Nach den Dschinn macht sich Shannon Chakraborty nun an die Piratenwelt heran.
Inhalt (Klappentext)
Amina al-Sirafi könnte kaum zufriedener mit sich und ihrer Welt sein. Nach ihrer beeindruckenden Karriere als berüchtigtste Piratin des Indischen Ozeans, in deren Verlauf sie hinterhältige Schurken, rachsüchtige Handelsherren, mehrere Ehemänner und einen echten Dämon überlebt hat, steuert sie nun auf ruhigeres Fahrwasser zu. Abseits von Blut und Tod. Und vor allem abseits des Übernatürlichen. Doch dann erhält sie ein Angebot, das kein echter Freibeuter guten Gewissens ablehnen kann: Für eine fürstliche Belohnung soll Amina die entführte Tochter eines Kameraden zurückbringen. Die Aussicht auf ein letztes Abenteuer mit ihrer Crew und auf mehr Reichtum, als sie sich je hätte träumen lassen, lässt sie noch einmal den Anker lichten. Doch schon bald muss sich Amina fragen, ob dieses letzte Abenteuer seinen Preis wert ist. Vor allem, wenn dieser Preis ihre eigene Seele sein könnte.
Kritik
“Die Abenteuer der Piratin Amina al-Sirafi” ist der neueste Streich von Shannon Chakraborty, die man bereits von der großartigen Daevabad-Reihe her kennt. Diesmal, der Titel lässt es schon ahnen, geht es etwas geerdeter zu und die Geschichte dreht sich um besagte Freibeuterin. Wobei, so ganz stimmt das nicht. Obwohl es anfangs so aussieht, als gäbe es zwischen den Reihen keine Verbindung, kann sich die Autorin Bezüge zu den Dschinn nicht verkneifen. Das ist zunächst eher am Rande und könnte auch noch als Sagengebilde gedeutet werden, gegen Ende wird die Verbindung aber mehr als deutlich, wenn weitere magische Wesen wie die Peri auftauchen oder auch ganz offen die Daeva erwähnt werden. Also ja, auch Aminas Geschichte spielt im Universum von Daevabad, wenn auch in der “realen” Welt.
Während die Dschinn-Geschichte aus den eingangs erwähnten Büchern eher in den 1890ern angesiedelt ist, sind wir hier im 12. Jahrhundert unterwegs. Beide Handlungen liegen also weit genug auseinander und haben außer diesen kleinen Bezügen – die aber nur Fans bzw. Leser der anderen Bücher etwas sagen dürfte – nichts miteinander zu tun. Man kann sicher darüber streiten, ob die Einbeziehung magischer (sprich: phantastischer) Elemente in diese Geschichte wirklich notwendig war, doch abgesehen davon gibt es noch ein paar andere Stolpersteine in der Handlung.
Zunächst einmal springen wir 10 Jahre nach den Abenteuern der Piratin in die Geschichte. Amina hat inzwischen eine Tochter und wird dann von Salima beauftragt – oder besser gesagt, gezwungen – ihre entführte Enkeltochter zu retten. Derartige Erpressungsversuche kennt man ja zur Genüge und es ist nicht das einzige Klischee, dass die Geschichte bedient. So muss Amina wieder ihre nun verstreute Crew zusammensuchen, die mal mehr, mal weniger stark auf sie reagiert – auch nicht neu. Zudem spielen ein paar “Zufälle” eine nicht unbedeutende Rolle. Amina erreicht etwa die Hafenstadt mit ihrem Schiff just in dem Moment, in dem ihr ehemaliger Erster Offizier Tinbu Ärger hat und Hilfe braucht. Auch später, während ihrer Odyssee, wird sie mehr als einmal ausgeknockt und aufgehalten, kommt aber immer genau rechtzeitig zurück, wenn der Bösewicht kurz davor steht, seinen Plan in die Tat umzusetzen.
Klar, solche Konstrukte gibt es auch in anderen Romanen, es fällt hier aber doch gehäuft auf. Hinzu kommt, dass die Charaktere etwas blass bleiben. Das liegt an der oben erwähnten 10-Jahres-Lücke, denn die Kameradschaft der Helden untereinander ist für den Leser stellenweise nur schwer nachzuvollziehen. Auf vergangene Ereignisse wird nur rudimentär Bezug genommen, was eben nicht hilfreich ist. Zwar gibt es ein paar kleinere Rückblenden, wie etwa zu Aminas Ehemann Raksh, die die Charaktere vertiefen, es sind in der Summe aber zuwenige, um mit anderen Charakteren außer der Heldin große Sympathien aufzubauen. Es wird sich zwar bemüht, wie im Falle der Giftmischerin Dalila, so richtig zünden will das Ganze aber nicht. Unerwähnt bleiben soll an der Stelle aber ebenfalls nicht, dass es solche Kniffe durchaus auch in anderen Büchern gibt und die Erzählweise durchaus legitim ist, nur die Umsetzung hapert hier leider etwas.
Ein gutes Beispiel ist hier der Tod eines Crewmitglieds, das unter anderem vor 10 Jahren zur Trennung geführt hat, und das zentrales Thema der Charakterkonstellationen ist. Was genau geschehen ist, erfährt man nur grob, bis man, im großen Finale, dann endlich die Antwort erhält, aber hier eben auch eher nur im Vorbeigehen. Das ist etwas schade, da dieser Part die zuvor aufgebaute Erwartungshaltung so nicht erfüllen kann. Besser ist da alles um Raksh, der eigentlich ein fieser Typ ist, bei dem man aber in jeder Szene die Hoffnung verspürt, er könne sich doch endlich zu einem guten Kerl wandeln. Eigentlich kann die Autorin also gute Charaktere.
Ebenfalls kurz angesprochen werden soll hier ein Transcharakter, der in die Handlung eingebaut wird, was für die damalige Zeit im ersten Moment eher unpassend wirkt. Das erwähne ich deshalb, weil es mit diesem einen kleinen Twist am Ende gibt, den ich hier nicht verraten will. Man mag sich jetzt darüber aufregen, ob man in einem mittelalterlichen Roman auf diesen “modernen” Zug aufspringen will oder sollte, die Herangehensweise an den Charakter und seine Identität ist aber gut und einfühlsam gelungen und wirkt nicht aufdringlich, was man an der Stelle mal loben sollte. Die Szene ist auch nur kurz und man geht weiter zum Alltag und akzeptiert alles so, wie es ist – und so soll es sein.