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Recap: The Orville: New Horizons – Staffel 3

Heimlich, still und leise ist die beliebte Science-Fiction-Serie “The Orville” mit neuen Folgen ins deutsche Free-TV zurückgekehrt. TZN hat die neuen Episoden bereits im vergangenen Sommer rezensiert. Zum Deutschland-Start der neuen Staffel haben wir diese Einzelrezensionen für euch noch einmal in einem ausführlichen Staffel-Recap zusammengefasst. Vorsicht: SPOILER!

Staffel 3 aktuell auf ProSieben

Vielen dürfte es möglicherweise entgangen sein: ProSieben sendet die Episoden der dritten Staffel bereits seit dem 2. Januar 2023 – jeweils eine neue Folge pro Woche, immer montags um 22:30 Uhr.

Der Staffelstart wurde leider von keiner großangelegten PR-Aktion begleitet und auch der doch eher ungünstige Sendeplatz Anfang der Woche zu später Stunde lässt nicht unbedingt vermuten, dass der Münchner Privatsender der SciFi-Serie von Seth MacFarlane besondere Wertschätzung entgegenbringt. Auch Disney+ hat die Serie im deutschsprachigen Raum noch immer nicht im Angebot. Dafür hat Amazon Prime Video (Kaufoption!) die Episoden der dritten Staffel nun auch mit deutscher Tonspur im Sortiment (aber leider wohl nicht für diejenigen, die bereits das OV/OmU-Paket gekauft haben).

Sendetermine “The Orville” Season 3 auf ProSieben (Mo. 22:30 Uhr):

Angaben ohne Gewähr!

  • Mo. 02.01.2023: 3×01 “Elektrische Schafe”
  • Mo. 09.01.2023: 3×02 “Schattenreiche”
  • Mo. 16.01.2023: 3×03 “Das Sterblichkeitsparadoxon” (neuer dt. Episodentitel!)
  • Mo. 23.01.2023: 3×04 “Sanft fallender Regen”
  • Mo. 30.01.2023: 3×05 “Topas Verwandlung” (neuer dt. Episodentitel!)
  • Mo. 06.02.2023: 3×06 “Zweimal im Leben”
  • Mo. 13.02.2023: 3×07 “Aus unbekannten Gräbern”
  • Mo. 20.02.2023: 3×08 “Mitternachtsblau”
  • Mo. 27.02.2023: 3×09 “Domino”
  • Mo. 06.03.2023: 3×10 “Zukunft unbekannt”

UPDATE 23.01.23:  Season 3 ist jetzt auch auf Disney+ verfügbar. Die zehn neuen Episoden werden seit vergangener Woche im Wochentakt immer mittwochs veröffentlicht.

US-Start bereits im vergangenen Juni

Rund ein halbes Jahr mussten deutsche Fans auf die neuen Folgen warten, denn die dritte Staffel feierte in den USA bereits Anfang Juni 2022 Premiere. Wer nicht warten wollte, konnte die neuen Folgen über Amazon Prime Video kostenpflichtig zubuchen – für 2,99 Euro pro Episode oder für 19,99 Euro gleich das ganze Staffel-Paket.

Auch ich wollte damals nicht auf unbestimmte Zeit auf den Deutschland-Start warten, weshalb ich die Kaufoption nutzte und die neuen Folgen auch schon im Sommer rezensierte. So viel sei an dieser Stelle schon verraten: Die dritte Staffel ist insgesamt gelungen, die meisten Folgen machen nicht nur großen Spaß, sondern erreichen auch eine beachtliche Charaktertiefe. Zudem werden auch gesellschaftliche Themen mutig angesprochen und – für Science-Fiction so typisch – in verfremdeter Form reflektiert. So muss das sein!

Meine Episoden-Reviews können hier nachgelesen werden:

Mit Upgrade in die dritte Staffel

Aufgrund der Corona-Pandemie hat es ganze drei Jahre gedauert, bis “The Orville” mit einer neuen Staffel auf die Bildschirme zurückkehren konnte. Diese Pause hat man dann auch gleich für ein ausgedehntes Upgrade genutzt.

