Folge 6 bringt uns nicht nur die Rückkehr von Geordi La Forge, sondern auch die eines weiteren beliebten TNG-Charakters. Lest hier unsere ausführliche SPOILER-Rezension.
Handlung
Die Titan ist weiterhin auf der Flucht vor der Sternenflotte. Zunächst sammelt man Worf und Raffi ein, um dann zur Daystrom Station weiterzufliegen. Dort will man herausfinden, was die Wechselbälger neben der Portal-Waffe noch alles entwendet haben.
Riker (Jonathan Frakes), Worf (Michael Dorn) und Raffi (Michelle Hurd) beamen auf die Station und fürs Erste gelingt es auch, die dortigen Sicherheitsvorkehrungen zu umgehen. Doch als eine Patrouille der Sternenflotte auftaucht, muss die Titan nach Athan Prime fliehen und das Außenteam vorerst allein auf der Station zurücklassen. Diese scheint eine Art geheime Asservatenkammer von Sektion 31 zu sein, die neben verheerender Waffentechnologie auch die sterblichen Überreste von James. T. Kirk beherbergt. Als das Trio den Mainframe der Station betreten will, wird es von der dortigen K.I. in Gestalt eines Professor Moriarty-Hologramms (Daniel Davis) daran gehindert. Doch Riker erkennt, dass ein Teil der K.I. versucht, Kontakt aufzunehmen. Am Ende gelingt es, in den Mainframe vorzudringen. Dort finden sie den Soong-Golem M-5-10 (Brent Spiner), dessen positronisches Gehirn die Bewusstseine von Altan Soong, B-4, Lore, Lal und Data enthält.
Derweil versucht Picard (Patrick Stewart), seinen alten Freund Commodore Geordi La Forge (LeVar Burton) dazu zu bringen, ihm und der Titan zu helfen. Geordi ist aufgrund der Sorge um seine Familie zunächst zögerlich, hilft dann aber dabei, die Titan mit einer klingonischen Tarnvorrichtung auszustatten. Das Schiff kehrt daraufhin zur Daystrom Station zurück, um das Außenteam zu retten. Allerdings fällt Riker den Wechselbälgern in die Hände und wird von Captain Vadic (Amanda Plummer) verhört. Als sich Riker weigert, wichtige Informationen über die Titan und Jack preiszugeben, präsentiert ihm Vadic ihr Druckmittel: Es ist Rikers Ehefrau, Deanna Troi (Marina Sirtis).
Auf der Titan finden Picard und Co. mit der Hilfe von M-5-10 heraus, was die Wechselbälger von Daystrom Station gestohlen haben: den Leichnam des vor zwei Jahren auf Ghulion IV verstorbenen Jean-Luc Picard. Doch was haben die Wechselbälger mit ihm vor?
Drehbuch & Dramaturgie
Christopher Monfettes Drehbuch geht der Frage nach, welche Eigenschaften von den Eltern auf ihre Nachkommen übergehen. Und wie sich diese Vererbung später im Laufe des Lebens auf die eigenen Kinder auswirkt – im positiven wie im negativen Sinne. Wobei der Terminus Vererbung hier nicht nur im wörtlichen biologischen Sinne zu verstehen ist. Vielmehr geht es auch darum, welche Bedeutung die Kernfamilie für unseren Wertekanon und für unsere Persönlichkeitsentwicklung hat. Was gibt sie uns mit für unseren Lebensweg? Und wie verändern sich Denk- und Verhaltensweisen, wenn man eines Tages die Verantwortung für eine eigene Familie übernimmt?
Diese Fragen spiegeln sich in einigen der Figurenkonstellationen wider: Picard und Jack, Geordi und Sidney, Altan Soong und M-5-10, Seven of Nine sowie Riker und Troi. Ein weiteres Motiv ist ‘Wiedergeburt’, das sich u.a. bei Geordi, Data und Seven wiederfindet.
