Mick Joest von Cinemablend.com interviewte kürzlich Jeri Ryan. Nach “harten vier Jahren” auf der Voyager, so Ryan, habe sie durch “Picard” die Rolle der Seven of Nine mehr zu schätzen gelernt.
“Star Trek: Legacy” – wie stehen die Chancen für eine “Picard”-Fortsetzung?
Seit Monaten trommelt Showrunner Terry Matalas für eine Fortsetzung der “Star Trek”-Saga im 25. Jahrhundert. Wir analysieren, wie die Chancen dafür stehen.
Zweitrezension: Star Trek: Picard 3×09 – “Võx”
Heiß diskutiert wird über die neunte Folge von “Picard”. Auch Tom hat zu “Võx” eine ausführliche Meinung. Wie immer gilt: SPOILER-ALARM!
On Screen! Echtzeitbesprechung zu “Star Trek: Picard” 3×09 “Võx”
Unser Audio-Kommentar zu “Võx”
Lasst uns gemeinsam “Võx” schauen! Holt euch Christiane Gref und Michael Schuh ins Haus, um nochmal mit viel unnützem Wissen im Gepäck die neunte Folge der dritten Staffel “Star Trek: Picard” zu gucken. Wir schwärmen und lästern über Lieblingsszenen, analysieren Themen, Anspielungen und Easter Eggs und geben euch auch bemerkenswerte Infos und Triva über die Geschehnisse hinter der Kamera.

Rezension: Star Trek: Picard 3×09 – “Võx”
Der Prolog zum großen Staffel- und Serienfinale legt ein strammes Tempo vor, offenbart aber erneut viele erzählerische Schwächen. Langjährige TNG-Fans werden nach dem Anschauen von “Võx” ihren Bestand an Taschentüchern auffrischen müssen, denn die letzten zehn Minuten sind Nostalgie pur.
SPOILER!
Handlung
Die Zeit rinnt, denn der “Frontier Day” ist gekommen. In ihrer Counselling-Sitzung mit Jack findet Deanna heraus, dass Picards und Beverlys Sohn mit dem Borg-Kollektiv in Verbindung steht. Offenbar hinterließ Picards Assimilation vor 35 Jahren in seiner DNA einen geheimen Borg-Code. Dieser führte vor zwei Jahren zwar zu dessen vorzeitigem Tod, wurde vorher aber an Jack weitergeben. Und der hat sich nun zu einem mächtigen Assimilationswerkzeug der Borg entwickelt.
Als Picard Jack mit dieser Tatsache konfrontiert, flüchtet dieser mit einem Shuttle von der Titan, um sich der Borg-Königin zu stellen. Dort angekommen, wird Jack jedoch assimiliert. Er soll zu “Võx” werden, dem lang ersehnten Nachfolger von Locutus und die neue Stimme der Borg.
Doch es kommt noch schlimmer: Aufgrund ihrer Kooperation mit den Wechselbälgern ist es den Borg gelungen, die Transportersysteme aller Sternenflottenschiffe so zu manipulieren, dass alle Besatzungsmitglieder unter 25 Jahren per Fernsignal assimiliert werden können.
Die Titan fliegt sofort zur Erde, um Fleet Admiral Elizabeth Shelby (Elizabeth Dennehy) an Bord der Enterprise-F vor der drohenden Borg-Attacke zu warnen. Doch es ist bereits zu spät: Durch den neuen Flottenformationsmodus übernehmen die Borg binnen weniger Minuten die Kontrolle über alle Schiffe der Sternenflotte.
Da auch die Titan in die Hände der assimilierten jungen Generation fällt, darunter Geordis Töchter Alandra und Sidney, fliegen Picard, Riker, Geordi, Data, Deanna, Worf und Beverly mit einem Shuttle zum Flottenmuseum. Seven und Raffi bleiben auf der Titan zurück und müssen mitansehen, wie Captain Shaw im Kampf tödlich verletzt wird. Mit seinem letzten Atemzug erweist er Seven Respekt und überträgt ihr offiziell das Kommando.
Im Flottenmuseum angekommen, lüftet Geordi das bisher bestens gehütete Geheimnis von Hangar 12. Dort befindet sich eine nahezu vollständig restaurierte Enterprise-D. Nachdem man die Untertassensektion rund zehn Jahre nach ihrer Notlandung doch noch von Veridian III bergen konnte, begann Geordi mit deren Wiederherstellung. Die damals zerstörte Antriebssektion wurde durch die der USS Syracuse ersetzt.