Unter anderem wurde der bisher verwendete Serientitel “The Orville” um den Zusatz “New Horizons” ergänzt. Auch die Sets wurden aktualisiert, das gilt insbesondere für die Kommandobrücke und den Maschinenraum. Dort (und auch in den Korridoren) wurden die Teppichböden entfernt und neue Computer-Konsolen installiert. Zudem wurde die Farbgebung von Beigetönen in ein Blaugrau gerändert.

Die Kulissen wirken nun noch eine Spur professioneller, stellenweise aber auch etwas steriler, ähnlich wie der Designwandel in “Star Trek” von der Enterprise-D (Beigetöne) hin zur Voyager (Grautöne). Vor allem aber der Maschinenraum hat durch dieses Upgrade an Glaubwürdigkeit und Schauwerten hinzugewonnen.

Erzählstil

Angesichts der wachsenden Konkurrenz im SciFi-Bereich sahen sich Seth MacFarlane und die anderen Autoren scheinbar dazu veranlasst, die Serie im dritten Jahr deutlich “seriöser” wirken zu lassen als noch in der ersten (und teilweise auch noch in der zweiten) Staffel. Durch diesen veränderten Erzählstil büßte die Serie zu Beginn von Staffel 3 leider etwas von ihrem humoristischen und optimistischen Flair ein.

Doch glücklicherweise kehrten im weiteren Verlauf der Staffel Humor und Optimismus an vielen Stellen wieder zurück. Unter dem Strich fand man hier nach meinem Dafürhalten eine sehr gute Mischung aus Drama und Comedy. “The Orville: New Horizons” wirkt in der Tat deutlich “erwachsener” als früher. Der zum Teil etwas infantil wirkende Klamauk der ersten Staffel wurde deutlich zurückgefahren, ohne dass die Serie zugleich ihr Herz und ihre Seele verloren hätte. “The Orville” ist es folglich gelungen, die Nische im Science-Fiction-Bereich (SciFi-Comedy-Drama) zu verteidigen und darüber hinaus auch in Sachen “seriöses” Storytelling zur Konkurrenz aufzuschließen. Das ist wirklich eine reife Leistung!

Diese “neue” Erzählweise wurde dann auch über die gesamte Staffel hinweg sehr konsequent umgesetzt. Alles in allem wirken die Episoden wie aus einem Guss. Querverweise auf vorherige Episoden der Staffel – oder sogar auf noch ältere Episoden – wurden gezielt und auch durchaus gekonnt eingesetzt.

Dieses erfreulich stringente Storytelling ist womöglich auch die Folge eines relativ kleinen, aber durchaus hochkarätig besetzten Writer’s Room. Neben Seth MacFarlane (49) hat auch das routinierte (ehemalige) “Star Trek”-Autoren-Duo Brannan Braga (57) und André Bormanis (63) vier Episoden beigesteuert. Hinzu kommt mit David A. Goodman (60) ein weiterer Routinier. Cherry Chevapravatdumrong (u.a. “Family Guy”) ist mit 47 Jahren die jüngste Autorin im Writer’s Room, hat aber ebenfalls zahlreiche nennenswerte Autoren-Credits vorzuweisen.

Man sieht also: Das Autorenteam von “The Orville” Season 3 bringt eine große Portion Erfahrung mit, was sich zweifelsohne auch in der (guten bis sehr guten) Qualität der Staffel-Drehbücher niedergeschlagen hat. Zwar gibt es hier und da auch das ein oder andere Plot Hole, aber insgesamt bewegt sich das alles auf einem völlig normalen Niveau. Zudem ist es sicherlich kein Nachteil, dass nicht jede der zehn Episoden auch von einem anderen Autor geschrieben wurde. Denn bekanntlich besteht sonst die Gefahr, dass zu viele Köche den Brei verderben.

