In “Terrarium” stürzt Lt. Erica Ortegas auf einem unwirtlichen Planeten ab – und trifft dort ausgerechnet auf eine verletzte Gorn. Lest hier unsere dritte Episodenkritik zur neunten Folge der dritten Staffel.
Achtung, SPOILER!
Handlung
Lt. Erica Ortegas stürzt mit einem Shuttle auf einem unwirtlichen Planeten ab. Dort begegnet sie einer verletzten weiblichen Gorn, die sich überraschenderweise nicht feindselig verhält, sondern ihr beim Überleben hilft. Umgeben von heftigen Stürmen und bedroht von gefährlichen Kreaturen, entwickeln die beiden – trotz Sprachbarriere – eine kooperative und sogar freundschaftliche Beziehung, die Ortegas’ Sicht auf die Gorn grundlegend verändert.
Auf der Enterprise läuft eine Rettungsmission unter Zeitdruck, da das Schiff dringend einen Impfstoff an die USS Constellation übergeben muss. Uhura ist überzeugt, dass Ortegas noch lebt, und geht so weit, die Computerdaten zu manipulieren, um Captain Pike zum Handeln zu bewegen.
Als das Außenteam schließlich auf dem Planeten eintrifft, hält La’an die Gorn für eine Bedrohung und tötet sie. Für Ortegas ist es ein Schock: Sie hatte in der Gorn eine Verbündete gefunden.
Kurz darauf offenbaren sich die Metronen. Sie haben das Geschehen bewusst beobachtet, um herauszufinden, ob eine friedliche Koexistenz zwischen der Föderation und den Gorn möglich ist. Die Begegnung war Teil eines größeren Experiments. Ortegas überlebt – doch ihre Erinnerungen an die gemeinsame Zeit mit der Gorn werden gelöscht.
Story & Drehbuch
Das Drehbuch von Alan B. McElroy greift in seinen Grundideen auf zahlreiche, teils sehr populäre “Star Trek”-Folgen zurück. Das Motiv, dass die Crew – oder einzelne Mitglieder – gezwungen sind, mit einem vermeintlichen Feind zusammenzuarbeiten, um zu überleben, kennen wir bereits aus Episoden wie “Day of the Dove” (TOS 3×07 “Das Gleichgewicht der Kräfte”), “The Enemy” (TNG 3×07 “Auf schmalem Grat”), “Initiations” (VOY 2×02 “Der Namenlose”) oder “Dawn” (ENT 2×13 “Morgendämmerung”). Ein weiteres zentrales Erzählmotiv der Folge ist die Sprachbarriere zwischen Ortegas und der weiblichen Gorn, die an Klassiker wie “Darmok” (TNG 5×02) erinnert. Hinzu kommt das dritte narrative Element: externe Mächte, die als Beobachter oder Manipulatoren auftreten. Hier lässt sich vor allem die Folge “Arena” (TOS 1×18 “Ganz neue Dimensionen”) als Referenz erkennen, die inhaltlich eng mit “Terrarium” verwoben ist.
Man könnte der Folge vorwerfen, keine wirklich neuen Ideen zu bieten, sondern bekannte “Star Trek”-Motive lediglich in einem neuen Kontext zu interpretieren. Dieser Vorwurf trifft durchaus zu, doch sollte man bedenken, dass es nach mittlerweile 59 Jahren und rund 900 Episoden eine große Herausforderung ist, vollkommen originelle Geschichten zu erzählen. Zudem haben viele Kritiker – mich eingeschlossen – immer wieder gefordert, das “Gorn sind Monster”-Narrativ im Sinne der klassischen, humanistischen “Star Trek”-Botschaft zu hinterfragen und aufzubrechen. Dieser Anspruch wird von “Terrarium” zweifellos zu erfüllen versucht, weshalb ich die Folge auch nicht zu harsch kritisieren möchte. Dennoch muss auch ich feststellen: In der Umsetzung gelingt dies leider nicht auf eine wirklich glaubwürdige und tiefgründige Weise.