Nachdem die Schiffssysteme hochgefahren und die Torpedorampen mittels Arbeitsdrohnen mit Photonentorpedos bestückt worden sind, verlässt die Enterprise-D das Museum und setzt Kurs auf die Erde. Das fast 40 Jahre alte Schiff, das im Gegensatz zu den modernen Schiffen der Flotte vollständig analog operiert, ist die letzte Chance der Sternenflotte auf Rettung […]
Drehbuch & Dramaturgie
Das Drehbuch von Sean Tretta und Kiley Rossetter weist eine enorme Ereignisdichte auf, die angesichts von lediglich 45 Minuten Laufzeit auch in einem sehr rasanten Tempo abgehandelt wird. Das ist zwar äußerst unterhaltsam, macht es einem aber auch nicht leicht, der Handlung an allen Stellen immer auch folgen zu können. Der narrative Input ist hier doch etwas zu unausgewogen, insbesondere im Vergleich mit den acht vorangegangenen Episoden, in denen die zentralen Handlungsstränge stellenweise etwas zähflüssig erzählt wurden. Hier folgt nun eine Enthüllung auf die nächste – teilweise mit fragwürdigen Erklärungen, teilweise gänzlich ohne eigentlich notwendige Erläuterungen.
Insbesondere die Ausführungen zu Picards DNA-Veränderung, zu Jacks Borg-Mutation sowie zur Manipulation der Sternenflotten-Transporter samt Wirksamkeit nach Alterszugehörigkeit, aber vor allem auch Shaws Tod hätten nach meinem Dafürhalten unbedingt entschleunigt werden müssen. Hinsichtlich der Frage, wie und warum es zu einer Allianz zwischen Borg und Wechselbälgern gekommen ist, macht sich “Võx” gar nicht erst die Mühe, den Zuschauern eine plausible Erklärung mit auf den Weg zu geben. Ich bin leider wenig optimistisch, dass dies in der letzten Episode noch nachgeholt werden wird.
Im letzten Drittel drückt die Episode dann endlich ein wenig aufs Bremspedal, was allerdings auch dem darin abgebrannten Nostalgie-Feuerwerk geschuldet ist. Das hat es aber in sich, denn die Rückkehr der Enterprise-D ist für eingefleischte Fans, allen voran für diejenigen, die mit “The Next Generation” aufgewachsen sind, der wohl emotionalste Trek-Moment seit 20 Jahren.
“Võx” ist eine enorme Herausforderung für jeden Rezensenten, denn das Pendel schwingt in dieser Folge besonders heftig zwischen den beiden Polen Fanservice und Erzählstringenz hin und her. Leider verliert sich auch die dritte Staffel mit dieser Folge wieder in recht unausgegorenen Superlativen, anstatt einfach mal eine kleinere, aber dafür gut konzipierte Geschichte zu erzählen.
Nein, es müssen auch hier wieder unbedingt die Borg sein. Zum dritten Mal in Folge sieht man sich nicht in der Lage, eine spannende Staffel-Storyline ohne Borg-Beteiligung zu erzählen. Aus der inneren TNG-Serienlogik macht dies gewiss Sinn, schließlich waren die Borg auch der gefährlichste Widersacher für Picard und seine Crew. Aber es gab eben auch schon vier Staffeln “Voyager”, die das Pferd namens Borg bereits vor 20 Jahren totgeritten haben. Und jetzt zeigt man uns den mittlerweile vierten Angriff der Borg auf die Erde.
Die mit “Voyager” begonnene und in “Picard” fleißig fortgesetzte Assimilierungsflut trägt die Einzigartigkeit von “The Best of Both Worlds” nun endgültig zu Grabe. War Picards damalige Assimilation noch ein Unikum mit massivem Impact, der diesen Charakter nachhaltige formte und neu definierte, ist eine Assimilation durch die Borg gut 30 Jahre später nur noch ‘business as usual’ in “Star Trek”. Nach Janeway und Tuvok sind nun eben Geordis Töchter mal dran. Am Ende wird deren Assimilierung dann aber wahrschlich auch keine schlimmeren Nachwirkungen haben als ein verstauchter Fuß.