Christopher, Janik und ich hatten zuletzt in unserem Podcast zu “Star Trek: Strange New Worlds” Staffel 1 darüber spekuliert, ob die relative Unerfahrenheit der zahlreichen Newcomer-Autoren in den aktuellen “Star Trek”-Live-Action-Serien womöglich ein Grund dafür sein könnte, dass sich die “NuTrek”-Episoden deutlich weniger an tiefgründige gesellschaftskritische Themen heranwagen (beziehungsweise diese auch nur recht oberflächlich ankratzen), als dies in den älteren Serien der Fall gewesen ist. Hier kann man natürlich nur spekulieren, aber die dritte Staffel von “The Orville” könnte durchaus ein Beleg dafür sein, dass die Autorenteams von “Star Trek” derzeit etwas mehr Erfahrung vertragen könnten.

Writer’s Room von “The Orville: New Horizons” – Season 3

  • André Bormanis (4 Folgen als Co-Autor)
  • Brannon Braga (4 Folgen als Co-Autor)
  • Cherry Chevapravatdumrong (1 Folge)
  • David A. Goodman (1 Folge)
  • Seth Mac Farlane (4 Folgen)

Handlungsbögen

Die dritte Staffel greift alle wichtigen Handlungsbögen der ersten beiden Staffeln wieder auf und entwickelt diese konsequent weiter.

Kaylon

Zu nennen ist hier unter anderem der Konflikt der Planetaren Union mit den Kaylon, der logischerweise auch großen Einfluss auf die Charakterentwicklung von Isaac hat (siehe unten). Der Kaylon-Arc ist für “Star Trek”-Fans sicherlich nichts, was vollständig neu wäre. In gewisser Weise spiegeln sich darin sowohl die Borg (TNG, VOY) als auch die Gründer (DS9) wieder. Die Anleihen sind meiner Meinung nach nicht von der Hand zu weisen. Und dennoch setzt “The Orville” hier durchaus eigene Akzente, die absolut spannend sind und auch zum Nachdenken anregen.

So werden u.a. die Ursachen für das – zunächst unüberwindlich zu sein scheinende – Misstrauen der Kaylon gegenüber allen Biologischen beleuchtet. Das ist geschickt gemacht, weil es beim Zuschauer Empathie erzeugt. An dieser Stelle finde ich das Storytelling von “The Orville” sogar noch effektiver als das in “Deep Space Nine”, denn die Gründerin erzählte damals nur davon, dass die Solids die Wechselbälger verfolgt und getötet haben. Wirklich zu sehen bekam man das nicht. Dahingegen verfehlt der in “Aus unbekannten Gräbern” ausführlich gezeigte Sadismus der “Erbauer” seine Wirkung nicht. Sogar Kinder beteiligen sich hier an der Erniedrigung der Kaylon!

Eine weitere Stärke dieses Handlungsbogens ist die Frage, inwiefern man den Kaylon als “Feinde” gewisse Eigenschaften absprechen kann, darf oder sollte: Sind sie “echte” Lebewesen? Haben auch sie eine unantastbare Würde? Ist die Auslöschung der Kaylon-Spezies wirklich als Genozid zu klassifizieren?

Über allem schwebt am Staffelende die Frage, ob der Einsatz von Massenvernichtungswaffen “ultima ratio” moralisch vertretbar ist oder nicht. Die historischen Anspielungen auf den Atomwaffeneinsatz in Japan 1945 sind hier gerade zu greifbar. Angesichts der Tatsache, dass Hiroshima und Nagasaki auch nach fast 80 Jahren noch immer einen blinden Fleck in der amerikanischen Geschichte darstellen, finde ich es wirklich bemerkenswert, dass sich “The Orville” hier an dieses Thema herangetraut hat. Und vor dem Hintergrund einer neuen atomaren Bedrohungslage zwischen Russland und der NATO gewinnt die Thematik “Massenvernichtungswaffen” leider auch hierzulande wieder an Relevanz.

Äußerst gelungen ist auch der Twist in der vorletzten Episode der Staffel. Diesbezüglich steht “The Orville” zweifelsohne in guter, alter “Star Trek”-Tradition: Ein offener Geist, ein aufrichtiges Bemühen um Verständigung und friedliche Koexistenz und eine gehörige Portion Empathie führen dazu, dass aus Feinden verbündete werden können. Ob das nun realistisch sein mag oder nicht, ist hier zweitrangig. Denn in der aktuell doch recht deprimierenden Weltlage ist eine solche Portion Utopismus doch eigentlich ein schöner Eskapismus!