Der Episodentitel “The Bounty” wurde scheinbar kurzfristig um ein “the” ergänzt, da es bereits eine Folge von “Enterprise” (ENT 2×25) mit diesem Titel gibt. Jedenfalls spiegelt der Episodentitel oben genanntes Erzählmotiv wider, denn “bounty” kann auch “Gabe” oder “Geschenk” bedeuten. Wie so soft ist der Titel aber mehrdeutig, denn auch das klingonische Schiff aus “Star Trek IV”, dessen Tarnvorrichtung genutzt wird, wurde seinerzeit von Dr. McCoy auf den Namen H.M.S. Bounty getauft – in Anlehnung an die Kurzgeschichte “Meuterei auf der Bounty” (“Les Révoltés de la Bounty”, 1879) von Jules Verne (samt Buch-, Film- und Hörspiel-Adaptionen). Zudem heißt das englische Wort “bounty” auch “Kopfgeld”, was hier natürlich auf den Status der Titan anspielt, die in der Sternenflotte zum Meuterer und Outlaw geworden ist – auch weil sie Jack beherbergt.
Ich mag es, wenn Episoden ein Kernthema haben, das in Form von verschiedenen Handlungssträngen beleuchtet wird. Von dieser Warte aus betrachtet, erfüllt das Drehbuch also eine wichtige Grundbedingung, um eine runde Sache werden zu können. Nur leider vereint Monfettes Script auch dieses Mal wieder Genie und Wahnsinn in einem. Denn sowohl A- als auch B-Handlung sind gespickt mit einigen Logiklöchern und glücklichen Zufällen, über die ich nur schwerlich hinwegsehen kann. Da nützt auch die Extradosis Nostalgie-Opium nichts. Dem Drehbuch mangelt es demnach an so einigen Stellen leider an erzählerischer Plausibilität. Und auch an Ideenreichtum.
Hinsichtlich der Plot Holes stechen vor allem auffällig kurze räumliche und zeitliche Distanzen (Daystrom Station/Athan Prime), geradezu lächerlich wirkende Sicherheitsvorkehrungen einer angeblichen Hochsicherheitseinrichtung sowie merkwürdig passive Gegenspieler ins Auge. Die ganze Story funktioniert schlussendlich nur deshalb, weil die Sternenflottenschiffe, die auf die Titan angesetzt sind, scheinbar keinerlei Ambitionen haben, Shaws Schiff energisch zu verfolgen, sofern dieses die Flucht ergreift. Und auch Picards Plan zum Fleet Museum zu fliegen, macht höchstens mit viel Fantasie und sehr viel Wohlwollen irgendwie Sinn. Allerdings muss hierfür mal wieder die schiere Unwissenheit der handelnden Figuren Pate stehen. Denn scheinbar hat niemand (!) auf der Titan einen blassen Schimmer davon, wie das aktuelle Transpondersystem der Sternenflotte funktioniert. Dafür bedarf es dann Ensign (!) Alandra La Forge, um dies aufzuklären.
Leider setzt die B-Handlung auf Daystrom-Station hier sogar noch eine Schippe drauf. Um es mal auf den Punkt zu bringen: “Mission: Impossible” für Arme”. Oder auch “Indiana Jones auf der Suche nach dem geklauten Picard-Leichnam”. Ironischerweise macht dieser Teil der Handlung genau das, was In-Universe mit Picard passiert: Leichenfrevel. Da es dieser Serie offenkundig an Einfallsreichtum und Eigenständigkeit mangelt, muss der Autor dies abermals mit überbordender Selbstreferenzialität kaschieren. Das bietet zwar genug Stoff für ein YouTube-Video mit sage und schreibe 103 Easter Eggs, bringt dem an wirklich neuen und klug ausgetüftelten Geschichten interessierten Zuschauer aber keinen echten Mehrwert. Den (traurigen) Höhepunkt dieser erzählerischen Exhumierung bildet sodann die mittlerweile zweite Wiedergeburt von Data, auf die ich jedoch an anderer Stelle genauer eingehen werde.
Alles in allem kann ich dem Plot auf Daystrom Station nicht wirklich viel abgewinnen. Dafür ist die Handlung zu einfalls- und der Weg zum Mainframe zu anspruchslos. Leider verpufft dadurch auch der kurze Gastauftritt von Daniel Davis als Professor Moriarty, der außer ein paar Revolverschüssen und beleidigen Worten nichts zu bieten hat.