Weder die Haupthandlung auf dem Planeten noch die Nebenhandlung auf der Enterprise erreichen die inhaltliche Tiefe, die angesichts der Prämisse durchaus möglich gewesen wäre. Die Serie kratzt erneut nur an der Oberfläche des Gorn-Konflikts, ohne den Zuschauern wertvolle Einblicke in die Kultur, Denkweisen und die geopolitischen Interessen der Gorn-Hegemonie zu gewähren. Die B-Handlung hingegen bedient sich altbekannter, mitunter etwas überstrapazierter Trek-Klischees – etwa dem engen Zeitfenster für die Rettung, das seit “The Galileo Seven” (TOS 1×16 “Notlandung auf Galileo 7”) vielfach verwendet wurde, um einer Rettungsmission zusätzlichen Spannungsbogen zu verleihen. Darüber hinaus wirft das Verhalten einiger Crewmitglieder – namentlich Pike, Uhura und La’an – Fragen auf.
A-Handlung: Ortegas und die “Gorn Identität”
Viele von uns haben nach den ersten beiden Staffeln lautstark gefordert, der Figur Erica Ortegas endlich mehr Screentime und Charaktertiefe zuzugestehen. Immerhin kam sie bislang kaum über die Rolle der “hervorragenden Pilotin mit frechem Mundwerk” hinaus. Insofern kann man dem Autor zugutehalten: Dieser Wunsch wurde erhört – und das ist grundsätzlich positiv. Allerdings sehe ich auch zwei wesentliche Kritikpunkte:
Erstens ist es wenig originell, Ortegas mit einem Trauma – konkret: einem Gorn-bedingten PTBS – auszustatten, um ihr Profil zu schärfen. Mit M’Benga haben wir bereits eine Figur mit posttraumatischer Belastung, mit La’an eine, die explizit ein Gorn-Trauma durchlebt. Dass nun auch Ortegas in diese Richtung geschrieben wird, spricht eher für Einfallslosigkeit als für kreative Charakterentwicklung im Writers’ Room.
Zweitens wäre La’an für diese Episode die deutlich passendere Wahl gewesen. Gerade weil sie so stark von den Gorn geprägt wurde, hätte ihre Konfrontation mit einem kooperativen Gorn der zentralen Botschaft – der “Entmonsterung” der Spezies – deutlich mehr Gewicht verliehen. Stattdessen inszeniert die Folge La’an als impulsive Kämpferin, die ausgerechnet in dieser Situation zur Waffe greift und damit jede Entwicklung ad absurdum führt, die man sich nach drei Staffeln für diese Figur gewünscht hätte. Aber dazu an anderer Stelle mehr.
Die Annäherung zwischen Ortegas und dem weiblichen Gorn wirkt zudem oft emotional, bleibt aber erzählerisch oberflächlich. Das merkt man schon daran, dass Ortegas nicht mal nach dem Namen des weiblichen Gorns fragt (oder ob es sowas bei den Gorn überhaupt gibt). Wäre das nicht ein erster logischer Schritt der Annäherung gewesen?
Ich will überhaupt nicht behaupten, dass mich die Episode kaltgelassen hätte – im Gegenteil: Es gab spannende und berührende Momente. Aber immer wieder hatte ich das Gefühl, dass entweder etwas fehlt oder an anderer Stelle übertrieben wird.
Besonders störend: Ortegas stellt zu keinem Zeitpunkt ernsthafte Fragen über die Gorn selbst. Wo kommen sie her? Wie leben sie? Gibt es familiäre Strukturen, eine Geschlechterordnung, religiöse oder kulturelle Überzeugungen? Welche Rolle spielt Technologie in ihrer Gesellschaft? Wie blicken sie auf die Föderation und die Menschen – und auf den laufenden Konflikt? Nichts davon wird auch nur ansatzweise thematisiert – lediglich der Umgang der Gorn mit “kaputten” – also kranken oder verletzten – Individuen. Die Sprachbarriere dient hier allzu offensichtlich als bequeme Ausrede, um sich einer tiefergehenden Auseinandersetzung gar nicht erst stellen zu müssen.
Zum Vergleich: In Episoden wie “The Enemy” oder “Initiations” bemühen sich Geordi und Chakotay zumindest, die Denkweise ihres Gegenübers zu verstehen und eine zwischenmenschliche – oder zwischenkulturelle – Ebene zu finden. Genau dieser neugierige, forschende Blick fehlt in “Terrarium” nahezu vollständig – und das ist angesichts der Gelegenheit, die sich hier geboten hätte, besonders bedauerlich.