Krill

Auch die Krill spielen in dieser Staffel wieder eine prominente Rolle. Nachdem es in Staffel 2 zunächst eine Annäherung zwischen den reptilienartigen Krill und der Planetenunion gab, wendet sich im Verlauf der dritten Staffel das Blatt erneut. Das Zweckbündnis gegen die Kaylon zerbricht, weil auf der Krill-Heimatwelt eine theokratisch-extremistische Revolutionsgruppe um Teleya (Michaela McManus) an die Macht kommt.

Dieser Handlungsstrang ist der schwächste der dritten Staffel. Offenkundig wollte sich die Serie hier kritisch mit reaktionären Kräften in den USA (vor allem mit dem “Trumpismus”) auseinandersetzen. Das ist grundsätzlich eine interessante Parabel, aber die Umsetzung war hier leider nicht optimal. Nach meinem Dafürhalten ist dieser Story-Arc nämlich viel zu plakativ – und leider auch viel zu unterkomplex. Populismus und Extremismus werden relativ undifferenziert in einen Topf geworfen und es werden (zumindest unterschwellig) deterministische Kausalzusammenhänge suggeriert, die ich nicht ganz unproblematisch finde. Kurzum: Man driftet hier einfach zu schnell in die übliche “La Terreur”-Story ab, anstatt uns einen differenzierteren Einblick in die Krill-Gesellschaft zu gewähren. Schade!

Zudem bedient der Handlungsstrang leider auch mittlerweile recht abgedroschene Klischees, wie etwa den Licht-Dunkel-Dualismus. Warum müssen eigentlich immer diejenigen Spezies böse sein, die besonders fremdartig aussehen und auf dunklen Welten leben? Dass man dieses Stereotyp auch mal durchbrechen kann, hat schon 1997 die “Voyager”-Folge “Nemesis” bewiesen.

Moclaner

Der Moclaner-Handlungsbogen ist eng mit der Charakterentwicklung von Topa, Bortus und Klyden verwoben. Schon in den ersten beiden Staffel war offensichtlich geworden, dass die misogyne Haltung der moclanischen Mehrheitsgesellschaft zu einem großen Problem für die Planetare Union werden könnte. Dieser Staffel-Arc ist neben dem Kaylon-Handlungsbogen für mich der stärkste der Staffel, weil er zwei Aspekte hervorragend herausstellt:

In gewisser Weise ist dieser Story-Arc nämlich eine kritische Auseinandersetzung mit dem Narrativ der sogenannten “westlichen Wertegemeinschaft”, hier am Beispiel der Planetaren Union. So zerbricht in Staffel 3 der innere Unionszusammenhalt aufgrund des Beharrens der Moclaner auf ihrem misogynen Weltbild. Gleichzeitig gehen die Moclaner später ein Zweckbündnis mit den Krill ein, obwohl deren Anführerin eine Frau ist.

Es sieht also zunächst danach aus, als sei die Wertegemeinschaft der Planetaren Union eine Illusion – pures Wunschdenken. In Wahrheit hält nur das gemeinsame Sicherheitsinteresse (Bedrohung aller Biologischen durch die Kaylon) die Union zusammen. In “Domino” wendet sich allerdings das Blatt und es wird offensichtlich, dass reine Zweckbündnisse eigentlich keinen Bestand haben und auch keinen dauerhaften Frieden herbeiführen können. Am Ende sind es dann eben doch die geteilten liberalen Werte, die dauerhaften (!) Frieden sichern können. Wobei hier auch die Frage aufgeworfen wird, ob es überhaupt so etwas wie “universelle Werte” geben kann.

