promotion oder Werbung. Die TrekZone erzielt hiermit keinerlei Einnahmen. Die Verknüpfungen im Artikel sind keine Affilate-Links, d.h. wir erhalten auch keine Provision. Die im Artikel besprochenen Produkte stammen aus dem Privatbesitz des Rezensenten und wurden nicht kostenlos vom Verlag zur Rezension überlassen.

christopher.kurtz
Christopher Kurtz
Seit den frühen 2000ern ist Christopher Redakteur im TrekZone Network. Wenn er nicht in den unendlichen Weiten nach kritisch rationalem Humanismus Ausschau hält oder sich über die Plausibilität fiktiver Technologien und Gesellschaftsformen den Kopf zermartert, findet man ihn meistens in der Nähe von Spielen der geselligen Art, egal ob analog oder digital, ob als Mitspieler oder Gelegenheitsautor.

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Danke für den Tipp und die gute Rezension. Ich denke, das Spiel könnte etwas für mich sein!
(Im Gegensatz zu ST: Lower Decks, was leider der absolute Scheiß ist, wie ich heute feststellen musste. verglichen damit ist sogar Discovery ein filmisches Meisterwerk).

Würde mich freuen, mehr Spielerezensionen wie diese hier zu finden. Macht weiter so!

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