Gerade diesen Blick der Gorn auf die Föderation, auf die Menschheit, bleibt uns die Serie bis heute schuldig. Stattdessen bestätigt “Terrarium” einen immer lauter werdenden Vorwurf: “Strange New Worlds” ist erzählerisch oberflächlich – und stellenweise sogar naiv und infantil. Dass Ortegas lieber Gesellschaftsspiele spielt, statt ernsthafte Feldforschung zu betreiben, ist symptomatisch für dieses Problem. Sie ist ausgebildete Sternenflottenoffizierin – und doch verhält sie sich eher wie eine Hobbyabenteurerin ohne wissenschaftliches Interesse. Der Wert einer echten Auseinandersetzung mit einem Gorn – mitten in einer Zeit des bewaffneten Konflikts – wäre kaum zu überschätzen. Möglicherweise könnten hier Erkenntnisse gewonnen werden, die tausende Leben retten. Doch davon keine Spur. Und das ist exemplarisch für ein zentrales Defizit vieler “NuTrek”-Produktionen: Der Fokus liegt fast ausschließlich auf der Mikroebene – den Emotionen und Konflikten einzelner Figuren –, während die Makroebene, also die größeren politischen, gesellschaftlichen und interkulturellen Zusammenhänge, weitgehend ausgeklammert bleibt.
Dass Ortegas so schnell Vertrauen zu dem Gorn fasst, wirkt ebenfalls unglaubwürdig. Es wäre durchaus plausibel gewesen, wenn die Beziehung einem domestizierten Raubtier ähnelte: lange ruhig, doch immer mit dem Risiko, dass instinktive Impulse plötzlich die Oberhand gewinnen. Doch auch das wird nicht reflektiert. Ortegas hinterfragt zu keinem Zeitpunkt, warum ihr Gegenüber so grundlegend anders agiert als andere Gorn. Liegt es nur an der Verletzung? Oder steckt mehr dahinter?
Als im Verlauf der Handlung deutlich wurde, dass beide beobachtet werden, keimte in mir die Hoffnung, es seien vielleicht die Gorn selbst – und der weibliche Gorn eine Art Außenseiterin, Dissidentin oder Gefangene, die sich von der gängigen Gorn-Gesellschaft losgesagt hat. Doch erneut wird diese Tür nicht einmal einen Spalt geöffnet. Stattdessen gräbt man mit den Metronen ein Konzept aus der TOS-Folge “Arena” aus – offenbar mit dem Ziel, wie mein Redaktionskollege Tom Götz treffend analysiert hat, die zahllosen Kanonbrüche von “Strange New Worlds” rückwirkend durch Metronen-Interventionen zu “erklären”. Sprich: Irgendwann löschen sie dann einfach Erinnerungen, Logbücher, Datenbanken – und alles ist wieder “kanontreu”.
Ganz ehrlich: Sollte es wirklich so kommen, hätte ich damit ein erhebliches Problem.
B-Handlung: Uhura und die „gute Lüge“
Ein echtes Ärgernis ist der Nebenhandlungsstrang auf der Enterprise. Das altbekannte „Wir haben nur ein kleines Zeitfenster für die Rettung“ kann man der Folge noch verzeihen – auch wenn dieses Narrativ mittlerweile reichlich überstrapaziert ist. Deutlich schwerer wiegt hingegen, wie sich Pike und Uhura verhalten.
Bei allem Verständnis für Uhuras jugendliches Alter und ihre Freundschaft zu Ortegas – auf der Brücke der Enterprise wünsche ich mir etwas mehr Professionalität und etwas weniger Tränen. Ja, man kann zu Recht kritisieren, dass Figuren in früheren Serien mit dem (vermeintlichen) Tod eines Crewmitglieds oft allzu gefasst umgegangen sind. Mir fallen da spontan etwa Datas scheinbarer Tod in “The Most Toys” (TNG 3×22 “Der Sammler”) oder Geordis Verschwinden in “The Next Phase” (TNG 5×24 “So nah und doch so fern”) ein – und wie schnell die Crew anschließend zur Tagesordnung übergeht, wenn auch im Kontext einer laufenden Krise. Aber: Muss das Gegenmodell wirklich aus ständigem emotionalem Zusammenbruch bestehen? Gibt es da keinen Mittelweg?
Was allerdings wirklich Kopfschütteln auslöst, ist die Tatsache, dass Uhura in dieser Folge bewusst Daten manipuliert – und dafür am Ende auch noch von Captain Pike bestätigt wird. Es ist nachvollziehbar, dass “Strange New Worlds” Pike einen anderen Kommandostil verleihen will als etwa Picard, Sisko oder Janeway. Aber der Grat zwischen empathischer Führungskraft und kompletter Autoritätsaufgabe ist schmal – und Pike überschreitet ihn inzwischen regelmäßig. Was einst als mitfühlende, moderne Führungsfigur eingeführt wurde, wirkt inzwischen eher zögerlich und entscheidungsschwach. So souverän Pike in der zweiten Staffel von “Discovery” angelegt war (auch wenn er sich dort schon von Burnham mitunter an die Wand diskutieren ließ), so konsequent wird seine Kapitänsautorität in “Strange New Worlds” Staffel für Staffel dekonstruiert.