“The Orville” ist bezüglich dieser Thematik erfrischend ehrlich und differenziert. Gleichwohl kann ich hier ein klares Statement für eine Wertegemeinschaft herauslesen. In diesem Kontext fragt die Serie aber auch danach, wann und wo Schmerzgrenzen der Toleranz erreicht sind. Anfangs macht man gegenüber den Moclanern ein Zugeständnis nach dem anderen. Doch als diese dann irgendwann Topa entführen und misshandeln (mit Tötungsabsicht!), ist das Maß endgültig voll. Am Ende steht die Frage: Was ist schlimmer: die eigene physische Existenz zu gefährden oder der Verlust des eigenen Wertekanons? Auch das ist ein spannendes Dilemma, das die Serie auch sehr umfangreich, tiefgründig und ernsthaft diskutiert.

Überdies stellt dieser Handlungsbogen die Frage, inwiefern wir als Individuum einem sozialen Determinismus unterworfen sind. Und ob wir diesen überwinden können. Was braucht es, damit man die durch die kulturelle Sozialisation internalisierten Werte, Normen und Auffassungen zu hinterfragen beginnt – und diese gegebenenfalls aufgibt, um sie durch “bessere” Werte, Normen und Denkweisen zu ersetzen? Bortus und vor allem Klyden lernen diese Lektion in der dritten Staffel.

Wirklich erstaunlich ist, wie effektiv das Autorenteam diese drei Handlungsbögen – Kaylon, Krill und Moclaner – am Ende miteinander verwoben hat. Das kam mir sehr durchdacht und wohl geplant vor.

Metamorphose, virtuelle Realität…und eine Zeitreise

Abgesehen von den drei übergeordneten Story-Arcs enthält die dritte Staffel auch Episoden, die relativ für sich allein stehen können.

“Schattenreiche” ist eine klassische Horror-SciFi-Story im “Alien”-Stil, aber gleichzeitig sind auch Anleihen aus “Star Trek” (u.a.  TNG 7×19 “Genesis”,  TNG 4×18 “Der unbekannte Schatten”, VOY 5×01 “Nacht”, DS9 3×26 “Der Widersacher”) erkennbar. Übrigens: Auch “Star Trek: Strange New Worlds” hat sich in Staffel 1 an ein solches Episodenformat herangetraut.

Die Metamorphose von Vizeadmiral Paul Christie mag vielleicht nicht besonders innovativ sein, aber unterhaltsam ist sie allemal.

In “Das Sterblichkeitsparadoxon” (zunächst: “Mortalitätsparadoxon”) durchleben unsere Helden eine surreale virtuelle Realität. Das ist klassisches Science-Fiction und macht Spaß, zumal hier auch wieder der liebgewonnene “Orville”-Humor aufkeimt.

“Zweimal im Leben” mag auf den ersten Blick vielleicht eine typische Zeitreise-Geschichte sein, doch tatsächlich hat diese Episode deutlich mehr zu bieten als das übliche Zeitlinien-Paradoxon. Diese Folge ist eine hochemotionales Charakterstudie, die wirklich bewegt.

In der letzten Folge der Staffel, die den Titel “Zukunft unbekannt” trägt, wird dann sogar noch der Handlungsstrang aus “Mehrheitsprinzip” (Staffel 1) wiederaufgenommen. Diese liebevolle Selbstreferenzialität ist ein weiteres großes Plus der Serie.

Charakterentwicklung

“The Orville” Season 3 steht ganz im Zeichen der Charakterentwicklung. Und das ist wohl auch die größte Stärke der dritten Staffel.

Charly Burke

Hierfür hat man sogar eigens einen neuen Charakter eingeführt: Ensign Charly Burke, gespielt von Anne Winters. Ensign Burke ist die neue Navigatorin an Bord, sie wird nach der Zerstörung der USS Quimby bei der großen Schlacht gegen die Kaylon auf die Orville versetzt. Charly hat ein persönliches Trauma im Gepäck, sie verlor bei jener Schlacht ihre große Liebe Amanda.

