Folge 8 setzt erneut auf Humor und seichte Unterhaltung. Doch bringt die Episode frische Ideen oder nur aufgewärmte Kost? Lest hier unsere zweite ausführliche Episodenkritik.
Achtung, SPOILER!
Handlung
In „Vier und ein halber Vulkanier“ muss die Crew der Enterprise einen defekten Kernreaktor auf einem Planeten reparieren, dessen Bewohner unter einem strikten Kontaktverbot stehen. Da Vulkanier bereits einen Erstkontakt hatten, dürfen nur sie eingreifen. Mangels verfügbarer Vulkanier verwandelt Dr. M’Benga Captain Pike, Uhura, La’an und Chapel mithilfe eines Serums genetisch in Vulkanier.
Die Mission gelingt zwar, doch die Rückverwandlung schlägt zunächst fehl. Als Pike, Uhura, La’an und Chapel sich weigern, ihre neu gewonnene vulkanische Logik und vermeintliche Überlegenheit aufzugeben, kommt es zu Spannungen. Schließlich bittet Una ihren Ex-Partner Doug, einen exzentrischen Vulkanier, um Unterstützung…
Story & Drehbuch
„Vier und ein halber Vulkanier“ ist ein weiteres Beispiel für die kreative Armut und die handwerklichen Schwächen, unter denen „Strange New Worlds“ immer wieder leidet. Das Drehbuch von Dana Horgan und Henry Alonso Myers ist ein nichtssagender Flickenteppich aus eklatanten Plot Holes, Zufälligkeiten und einem erschreckenden Mangel an Verständnis für den „Star Trek“-Kanon.
Die Autoren zeigen keinerlei Respekt vor der etablierten Erzählung, die besagt, dass die Logik der Vulkanier keine genetische Eigenschaft ist, sondern das Ergebnis jahrtausendelanger kultureller Prägung durch Suraks Lehren. Die hier präsentierte Idee, den bekannten vulkanischen Habitus durch Gene (hier: Genmanipulation) zu erklären, ist nicht nur blanker Unsinn, sondern steht auch im direkten Widerspruch zum föderationsweiten Verbot von Eugenik – und zu “emotionalen” Vulkaniern wie Sybok, welche die Lehren Suraks nicht befolgen.
Zudem: Die Art und Weise, wie „NuTrek“ immer wieder Eingriffe in das Genom von Individuen als nützliche Normalität darstellt, ist problematisch und wirkt mitunter wie ein Versuch, eugenische beziehungsweise transhumanistische Ideen salonfähig zu machen. Dadurch entfremdet sich die Serie von ihren humanistischen Wurzeln.
Besonders enttäuschend ist, dass die Serie erneut auf die Vulkanier als Mittel für erzwungene Situationskomik zurückgreift. Nach Episoden wie „Spock Amok“ und „Scharaden“ ist dies bereits das dritte Mal, dass dasselbe humoristische Konzept recycelt wird: Die Vulkanier dienen primär als Quelle für oberflächliche Lacher, ohne dass ihre kulturelle Tiefe oder Komplexität berücksichtigt wird. Die Handlung wirkt wie eine müde Wiederholung früherer Folgen, die das Spannungsfeld zwischen Emotion und Logik deutlich nuancierter beleuchtet haben. Statt frischer Ideen setzt die Episode abermals auf fragwürdigen Humor, der Spock und sein Volk zur Zielscheibe macht. Dabei werden die Vulkanier als karikaturhafte, selbstgefällige Rassisten dargestellt, die auf andere Spezies – insbesondere auf die Menschen – herabsehen.
Zwar hatten die Vulkanier schon immer einen gewissen Hochmut – wie etwa in „Star Trek: Enterprise“ angedeutet –, doch gerade in dieser Folge wird ihr Bild derart überzeichnet, dass das einst vielschichtige Porträt der Vulkanier als kluge und verlässliche Partner innerhalb der Föderation verzerrt wird. Der fragwürdige Subtext lautet: „Gute“ Vulkanier sind offenbar nur diejenigen, die auch menschliche DNA in sich tragen (wie Spock) oder eine Affinität zur menschlichen Kultur besitzen (wie Doug). Ernsthaft?!