Es ist erstaunlich, wie wenig Gespür die heutigen Verantwortlichen von “Star Trek” für die konstituierenden Mythen des Franchise besitzen. Und wie wenig Respekt sie ihnen entgegenbringen. Als ob man nicht auch mal neue Bedrohungen hätte erforschen können. Und wenn es unbedingt Selbstreferenzialität sein muss, warum nicht einfach “Conspiracy” (TNG 1×25) oder “Schisms” (TNG 6×05) aufgreifen?
Doch das Problem ist hier nicht nur das Überstrapazieren der Borg, sondern vielmehr der harte Bruch in der übergeordneten Erzählung der Staffel. Der Borg-Twist entwertet nämlich in gewisser Weise nahezu alles, was man bisher in dieser Staffel zu sehen bekommen hat. Die einst so mächtigen Wechselbälger erscheinen nur noch als plumpe Handlanger der wahren Bad Guys. Hier wurden zwei der größten “Star Trek”-Villains aller Zeiten zusammengebracht und man hat irgendwie das Gefühl: Das passt nicht so recht zusammen.

Lässt man sich trotz all dieser Kritikpunkte auf die Handlung ein, dann bereitet einem “Võx” aber durchaus Freude. Dafür sollte man allerdings (wie gewohnt) seinen kritischen Geist sehr weit runterdrehen. Denn wie in nahezu jeder Episode dieser Staffel tun sich auch in “Võx” so einige narrative Ungereimtheiten auf. Summe und Relevanz dieser Lazy-Writing-Auswüchse lassen mich auch in dieser Woche wieder an den Fähigkeiten – oder zumindest an der Gewissenhaftigkeit – des Writer’s Rooms zweifeln.
Ich will an dieser Stelle gar nicht auf alle Details eingehen, das ist wohl eher etwas für einen (mehrstündigen) Podcast. Nur so viel: Die Motivation von Vadic, eine Allianz mit den Borg einzugehen, steht ebenso auf tönernen Füßen wie die Begründung, warum die Borg Jack unbedingt durch die halbe Galaxis jagend mussten. Von der Naivität der Sternenflotte, ihre komplette Flotte für eine Parade zur Erde zurückzurufen und sich ferner der Gefahr einer zentralisierten Steuerung auszusetzen ganz zu schweigen. Auch die Frage, welchen konkreten Plan Picard mit der Enterprise-D verfolgt, bleibt vorerst unbeantwortet.
Die Schlüssigkeit des Erzählten ist und bleibt demnach die Achillesferse der dritten Staffel. Die Stärke dieser Einzelepisode liegt hingegen in ihrer guten Mischung aus Action, Drama und Humor. Der Entertainment-Faktor von “Võx” ist zweifellos im oberen Bereich anzusiedeln. Dennoch habe ich mich gefragt, ob die Episode nicht besser funktioniert hätte, wenn sie auf 60 Minuten gestreckt worden wäre, um so die ein oder andere kurze Verschnaufpause zu ermöglichen und auch gewissenhafter zu erklären.
Der Episodentitel “Võx” geht auf das lateinische Wort “vōx“ zurück und bedeutet “Stimme”. Das wird in der Episode auch erklärt. “Võx” soll der Borg-Name für Jack werden, den Sohn von Locutus (lat. “gesprochen”). “Võx” ist die mittlerweile fünfzehnte “Star Trek”-Episode, die auf ein lateinisches Wort beziehungsweise auf eine (wörtliche) lateinische Redewendung Bezug nimmt.
Charaktere & Dialoge
Da der Schwerpunkt von “Võx” auf diversen Enthüllungen, Action-Sequenzen und auf der liebevoll inszenierten Rückkehr der Enterprise-D liegt, müssen die Charaktere dieses Mal etwas kürzer treten.
Jack / Picard / Beverly
Die bedeutsamste Charakterentwicklung findet sich bei Jack, der den nächsten Schicksalsschlag verkraften muss. Nachdem er kürzlich noch eröffnet bekam, dass er früher oder später schwer am Irumodischen Syndrom erkranken wird, erhält er in dieser Episode nun die nächste niederschmetternde Diagnose: Er trägt eine Borg-Mutation in sich, die ihn zu einer Gefahr für die Allgemeinheit macht. Das bringt ihn aus der Fassung, sodass er sich entschließt, sich der Borg-Königin zu stellen und ihr zu zeigen, was für ein Mensch er ist. Sein Widerstand erweist sich dann aber recht schnell als zwecklos.