Nicht falsch verstehen: Ich bin keineswegs der Meinung, dass Uhura sich bedingungslos unterordnen sollte. Kritik, Zweifel, emotionale Reaktionen – all das darf und soll es geben. Aber wenn sie Zweifel an den Ergebnissen der Computersimulation hat, sollte sie offen mit Pike sprechen und darauf vertrauen, dass er als Captain kein gefühlloser Paragraphenreiter ist. Stattdessen wird hier ein moralisches Dilemma umgangen, das eigentlich im Zentrum der Szene stehen müsste: Darf man lügen, um eine Freundin zu retten – und dafür die gesamte Crew oder sogar eine ganze Kolonie gefährden? Und wie sollte ein Vorgesetzter auf einen solchen Regelbruch reagieren? Doch statt diese Fragen zu stellen, drückt man sich um jede Konsequenz. Pike klopft ihr auf die Schulter – und weiter geht’s.
Solche Szenen untergraben nicht nur die interne Logik der Sternenflotte, sondern auch das Vertrauen in die Seriosität des Erzählens. Wenn Regeln und Prinzipien nur dann gelten, wenn sie gerade dramaturgisch passen, verliert das “Star-Trek”-Universum seine Glaubwürdigkeit.
Charaktere
Wie bereits erwähnt, überzeugt mich die Charakterentwicklung von Erica Ortegas in dieser Episode nicht. Einerseits lässt sie jene wissenschaftliche und kulturelle Neugier vermissen, die eigentlich zum Grundverständnis eines Sternenflottenoffiziers gehören sollte.
Andererseits wird ihre angeblich traumatische Belastungsstörung viel zu oberflächlich erzählt, um als glaubhaftes Charaktermerkmal zu funktionieren. Die bisherigen Hinweise auf ein Gorn-Trauma waren zu spärlich, als dass der Zuschauer den Eindruck gewinnen könnte, Ortegas sei tatsächlich psychisch stark belastet. Wie schon bei Captain Shaw in “Picard” scheint sich niemand ernsthaft darum zu bemühen, ihr psychologische Hilfe zu verschaffen. Das wirft kein gutes Licht auf die Sternenflotte.
Entgegen der angedeuteten Belastungsstörung bleibt Ortegas während ihres Aufenthalts auf dem Planeten aber weitgehend gefasst und ist sogar – fast schon naiv – vertrauensbereit. Die Darstellung ihrer PTBS wirkt verharmlosend – denn wer sich nur ansatzweise mit dem Thema befasst hat, weiß: Schon kleinste Sinneseindrücke wie ein Geräusch oder ein Geruch können Erinnerungen auslösen, zu Flashbacks führen oder gar eine Panikattacke auslösen. Von alledem keine Spur. Auch der Wandel in ihrer Haltung gegenüber dem Gorn vollzieht sich derart schnell und reibungslos, dass man kaum von einer echten inneren Entwicklung sprechen kann. Eine tiefere Auseinandersetzung mit ihren Ängsten, Zweifeln oder Vorurteilen findet schlicht nicht statt, weil es die oberflächlichen Dialoge auch nicht hergeben.
Was der Folge ebenfalls fehlt, ist eine konsequente emotionale Auflösung. Insbesondere eine Konfrontation zwischen Ortegas und La’an hätte der Episode gutgetan – gerade nach dem fatalen Ende auf dem Planeten. Ebenso fehlt ein klärendes Gespräch mit Pike und La’an. Muss man sich nun wirklich fragen: Schießt die Sternenflotte jetzt immer zuerst?
Auch Uhuras Handlungsbogen gibt Anlass zur Kritik – nicht nur wegen ihres moralisch fragwürdigen Verhaltens, sondern auch wegen der Auswirkungen auf Pike. Ihr Entschluss, Simulationsdaten zu manipulieren, um eine Rettungsmission zu erzwingen, ist nicht nur ein klarer Regelverstoß, sondern auch ein Ausdruck tiefen Misstrauens gegenüber ihrem Captain. Offenbar traut sie Pike nicht zu, eine Entscheidung mit Herz und Augenmaß zu treffen – und hält ihn für einen kalten Bürokraten, der Ortegas wegen ein paar fehlender Prozentpunkte aufgibt. Noch problematischer: Pike goutiert diese Lüge auch noch, anstatt sie zu hinterfragen – oder sich mit dem Vertrauensverlust auseinanderzusetzen, den Uhuras Verhalten impliziert.