Auch La’ans romulanisches Erbe wird auf eine Weise in die Handlung gezwängt, die weder inhaltlich stimmig ist noch zur Weiterentwicklung der Figur beiträgt. Dabei ignorieren die Autoren, dass die Unterschiede zwischen Vulkaniern und Romulanern primär kultureller Natur sind und nur in begrenztem Maß genetisch bedingt. La’ans Handlungsstrang dient vor allem dazu, einer ansonsten inhaltslosen und ideenlosen Geschichte zumindest einen alibimäßigen Spannungsbogen zu verleihen. So einfallslos dieser Subplot ist, so platt und vorhersehbar gestaltet sich auch seine Auflösung. Die erzwungene Martial-Arts-Tanz-Einlage wirkt dabei kindisch und fehl am Platz.
Die zu Beginn angedeutete Auseinandersetzung mit der Obersten Direktive bleibt im weiteren Verlauf der Handlung bedauerlicherweise völlig unbeachtet. Nicht einmal ein Blick auf die Planetenoberfläche wird gewährt – eine verpasste Gelegenheit, die offenbar als zu komplex oder unattraktiv verworfen wurde. Stattdessen setzt die Episode auf oberflächlichen Klamauk, der bestenfalls gelegentlich ein Schmunzeln auslöst, aber weder durchgängig unterhält noch emotional oder intellektuell fordert. Der Konflikt zwischen Emotion und Logik dient lediglich als Feigenblatt für eine vermeintlich tiefere Botschaft, die jedoch weder differenziert noch überzeugend ausgearbeitet ist.
Die Handlung wirkt durchweg belanglos und erinnert mitunter an Jim Carreys “Der Dummschwätzer” („Liar Liar“, 1997), insbesondere in Szenen wie dem Tischgespräch zwischen Pike, Marie Batel und Vizeadmiral Pasalk. Der Umstand, dass auch James T. Kirk schon wieder auf der Enterprise auftaucht, macht die Galaxie unfassbar klein. Seine Präsenz an Bord, genauso wie später die von Roger Korby, wirkt wie Lazy writing, das nur dazu dient, etablierte Gastcharaktere zwanghaft in die Handlung zu integrieren.
Noch unglaubwürdiger ist jedoch das Verhalten des Sternenflottenkommandos. Dass dort scheinbar niemand ein Problem damit hat, dass der Captain des Flaggschiffs durch die Veränderung seiner Persönlichkeit eine völlig andere Person geworden ist als derjenige, dem das Kommando ursprünglich übertragen wurde, ist ein peinliches Plot Hole. Die Sternenflotte wirkt hier eher wie eine Karnevalstruppe als wie eine glaubwürdige, professionelle Organisation.
Ein weiterer Tiefpunkt ist die klischeehafte Wendung, dass Captain Batel am Ende trotz Wutrede gegen den widerspenstigen Vizeadmiral den ersehnten Posten in der Rechtsabteilung erhält – eine Entwicklung, die so vorhersehbar ist, dass sie jede dramaturgische Wirkung verliert. Hier zeigt sich einmal mehr die schwache Qualität des Drehbuchs: formelhaft, mutlos und ohne erzählerische Substanz.
Charaktere
Spock wird in dieser Episode einmal mehr zur Witzfigur degradiert – ein bloßer Prügelknabe, der für platte Gags herhalten muss. Das konstruierte Liebesviereck zwischen Spock, Christine, Korby und La’an wirkt nicht nur ermüdend, sondern ist dramaturgisch längst ausgelaugt. Die Autoren verkennen offenbar, dass diese seifenopernhaften Elemente den Figuren eher schaden als sie weiterzuentwickeln. Anstatt emotionale Tiefe zu erzeugen, wird ihre Komplexität durch oberflächliches Beziehungskonflikt-Drama untergraben.
Der „vulkanische“ Pike sorgt zwar für einige amüsante Momente – etwa beim Abendessen mit Marie und Admiral Pasalk – doch auch hier überzieht die Episode maßlos. Und Uhura nutzt ihre neuen Fähigkeiten schamlos, um ihr Love Interest Beto zu manipulieren. Diese Gedankenverschmelzung – gefühlt die hundertste in dieser Serie – wirft moralische Fragen auf, die jedoch kaum angeschnitten oder sofort lapidar beiseite gewischt werden.
Una, zuletzt noch als reflektierte Kommandantin mit Autorität inszeniert, wird hier zur Karikatur: eine übersexualisierte, emotional entgleisende Figur, die sich wie ein verliebter Teenager benimmt. Ihre Begegnungen mit Doug und später auch mit Spock sind peinlich und lassen sie unglaubwürdig und kindisch erscheinen. Auch Patton Oswalts Gastauftritt als exzentrischer Vulkanier bringt zwar punktuell Komik, trägt aber leider zur Demontage einer bisher glaubwürdigen Figur bei.