Zunächst von Hass und Misstrauen gegenüber allen Kaylon – vor allem aber gegenüber Isaac – geprägt, durchläuft Charly im Verlauf der Staffel eine tiefgreifende Wandlung. Sie gibt ihre Verweigerungshaltung auf und beginnt, ihren eigenen Hass zu hinterfragen. Sie öffnet sich für einen Perspektivenwechsel und erreicht so ein tieferes Verständnis für Isaac und die Kaylon insgesamt. Am Ende überwindet sie ihren Hass und verwandelt diesen in Nächstenliebe, indem sie sich für ihre Kameraden – und sogar für die Kaylon – opfert.

Charly Burke ist eine Metapher dafür, was Offenheit, Selbstreflexion und Empathie bei einem Menschen bewirken können. Ein wirklich grandioser Charakter-Plot, den “The Orville” in Staffel 3 erzählt.

Topa, Bortus & Klyden

Darüber hinaus dürfen sich auch die übrigen Charaktere weiterentwickeln. Hier ist zuvorderst Topa (Imani Pullum) zu nennen, die zu ihrer ursprünglichen weiblichen Geschlechtsidentität zurückfindet und dadurch aus den sozialen Zwängen der moclanischen Kultur ausbricht.

Ihre beiden Väter folgen ihrem mutigen Weg, wenngleich Bortus (Peter Macon) aufgrund seiner Erfahrungen mit den Menschen die diskriminierenden Strukturen seiner Kultur schneller zu hinterfragen beginnt als Klyden (Chad L. Coleman), der erst den Trennungsschmerz erfahren muss, um zu der Einsicht zu gelangen, dass nichts größer und wichtiger ist als die Liebe zu seinem Kind.

Dr. Claire Finn & Isaac

Besonders viel Raum bekommt in Staffel 3 die Liebesbeziehung zwischen Dr. Claire Finn (Penny Johnson Jerald) und Isaac (Mark Jackson), die nach dem (temporären) Verrat des Kaylon in Staffel 2 zerbrochen war. Beide finden nach intensiven Vorkommnissen, darunter ein Suizidversuch von Isaac, wieder zueinander.

Ich muss zugeben, dass ich diesen Story-Arc stellenweise als etwas zu extensiv, zu klischeehaft und auch zu unglaubwürdig empfunden habe. Ohne jeden Zweifel hat auch dieser Charakterbogen seine Momente (z.B. die Frage, woran man “wahre Liebe” erkennt), aber hier gilt das Motto: Weniger ist manchmal mehr. Außerdem wurde die Grenze zur kitschigen Schnulze hier stellenweise überschritten.

Dagegen kann Isaacs persönlicher Charakter-Arc voll überzeugen: Wie er mit seiner Schuld umgeht. Wie er wieder Anschluss an die Orville-Crew sucht. Wie er mit Charlys Wut und Hass umgeht. Und natürlich, wie er versucht, zwischen der Union und seinem Volk, den Kaylon, zu vermitteln. Stark!

Ed Mercer & Kelly Grayson

Selbstverständlich beinhaltet die dritte Staffel auch Charakter-Arcs für das Führungsduo der Orville: Captain Mercer (Seth MacFarlane) und Commander Grayson (Adrianne Palicki).

Doch während sich Kelly in Season 3 als treue Freundin, empathische Mentorin und fähige Unions-Offizierin auf der Brücke und im Außeneinsatz positionieren darf, steht der Captain der Orville überraschenderweise fast die ganze Zeit im Schatten seines XO. Lediglich der Umstand, dass Mercer mit der Krill Teleya eine gemeinsame Tochter (Anaya) hat, trägt zur Charakterentwicklung des Captains bei. Dieser Story-Arc hat großes Potenzial, das in Season 3 allerdings nur ansatzweise ausgeschöpft wurde. Ich hoffe doch sehr, dass das ein Indiz dafür ist, dass die Serie eine vierte Staffel bekommen wird.

Darüber hinaus hat Mercer aber auch den ein oder anderen guten Dialog, wenn es um moralische Fragen geht, etwa in Bezug auf den Umgang mit den Krill, den Moclanern und den Kaylon.