So entsteht das fragwürdige Porträt eines Captains, der sich zwar durchsetzen möchte, in der Praxis aber immer wieder übergangen wird. Einer, der seine Autorität nicht einfordert, sondern abtritt – und das mit einem Schulterklopfen quittiert. Das ist nicht mehr empathisch, das ist schwach. So sehr ich Pike in “Discovery” geschätzt habe, so wenig überzeugt mich die Figur in “Strange New Worlds”. Seine Führungsstärke ist längst zu einer bröckelnden Fassade geworden.
Und dann ist da noch die moralische Fallhöhe, die sich durch die gesamte Serie zieht – und in dieser Episode besonders deutlich wird. In “What is Starfleet?” wurde uns ein Idealbild präsentiert: Die Sternenflotte als moralischer Leuchtturm, ihre Offiziere als ethisch überlegene Vorbilder. Ich habe diese Selbstinszenierung damals bereits als selbstgerechte Selbsterhöhung kritisiert – und fühle mich durch diese Folge in meiner Einschätzung bestätigt. Denn Uhuras Lüge, gefolgt von La’ans brutaler Reaktion, lassen dieses hehre Narrativ wie ein Kartenhaus in sich zusammenfallen.
Besonders ernüchternd fällt in dieser Hinsicht La’ans Darstellung aus. Sie war nie das moralische Gewissen der Crew – im Gegenteil: Ihre Härte, ihr Pragmatismus und ihre Bereitschaft zur schnellen Gewaltanwendung gehören seit jeher zu ihrem Charakterprofil. Doch gerade deshalb hätte sich in dieser Episode ein spannender Entwicklungspfad angeboten. Nach ihrer Teilnahme an Betos Dokumentation “What is Starfleet?”, in der sie explizit mit dem Spannungsverhältnis zwischen Gewalt und den Idealen der Föderation konfrontiert wurde, hätte man erwarten dürfen, dass sie zumindest einen inneren Reflexionsprozess durchläuft.
Doch genau das bleibt aus. Statt eines erkennbaren moralischen Dilemmas oder auch nur eines Moments des Innehaltens erleben wir eine La’an, die ohne Zögern zur Waffe greift, keinerlei Differenzierung vornimmt und den Gorn ohne Umschweife tötet. Kein Zögern, keine erkennbare Abwägung – und vor allem: kein sichtbarer Einfluss der Werte, die ihr nur kurze Zeit zuvor so eindrücklich vor Augen geführt wurden.
Diese Reaktion steht in scharfem Kontrast zu dem Bild, das “Strange New Worlds” gern von sich selbst zeichnet: jenes einer Serie, deren Crew als moralisch gefestigt, selbstkritisch und von den Prinzipien der Sternenflotte geleitet gezeigt wird. Doch genau dieses Selbstbild beginnt in Momenten wie diesen zu bröckeln. Wenn selbst eine zentrale Figur wie La’an keinerlei erkennbare Entwicklung durchläuft, sondern alten Handlungsmustern folgt, dann entlarvt sich das utopische Ideal als reine Rhetorik – ohne echte Konsequenz für das Handeln.
Inszenierung
“Terrarium” wurde von Andrew Coutts inszeniert, der auf visueller Ebene eine solide Arbeit abliefert. Die Oberfläche des Planeten ist stimmungsvoll eingefangen – sie wirkt bedrohlich und zugleich beeindruckend. Die dort auftauchenden Kreaturen hingegen bleiben leider recht generisch. Man hat schnell das Gefühl, sie schon zigfach in ähnlicher Form gesehen zu haben.
Ein stilistisches Problem ergibt sich aus dem Umgang mit Ortegas’ Einsamkeit: Über weite Strecken spricht sie mit sich selbst, was stellenweise etwas befremdlich wirkt. Natürlich muss der Zuschauer in solchen Szenen über Ortegas Gedanken und Wahrnehmungen informiert werden, aber es hätte elegantere Wege gegeben. Eine innere Stimme, vielleicht mit dezentem Hall-Effekt unterlegt, hätte deutlich glaubwürdiger gewirkt und die Atmosphäre insgesamt stimmiger gemacht.