Und Pelia? Nach wie vor eine Zumutung. Ihre weinerliche Stimme strapaziert die Nerven, und ihre Rolle als dauerhaft schriller Comic Relief hat sich längst überlebt. Dass man für sie den faszinierenden Charakter Hemmer aus der Serie geschrieben hat, wirkt rückblickend wie ein dramaturgischer Fehlgriff. Ihre Verharmlosung von Drogenkonsum ist weder witzig noch vertretbar.
Kirks Auftritt wirkt für mich ebenso überflüssig, und die angedeutete Chemie mit Scotty entfaltet bei mir keinerlei Wirkung. Das liegt aus meiner Sicht weniger an der schauspielerischen Leistung von Paul Wesley und Martin Quinn oder an ihren Dialogen, sondern vielmehr an der unglücklich gewählten Altersdynamik im Casting. In der Originalserie war Scotty ein gestandener Mittvierziger – selbstbewusst, kompetent und unabhängig –, der seinem jüngeren Captain zwar Respekt entgegenbrachte, aber keineswegs dessen Anleitung benötigte. Die hier konstruierte Umkehrung, in der ein älter und erfahrener wirkender Kirk einen deutlich jüngeren, unsichereren Scotty als eine Art “Mentor” anleitet, wirkt auf mich grundlegend unpassend und widerspricht dem etablierten Verhältnis der beiden Figuren in der Originalserie.
Inszenierung
Die Kostüme und SFX-Aufnahmen der Enterprise sind – wie gewohnt – hochwertig, doch als klassische „Bottle Show“ bleibt die Episode auf die bestehenden Sets der Enterprise beschränkt. Die Regie von Jordan Canning ist solide, aber weitgehend uninspiriert und vermag die dramaturgischen Schwächen des Drehbuchs nicht zu kompensieren.
Visuell geht die Folge keinerlei Risiken ein und begnügt sich mit dem Minimum. Das ist weniger der Regisseurin anzulasten als vielmehr dem enttäuschenden Skript, das kaum Raum für kreative Akzente lässt.
Schlussbetrachtung
„Vier und ein halber Vulkanier“ ist belangloser Klamauk, der die Vulkanier als narzisstische Rassisten karikiert und Spock erneut zur Witzfigur degradiert. Das Drehbuch zeigt weder Respekt vor dem „Star Trek“-Kanon noch erzählerische Finesse. Es fehlt jeglicher Tiefgang, und abgesehen von billigem Humor auf Kosten der Vulkanier und Spock – der in mehreren früheren Episoden bereits als müdes Handlungstreibmittel diente – bringt die Folge keine neuen Ideen oder Impulse für die Serie. Diese offensichtliche Ideenlosigkeit führt dazu, dass die Handlung ohne echte Konsequenzen bleibt, platt und löchrig wirkt und die Figuren unglaubwürdig, kindlich und mitunter moralisch fragwürdig agieren.
Insgesamt ist die Episode ein Paradebeispiel für schlechtes Schreiben und trägt in keiner Weise zur Weiterentwicklung der Serie bei – eine reine Verschwendung von Ressourcen, gerade bei einer Staffel mit nur zehn Folgen.
Leider ist es so…die Rezension trifft in allen Punkten zu
Wow. Ist Staffel 3 von SNW eigentlich schon eine Parodie, wenn jede zweite Folge eine Comedy-Folge sein soll? Überhaupt ist es für mich unverständlich, wenn man eh nur 10 Folgen pro Staffel hat, warum man dann so viele Folgen für derartig belanglose Stories hergibt. Abgesehen davon, dass die Handlung wieder völlig “unlogisch” war (um in der Sprache der Folge zu bleiben), ist auch die Inszenierung und Charakterisierung auf der Strecke geblieben. Solche Folgen hätten eigentlich den Zweck, etwas über die Figuren zu erfahren, sie dreidimensionaler und tiefgründiger zu machen. Oder zumindest veritabel “witzig” zu sein. Beides Fehlanzeige. Und einmal mehr… Weiterlesen »
Also man hätte direkt überall 0 Punkte geben können. Manche SNW-Folgen sind schlimmer als Fusspilz.