Zudem reiht sich die dritte Season von “Picard” mit “Die Bounty” leider auch in die Liste der Kaugummi-Staffeln ein. Denn anstatt die Handlung um die große Verschwörung weiter voranzutreiben (Hallo, es ist schon Folge 6!), verliert man sich auch hier wieder in zwei Familiendramen, die mitunter erzwungen (oder wenigstens aufgebauscht) wirken. Ich habe grundsätzlich überhaupt nichts gegen Familiendramen, aber wir sind hier nun einmal bei “Star Trek”. Irgendwann ist’s auch mal gut mit dem ständigen Gejammer, Geheule und Frustgesaufe. Ich will kluge Science-Fiction sehen. Science-Fiction, die auch mal wieder die Makroebene in den Blick nimmt und entsprechende gesellschaftskritische Kommentare formuliert.
Unter dem Strich bleibt festzuhalten: Das Drehbuch zu “Die Bounty” ist zwar kurzweilig und unterhaltsam, überzeugt mich auf der erzählerischen Ebene aber nicht wirklich. Zwar gibt es die ein oder andere nette Charakterszene, den ein oder anderen gut geschriebenen Dialog und den ein oder anderen flotten Wortwechsel. Am Ende ist dies aber zu wenig, um die die dünne Story auszubügeln. Kanon-Referenzen allein machen keine gute “Star Trek”-Episode aus – zumindest nicht für mich.
Charaktere
Picard & Jack
“Die Bounty” schreibt den Picard-Jack-Handlungsbogen weiter, dieses Mal mit dem Fokus auf Jacks bitterer Diagnose. Scheinbar (Restzweifel bleiben) hat er von seinem Vater jenen genetischen Defekt vererbt bekommen, der irgendwann zum Ausbruch des Irumodischen Syndroms führen wird. Wie wir alle wissen, ist das eine früher oder später tödlich endende Krankheit, die auch für den Tod von Picards biologischem Körper verantwortlich war.
Dieser Konflikt und die Dialoge, die sich daraus entwickeln, sind durchaus überzeugend. Das gilt insbesondere für das zweite Gespräch zwischen beiden gegen Ende der Episode in der Beobachtungslounge. Es ist nun einmal so, dass man nicht immer die Kontrolle darüber hat, was man vererbt oder vererbt bekommt. Aber es ist ein Trost zu wissen, dass auch stets gute Charakteristika darunter sind. Tatsächlich fand ich diesen Teil der Handlung eine erfreuliche Abkehr von dem sonst doch recht häufig mitschwingenden transhumanistischen Unterton der Serie: Wir alle sind nicht perfekt und müssen lernen, mit unseren Defiziten klarzukommen. Das ist eine sehr menschliche Botschaft der Episode.
Problematisch ist allerdings, dass dieser Charakterbogen enorm erzwungen wirkt. Denn es ist schwer zu glauben, dass die Ärztin Beverly Crusher bei ihrem Sohn Jack in all den Jahren nicht etwas genauer hingeschaut haben soll, was dessen DNA betrifft. Immerhin wusste sie schon in TNG und den Filmen über Picards genetische Defekte (Shalaft-Syndrom/Veranlagung zum Irumodischen Syndrom) Bescheid. Ich finde Dr. Crushers Textzeilen hier teilweise etwas naiv, fast schon esoterisch. Jedenfalls argumentiert sie hier nicht so, wie ich es von einer so erfahrenen Ärztin erwarten würde.
Geordi La Forge
Mit dieser Folge kehrt endlich auch LeVar Burton als Geordi La Forge zurück. Wie die übrigen TNG-Charaktere hat auch Geordi in den vergangenen 22 Jahren eine Charakterentwicklung durchlaufen. Er ist die Karriereleiter der Sternenflotte weiter hochgeklettert, sodass er nun hinter Picard der ranghöchste Offizier (Commodore) innerhalb der alten Enterprise-Crew ist. Viel wichtiger ist jedoch, dass er eine Familie gegründet hat. Das ist angesichts seiner Charakterzeichnung in TNG eine schöne Entwicklung für diesen Charakter. Gleichzeitig haben mich einige Aspekte an Geordi gestört.