Jacks Dialoge mit Picard und auch mit der Borg-Königin haben einige gute philosophische bzw. sozialkritische Ansätze, werden aber leider in gewohnter “Picard”-Manier recht schnell wieder abgewürgt. Meinem Eindruck nach leiden diese Szenen auch etwas unter Ed Speleers Darstellungsweise. Schon in der letzten Woche fand ich ihn zwar überzeugend, aber eben auch hart an der Grenze zum Overacting. In “Võx” hat er diese Hürde leider gerissen. Ich könnte den Dialogen jedenfalls etwas mehr abgewinnen, wenn Jack nicht ständig voller Wut durch die Gegend brüllen würde.
Demgegenüber beschränken sich Picard und Beverly fast wieder nur auf Schuldgefühle und Selbstmitleid. Picard hadert mit seinen schlechten Borg-Genen. Und Beverly mit ihrer Fähigkeit, eine gute Mutter zu sein. Wobei hier angedeutet wird, dass sie am Ende eine medizinische Lösung für Jacks genetische Problematik finden dürfte.
Nicht ganz unproblematisch finde ich die Art und Weise, wie widersprüchlich Picard und Beverly hier agieren. Einerseits müssten sie in verzweifelter Sorge um Jack sein (jedenfalls war das doch das primäre Narrativ in den ersten acht Episoden), andererseits ist in den Schlussminuten der Episode davon kaum mehr etwas zu sehen. Da schwärmen beide nämlich recht gelöst von der Schönheit der Enterprise-D und Picard macht sogar noch einen Teppich-Witz. Das ist zwar sehr amüsant, passt aber so überhaupt nicht in die Dramaturgie der ersten 35 Minuten.
Captain Shaw
In Bezug auf Captain Shaw ist nahezu das eingetreten, was ich in meiner letzten Rezension prophezeit hatte: Shaw stirbt den Heldentod, nicht aber ohne finale Läuterung in den Armen von Seven.
Ganz ehrlich, das ist Klischee pur und dementsprechend so vorhersehbar, dass die angestrebte Wirkung dieses Charakters in meinen Augen weitestgehend verpufft. Warum muss eine solche Läuterung immer erst auf dem Sterbebett erfolgen?
Hätte Shaw bereits nach Folge 4 seine Fehler eingesehen, dann wäre diese Figur viel glaubwürdiger rübergekommen. Stattdessen hat man dessen Konflikt mit Seven, Picard und Riker künstlich in die Länge gezogen. Damit hat man sich aber leider um die Chance gebracht, eine solch tolle Charakterentwicklung zu erzählen wie die von Ensign Charly Burke in der dritten Staffel von “The Orville”.
Überrascht hat mich zudem der Umstand, wie unspektakulär Shaw hier den Tod findet. Ehrlich gesagt, hätte ich hier ein ähnliches Szenario wie das von Ro Laren erwartet.
“The Face” alias Borg-Königin
Eine der größten Enthüllungen der Episode ist die Identität von “The Face”, hinter dem sich offensichtlich die Borg-Königin verbirgt. Diese sieht man zwar nur von hinten, sie wird im englischen Original aber wieder von Alice Krige (68) gesprochen.
Die Borg-Königin macht deutlich, dass Jack noch bedeutsamer für das Kollektiv sein soll als seinerzeit Picards Locutus. Womöglich spielt die finale Episode von “Voyager” hier noch eine Rolle. Mal sehen.
Dennoch muss ich auch hier konstatieren, dass es schön wäre, wenn man nicht jede einzelne Borg-Story in dieser Serie so versatzstückartig behandeln würde. Mir fehlt hier schlicht die erzählerische Stringenz.
“The Next Generation”
Das Highlight auf der Charakterebene ist sicherlich die Reunion der NextGen mit ihrer Enterprise-D. Dieses legendäre Schiff gehört eben auch dazu, schließlich war die “D” der Mittelpunkt von 179 Abenteuern. Dagegen stehen nur drei auf der Enterprise-E. Aber die hat Worf ja ohnehin geschrottet…
“Võx” fängt die alte Figuren-Dynamik aus TNG hier super ein und auch die neuen Elemente wirken stimmig. Datas neuer Sarkasmus (“hoffentlich sterben wir schnell”) macht Spaß, bei Worf muss man aber wirklich aufpassen, den Bogen nicht zu überspannen. Ein Klingone ist schließlich kein Comic Relief. Nichtsdestotrotz sind die Worf-Szenen sehr amüsant.