Positiv hervorzuheben ist hingegen die Darstellung des weiblichen Gorn. Statt vollständig auf CGI zu setzen, wurde hier erfreulicherweise mit einem echten Darsteller im Gorn-Kostüm gearbeitet – eine Entscheidung, die spürbare Wirkung zeigt. Auch wenn mich Kapuze, Gangart und einige Bewegungsdetails (Finger!) stellenweise an E.T. erinnert haben, wirkte diese Version des Gorn deutlich näher an jenem aus der Originalserie. Ein guter Kompromiss! Dadurch entsteht eine gewisse physische Präsenz, die in rein digital animierten Kreaturen oft fehlt.
Die technologischen Requisiten der Gorn wiederum sind ein zweischneidiges Schwert. Man bemüht sich, sie fremdartig und gleichzeitig funktional erscheinen zu lassen – was grundsätzlich gut gelingt. Doch eine Frage bleibt für mich weiterhin ungelöst: Wie konnten die Reptiloiden mit ihren klauenartigen Händen überhaupt eine hochentwickelte Technologie erschaffen – womöglich mit komplexen Mikrochips und feinmechanischen Bauteilen? Gerade bei einer Spezies, die bislang fast ausschließlich über ihre animalischen Instinkte definiert wurde, fällt diese Diskrepanz besonders ins Auge.
Und damit sind wir auch wieder bei meinem zentralen Kritikpunkt: Gebt den Gorn endlich Kontext! Eine einfache Erklärung – etwa, dass sie Technologie von humanoiden Spezies auf ihrer Heimatwelt übernommen oder auf anderen Welten erbeutet haben – würde bereits helfen. Es braucht hier keine ausführliche Exposition, aber wenigstens einen Hinweis, dass hinter dieser Spezies mehr steckt als Klauen, Zähne und Raumschiffe.
Ein nettes visuelles Update haben auch die Metronen erhalten, ihre moderne Inszenierung ist in sich stimmig und fügt sich visuell sowie konzeptionell gut in das aktuelle Serienuniversum ein. Dennoch muss ich sagen: Ich hätte diesen Teil der Handlung schlicht nicht gebraucht. Die Rückkehr dieser übergeordneten Beobachter fühlt sich eher wie ein erzählerisches Anhängsel an, das bemüht ist, den Kanon zu bedienen oder zu reparieren, statt wirklich Substanz zum aktuellen Geschehen beizutragen. Für mich wirkte ihr Eingreifen weder notwendig noch dramaturgisch zwingend.
Schlussbetrachtung
“Terrarium” ist eine Episode, die durchaus ambitioniert ist – und dafür verdient sie auch Anerkennung. Vor allem der Versuch, das klassische “Monster-Narrativ” rund um die Gorn zu hinterfragen und durch eine empathischere Perspektive aufzubrechen, ist lobenswert und steht ganz in der Tradition humanistischer “Star-Trek”-Erzählungen. Ebenso begrüße ich, dass Erica Ortegas endlich ins Zentrum einer eigenen Folge rücken durfte. Ihre bisherige Randexistenz im Cast wurde zurecht vielfach kritisiert, und hier hat man zumindest den Versuch unternommen, der Figur mehr Tiefe zu verleihen.
Auf der inszenatorischen Ebene hat mich die Folge über weite Strecken überzeugt. Die fremde Welt ist atmosphärisch gestaltet, es gibt starke Schauwerte, spannende Momente und eine Handlung, die emotionale Resonanz erzeugt – insbesondere durch das Mitgefühl, das der Gorn im Laufe der Episode beim Zuschauer hervorruft.
Doch trotz dieser positiven Ansätze bleibt der Eindruck einer unausgereiften Umsetzung. Die Folge kratzt inhaltlich zu oft nur an der Oberfläche. Der kulturelle Kontext der Gorn wird erneut ausgespart, und damit bleibt ihre “Entmonsterung” auf einem rein emotionalen und individuellen Level – ohne tatsächlichen Einblick in Denkweise, Gesellschaft oder Geschichte dieser Spezies. Auch Ortegas’ Charakterentwicklung wirkt letztlich nur angedeutet, ohne echte Tiefe.
Noch gravierender fällt ins Gewicht, dass andere Figuren – namentlich Pike, Uhura und La’an – durch ihre Handlungen sogar an Profil und Integrität verlieren. Die moralische Botschaft der Serie, auf die sich “Strange New Worlds” gern beruft, wird hier spürbar untergraben.