So wirkt er in dieser Folge auf mich irgendwie extrem angespannt, dominant, arrogant und humorlos – also quasi das Gegenteil von dem, was ihn in TNG ausgezeichnet hat. Hoffentlich zeigt er in den übrigen vier Episoden noch die bekannten sympathischeren Charakterzüge. Worf und Riker sind Beispiele dafür, wie man Figuren weiterentwickelt, ohne sie zugleich unsympathisch wirken zu lassen. Geordi und Picard sind mir hingegen irgendwie fremd geworden.
Andererseits will uns die Episode – ebenso wie zuvor bei Riker – scheinbar auch einreden, dass sich ein Leben in der Sternenflotte und die Gründung einer Familie nicht wirklich miteinander vereinbaren lassen. Jedenfalls wird unterschwellig suggeriert, dass praktisch jeder Sternenflottenoffizier vom furchtlosen Entdecker zum Angsthasen mutiert, sobald sein erstes Kind geboren wird. Das kann man sicherlich so sehen. Nur steht es eben etwas im Widerspruch zum Leben auf der Enterprise-D, die auch Familien an Bord hatte. Und es konfligiert meiner Meinung nach auch mit Geordis eigener Lebensgeschichte, der selbst in einer Sternenflotten-Familie aufgewachsen ist und folglich denselben Emanzipationsprozess, den Sidney (Ashlei Sharpe Chestnut) gerade durchläuft, vor zirka 40 Jahren auch durchgemacht haben dürfte. Das schlägt sich aber leider fast gar nicht in den Dialogen nieder, was ich etwas schade finde.
Gestört hat mich zudem, dass sich auch Geordi hier unbedingt unter den Picard-Bashern einreihen muss. Ohne Picard-Blaming geht es in dieser Serie scheinbar nicht. Dabei ist sein Vorwurf an Picard, dieser habe dessen Tochter in Gefahr gebracht, völlig unreflektiert. Picard hat im Ryton-System ja keinen Urlaub gemacht, sondern die verletzte Beverly (und deren gemeinsamen Sohn) aus einer lebensbedrohlichen Situation gerettet. Gerade das müsste Geordi doch verstehen, so wie er sich hier als Helikopter-Daddy geriert. Überhaupt ist dessen Argumentation ziemlich dünn. Denn bei einer Verschwörung innerhalb der Sternenflotte nur die Hände in den Schoß zu legen, dürfte nicht verhindern, dass auch seine Familie früher oder später in Gefahr gerät.
Schön ist dann wiederum, wie es Sidney gelingt, ihren Vater umzustimmen. Nämlich indem sie ihn daran erinnert, was er seinen Töchtern einst beigebracht hat. Auch Geordi wird hier gewissermaßen ‘neu geboren’. Das fügt sich sehr gut in die Narration der Episode ein, auch wenn ich den Weg dorthin mitunter etwas zweifelhaft finde.
Kurzum: Den Konflikt zwischen Geordi und seiner Tochter Sidney ist in meinen Augen teils nachvollziehbar, teils etwas aufgebläht. Hier hätte ich mir mehr Bezug auf Geordis Familiengeschichte gewünscht. Einerseits, dass er seine eigene Emanzipation reflektiert. Andererseits hätte vielleicht auch ein Verweis auf den Verlust seiner Mutter vor 30 Jahren (TNG 7×03 “Das Interface”) diesem Vater-Tochter-Konflikt noch mehr Tiefe verliehen.
Der Konflikt mit Picard wirkt indes erzwungen. Scheinbar ist es ein grundlegendes Erzählkonzept dieser Serie, dass Picard früher oder später von seinen alten und neuen Weggefährten irgendetwas vorgeworfen bekommt – berechtigter- oder unberechtigterweise.
Worf & Riker
Für den humoristischen Part der Episode sind dieses Mal Worf und Riker zuständig. Hier werden alte TNG-Vibes erzeugt, indem man Worf mal wieder zum Zielobjekt von Rikers ironischen Kommentaren macht. Das hat tatsächlich Tradition, man denke nur an die beiden Filme “Star Trek: Der erste Kontakt” (“Sie wissen doch noch, wie man Phaser abfeuert?”) und “Star Trek: Der Aufstand” (“Ihr Klingonen macht wohl keine halben Sachen.”).