Es spricht gewiss für Seth MacFarlane, dass er für seine eigene Figur nicht übermäßig viel Erzählraum beansprucht. Und man muss es auch einfach so direkt sagen: MacFarlanes Talente liegen eher im Bereich des Schreibens und des Inszenierens und weniger im Bereich der Schauspielerei. Adrianne Palicki ist zweifelsohne die bessere Schauspielerin, sodass es auch der Serie zugute kommt, dass ihre Figur Kelly Grayson sehr viel Screen Time spendiert bekommt.

In einer der letzten Szenen der Staffel sieht es danach aus, als könnten die geschiedenen Eheleute Ed und Kelly vielleicht doch wieder zueinanderfinden. Auch hier gilt: Das war hoffentlich ein Teaser für Season 4 und kein “Happy End”-Schlusspunkt!

Gordon Maloy

Über zu wenig Screen Time kann sich auch Scott Grimes nicht beschweren, denn dessen Rolle Gordon Malloy bekommt in Staffel 3 sogar eine ganze Charakterfolge spendiert. Wobei das nicht überrascht, denn Scott Grimes ist womöglich auch der fähigste Schauspieler im Ensemble.

Und Maloy ist wohl auch der “menschlichste” Charakter an Bord, der viele Facetten hat und mit dem sich die Zuschauer einfach gut identifizieren können. Hinsichtlich seiner Charakterentwicklung ist es allerdings etwas schade, dass er sich an seine Familie aus der alternativen Zeitlinie nicht mehr erinnern kann. Somit geht eben auch der Impact dieses Ereignisses verloren.

John LaMarr & Talla Keyali

Diese beiden Figuren gehen hinsichtlich der Charakterentwicklung leider fast leer aus. Auch ihre (enorm!) kurze Romanze bringt die Figuren meiner Ansicht nach nicht merklich voran.

Bei LaMarr (J. Lee) ist das keine Tragödie, denn er hatte seine Entwicklung bereits in Season 1, als er zum Chefingenieur befördert wurde. Keyali wird hier zwar auch befördert, aber trotzdem bleibt diese Figur auch nach so vielen Episoden für mich leider immer noch ein großes Fragezeichen. Schade, vor allem für Jessica Szohr.

Inszenierung

Im Vergleich zu den ersten beiden Staffeln hat “The Orville” auf der visuellen Ebene noch einmal eine ganze Schippe draufgelegt. Was die visuellen Effekte betrifft, muss sich die Serie ganz sicher nicht vor den beiden Größen des Genres – “Star Trek” und “Star Wars” – verstecken.

Man merkt der Serie an, dass sie hinsichtlich der Inszenierung von Action-Sequenzen eine Mischung aus großen Raumschlachten à la “Star Trek” und Fighter-Raum-/Luftkämpfen à la “Star Wars” anstrebt. Was die Kameraführung betrifft, da hat “The Orville” eine angenehme Mischung aus “modern” und “klassisch” gefunden. Man verzichtet auf nervige Lens Flares oder ruckelnde Kamerafahrten, weiß Action-Sequenzen aber dennoch höchst dynamisch umzusetzen. Das sorgt für ein schönes Seherlebnis.

Ebenso wie die Drehbücher wirken auch die fertig inszenierten Episoden wie aus einem Guss. Man hat nicht das Gefühl, dass hier großartig herumexperimentiert wurde. Das kann man langweilig finden, ich hingegen bevorzuge eine solch einheitliche und somit auch verlässliche Inszenierung. Bemerkenswert ist an dieser Stelle, dass es in der dritten Staffel nur zwei unterschiedliche Regisseure gab: Seth MacFarlane und der sehr erfahrene John Cassar (64).