Worfs neuer Lebenswandel verblüfft Riker nicht nur, sondern fügt dieser Zweierkonstellation auch eine neue, sehr unterhaltsame Dynamik hinzu. Der ‘neue’ Worf wehrt sich nun gekonnter und davon nimmt auch Riker Notiz. Die kurzen, aber sehr unterhaltsamen verbalen Schlagabtausche zwischen Riker und Worf gehören in der Tat zu den Highlights der Episode. Wenn es nach mir ginge, hätte man das sogar noch etwas ausbauen können.
Im Episodenfinale greift man dann auf ein sehr beliebtes Erzählelement zurück. Riker wird gefangengenommen und mit Deanna erpresst. Letztendlich wird er also in jenes Dilemma gebracht, das auch Geordi so sehr fürchtet: Er muss sich zwischen seiner “echten” Familie und seiner Sternenflotten-Familie entscheiden. Das ist durchaus klug geschrieben.
Seven of Nine
Emotional richtig abgeholt hat mich die kurze Szene, in der Seven of Nine die Voyager auf dem Viewscreen betrachtet und Jack davon erzählt, was dieses Schiff und deren Crew ihr bedeuten. Die Voyager sei ihr “Zuhause” gewesen und deren Crew ihre “Familie”, der sie ihre “Wiedergeburt” als Mensch zu verdanken habe. Einfach nur WOW!!!
Auch hierin spiegeln sich die zentralen Erzählmotive der Episode wider. Für mich der Monolog der Episode!
M-5-10
Mir war schon vor drei Jahren klar, dass Data nicht wirklich tot sein kann, solange B-4 noch dessen Bewusstsein in sich trägt. Und da man keine “Star Trek: The Next Generation”-Reunion ohne Data machen kann, ist nun das eingetreten, was ich befürchtet hatte: Data wurde zum zweiten Mal zurückgeholt und existiert nun im Golem M-5-10 weiter. Allerdings muss er sich diesen Körper mit den Bewusstseinen von B-4, Lore, Lal und Altan Soong teilen.
Bezüglich dieser Wiederauferstehung hat sich die Serie leider mit Staffel 1 ins eigene Knie geschossen. Das größte Problem von “Star Trek: Picard” ist wohl, dass man es trotz kurzer Laufzeit von nur drei Staffeln (was von Anfang an feststand) versäumt hat, der Serie einen roten Faden von Folge 1 bis Folge 30 zu verpassen. Jede Staffel ist thematisch so individuell, dass die gesamte Serie auch noch nach 26 von 30 Episoden weitestgehend wie ein Stückwerk daherkommt.
Hätte die erste Staffel eine andere Geschichte erzählt, dann hätte ich Datas Wiedergeburt als Golem in Folge 26 wohl richtig bewegend gefunden. Angesichts von “Et in Arcadia Ego, Teil 2” (Folge 10) ist diese Rückkehr allerdings mehr eine Hypothek als ein echter Gewinn. Denn Data hatte damals ganz klar gesagt, dass er endlich sterben möchte. Altan Soongs Vorgehen ist daher sehr anmaßend. Aber das scheint irgendwie niemanden zu stören, auch Picard nicht.
Zudem wird die berührende Abschiedsszene zwischen Data und Picard, die mit der kompletten Löschung von Datas Bewusstsein endete, dadurch leider ad absurdum geführt. Und somit auch entwertet. Und das ist leider ein wiederkehrendes Manko von “Star Trek: Picard”: Die Serie spielt gerne mit Endgültigkeiten, fürchtet sich aber viel zu oft davor, diese dann auch konsequent umzusetzen. Und dadurch wirken viele dramatische Storylines eben auch oftmals aufgesetzt, sodass deren intendierte Wirkung beim Zuschauer am Ende mitunter ausbleibt.
Die nächste Next Generation
Eine wichtige Funktion der Episode besteht darin, die nächste Generation in Stellung zu bringen. Denn auch ‘Emanzipation’ ist ein zentrales Erzählmotiv in dieser Folge. Da sich “die Alten” lieber mit ihren Gefühlen beschäftigen, schreiten also die Jungen zur Tat.
Das ist grundsätzlich eine gute Idee, die meiner Einschätzung nach aber noch besser funktioniert hätte, wenn wir schon in den ersten fünf Folgen etwas mehr über Sidney und Alandra (Mica Burton) erfahren hätten. Vielleicht wäre auch hier eine Rückblende sinnvoll gewesen, so wie bei Picard und Jack vor zwei Wochen.
Überdies wird hier die nächste “Picard”-Romanze angedeutet. Zwischen Sidney und Jack dürfte es in den restlichen Episoden wohl noch gewaltig knistern. Auch wenn Geordi scheinbar was dagegen hat…😉
Vadic
Die Antagonistin, Captain Vadic, bleibt leider auch in Folge 6 enorm eindimensional und überzeichnet. Angesichts der Ankündigungen von Showrunner Terry Matalas ist Vadic – Stand jetzt – für mich die bislang größte Enttäuschung der neuen Staffel.
Deren Monologe haben bis auf klischeehafte Rache- und Gewaltfantasien nichts zu bieten. Gleiches gilt auch für ihren generischen Bösewicht-Habitus. Hier denkt man mit Wehmut an Antagonisten wie Gul Dukat, Kai Winn, Gul Madred, Sybok, General Chang oder auch Annorax zurück.
Inszenierung
Die zweite von Regisseur Dan Liu inszenierte Folge ist hinsichtlich Tempo und Spannungslevel gut ausbalanciert, bleibt im visuellen Bereich allerdings etwas hinter meinen Erwartungen zurück. So ist das durchweg dunkle Setting nach wie vor ein großes Ärgernis, weil dadurch auch einfach sehr viel vom gewohnten Star Trek-Flair verloren geht. Gerade im Vergleich mit “The Next Generation” und “Strange New Worlds” fällt dies in besonderem Maße auf.
Auch diese Folge wirkt wieder wie eine Bottle show, vollzieht sich die Handlung doch an nur wenigen Orten. Die meisten davon kennen wir bereits aus den ersten fünf Episoden. Von der Starbase sieht man eigentlich gar nichts, mal abgesehen von einem kurzen Blick in Geordis Büro. Nicht einmal eine Animation des Inneren wird uns hier spendiert. Das ist schade, aber dafür entschädigen wiederum die visuellen Effekte, die das Treiben im Weltraum zeigen. Die ‘Museumstour’ mit der Defiant, der Enterprise-A, der New Jersey, der Bounty und der Voyager sorgt einfach für Gänsehaut.
Die größte Enttäuschung der Episode ist Daystrom Station – erzählerisch wie optisch. Das Innere der Station ist in meinen Augen ein völlig uninspiriertes Set, dem eine digitale Erweiterung in Form einer LED-Wall sichtlich gut getan hätte. “Discovery” und “Strange New Worlds” haben da deutlich mehr zu bieten. Wenn ich hier mal den Vergleich mit “Das Duplikat” (TNG 1×13 “Datalore”) anlege, dann ist es TNG schon vor 35 Jahren mit deutlich geringerem Budget gelungen, ein weiträumigeres und somit glaubwürdigeres Setting dieser Art zu erschaffen.
Eines der Highlights der Episode ist mal wieder der Score von Stephen Barton, der u.a. die Themes von “The Original Series”, “Star Trek II: Der Zorn des Khan”, “Deep Space Nine” und “Voyager” aufgreift. Wunderschön!
Episoden-Infos
Serie | Star Trek: Picard |
Episoden-Nummer | 26 (Staffel 3, Folge 6) |
Originaltitel | The Bounty |
Deutscher Titel | Die Bounty |
Story & Drehbuch | Christopher Monfette |
Regie | Dan Liu |
US-Erstausstrahlung | 23. März 2023 |
DE-Erstausstrahlung | 24. März 2023 |
Laufzeit | 52 Minuten |
Datum (In-Universe) | 2401 |
On Screen: Serien-Podcast
Schaut mit uns gemeinsam, holt euch die Redaktion des TrekZone Networks auf die Fernsehcouch! Zu jeder Folge “Picard” gibt es bei uns einen Live-Kommentar. Wir klicken zur selben Zeit auf PLAY, und los geht’s!
Wartet nicht auf DVDs oder Blu-rays, bei uns werdet ihr direkt mit unnützem Wissen, Hintergrundinformationen und wilden Fantheorien versorgt.