Regisseure von “The Orville: New Horizons” – Season 3

  • John Cassar
  • Seth MacFarlane

Bewertung der Einzelepisoden im Überblick

Bewertungsübersicht

Durchschnitt Einzelepisoden
Charakterentwicklung
Action & Effekte
Humor
Gesellschaftskommentar (Anspruch)
Kreativität der Geschichten

Fazit

Wie jede Staffel hat auch Season 3 von "The Orville" Höhen und Tiefen, wobei die guten und sehr guten Episoden deutlich überwiegen. Ein richtiger Rohrkrepierer war unter den zehn Episoden jedenfalls nicht dabei. Sicherlich haben die schon in Season 1 und 2 angeführten Kritikpunkte teilweise Bestand. Vor allem einer: Die Serie recycelt offenkundig alten Science-Fiction-Stoff (insbesondere aus "Star Trek"), ohne wirklich bahnbrechende neue Science-Fiction-Ideen einzuführen. Das kontrafaktische Historiendrama "For All Mankind" ist da sicherlich deutlich innovativer. Allerdings setzt "The Orville" hier auch stellenweise neue Akzente oder geht sogar noch ein Stückchen weiter in die Tiefe, als es zum Beispiel "Star Trek" getan hat. Die Serie füllt mitunter Leerstellen, die "Star Trek" etwas vernachlässigt hat. Zudem erzählt man hier gutes, emotionalisierendes Drama, ohne zugleich melodramatisch zu sein (siehe "Discovery"). Die Charaktere wirken - mal abgesehen von der gelegentlich intendierten humoristischen Überzeichnung - deutlich realistischer, nahbarer und sympathischer als in "Discovery" oder in "Picard". Auch wenn sich "The Orville" und "Strange New Worlds" in ihrem Erzählkonzept doch recht ähneln, finde ich Seth MacFarlanes Serie unter dem Strich bisher noch ein gutes Stück gesellschaftskritischer und vielschichtiger. Unterhaltsam sind aber beide Serien. Meine Empfehlung: unbedingt anschauen!
Matthias Suzan
Matthias Suzan
Matthias' Leidenschaft für "Star Trek" wurde 1994 mit knapp zehn Jahren durch "The Next Generation" geweckt. TNG und DS9 sind bis heute seine Lieblingsserien. Es sind vor allem die politischen, gesellschaftlichen und menschlichen Themen des Trek-Universums, die ihn faszinieren. Aber auch die vielen, tollen Raumschiffe haben es dem passionierten Modellbauer angetan. Matthias ist seit 2017 Teil der TZN-Redaktion.

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Fantastisch analysiert und geschrieben. Kann dem in allem zustimmen.
Hoffe das “The Orville” noch wenigstens eine Staffel mehr bekommt (gern mehr) und das diese auch so super sind wie Staffel 3.

Wie jede Staffel hat auch Season 3 von "The Orville" Höhen und Tiefen, wobei die guten und sehr guten Episoden deutlich überwiegen. Ein richtiger Rohrkrepierer war unter den zehn Episoden jedenfalls nicht dabei. Sicherlich haben die schon in Season 1 und 2 angeführten Kritikpunkte teilweise Bestand. Vor allem einer: Die Serie recycelt offenkundig alten Science-Fiction-Stoff (insbesondere aus "Star Trek"), ohne wirklich bahnbrechende neue Science-Fiction-Ideen einzuführen. Das kontrafaktische Historiendrama "For All Mankind" ist da sicherlich deutlich innovativer. Allerdings setzt "The Orville" hier auch stellenweise neue Akzente oder geht sogar noch ein Stückchen weiter in die Tiefe, als es zum Beispiel "Star Trek" getan hat. Die Serie füllt mitunter Leerstellen, die "Star Trek" etwas vernachlässigt hat. Zudem erzählt man hier gutes, emotionalisierendes Drama, ohne zugleich melodramatisch zu sein (siehe "Discovery"). Die Charaktere wirken - mal abgesehen von der gelegentlich intendierten humoristischen Überzeichnung - deutlich realistischer, nahbarer und sympathischer als in "Discovery" oder in "Picard". Auch wenn sich "The Orville" und "Strange New Worlds" in ihrem Erzählkonzept doch recht ähneln, finde ich Seth MacFarlanes Serie unter dem Strich bisher noch ein gutes Stück gesellschaftskritischer und vielschichtiger. Unterhaltsam sind aber beide Serien. Meine Empfehlung: unbedingt anschauen! Recap: The Orville: New Horizons - Staffel 3
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