Das einzige Problem, das ich hier sehe, ist tatsächlich der Kontext dieser Nostalgie-Parade. Einige lockere Witze wirken angesichts der Bedrohungslage und der Tatsache, dass Picard, Beverly und Geordi im gleichen Moment um das Leben ihrer Kinder fürchten müssen, schlicht deplatziert. Gerade vor dem Hintergrund, dass man Geordi zuvor noch als Helikopter-Papa gezeichnet hatte. Spaß macht die Reunion aber trotzdem.
Eine freudige Überraschung ist auch der Cameo von Elizabeth Dennehy als Fleet Admiral Elizabeth Shelby. Aber leider wird auch dieses Potential nicht ausgeschöpft und es bleibt bei der bereits bekannten Devise: “Bringt Gaststars aus TNG zurück, um sie sofort wieder umzubringen.”
“The Next Next Generation”
Höchst interessant ist der in dieser Episode latent mitschwingende Generationenkonflikt, der sich in dem Umstand äußert, dass Personen über 25 Jahren — allen voran die deutlich älteren Jahrgänge — scheinbar von den Assimilierungsversuchen der Borg oftmals verschont bleiben, während die Jungen zur leichten Beute für die digitalen Gleichschaltungsversuche der Borg werden. Das führt schließlich dazu, dass die Jungen die Alten bekämpfen.
Die ältere Generation trägt allerdings die eigentliche Verantwortung für diesen Konflikt, denn sie war es, die ihrem Nachwuchs die jüngsten Probleme — Rachegelüste der Wechselbälger (wegen einem nicht aufgearbeiteten Genozid-Versuch) sowie die gefährlichen Borggene — “vererbt” hat.
Ich habe mich gefragt, ob uns “Star Trek: Picard” hier womöglich eine Parabel erzählen möchte, die den aktuellen Generationenkonflikt im wahren Leben in klassischer Science-Fiction-Manier spiegeln soll. Dies zu ergründen, würde allerdings den Rahmen dieser Rezension sprengen, sodass ich an dieser Stelle auf unseren Podcast am Ende der Staffel verweise.
Inszenierung
Das auf zwei Episoden angelegte Staffel- und Serienfinale ist Chefsache, denn sowohl für die Inszenierung von “Võx” als auch für die von “The Last Generation” nahm Showrunner Terry Matalas im Regiestuhl Platz.
Hinsichtlich der Umsetzung des Drehbuchs ist Folge 9 im Vergleich zu den ersten acht Episoden ein regelrechter Quantensprung. Mit dem Borg-Schiff und natürlich auch mit der Brücke der Enterprise-D bekommen wir zwei eindrucksvolle und wunderschöne Kulissen im Retro-Stil präsentiert. Die Phase der Bottle Shows scheint nun endlich vorbei zu sein. Die Sets überzeugen und die visuellen Effekte sind grandios.
Die helle und bunte Enterprise-D-Brücke bildet einen schönen Kontrast zur dunklen Titan und fängt damit auch die Grundstimmung beider Epochen (2363-2370 bzw. 2401) sehr gut ein. Ich bin geradezu überwältigt davon, wie detailverliebt man die alte TNG-Kulisse zu neuem Leben erweckt hat.
Absolut gelungen ist auch das Wiedersehen der alten Crew mit ihrer ersten Enterprise. Das kann man eigentlich kaum besser inszenieren, außer vielleicht noch mit einem kleinen Rundflug ums Schiff als i-Tüpfelchen. Dramaturgisch (Anschalten der Lichter und Konsolen), dialogtechnisch (“wir sind die Crew der USS Enterprise…”), schauspielerisch und atmosphärisch (Kamerafahrten, Musik) entspricht das über weite Strecken dem, wie ich es mir in den vergangenen Monaten ausgemalt hatte. Ganz großes Lob an alle Beteiligten! Da bleibt bei jemandem wie mir, der mit TNG und vor allem wegen der Enterprise-D zum Trekkie geworden ist, kein Auge trocken. Auch wenn der Kontext dieser Szenen etwas suboptimal erscheint.
Und auch sonst gibt es an der Inszenierung der Episode nicht viel zu meckern. Matalas hat einige interessante Kamerafahrten und Schnitte zu bieten, die wir in dieser Form so noch nicht gesehen haben. Formal gesehen ist “Võx” also eine runde Sache.
On Screen: Serien-Podcast
Schaut mit uns gemeinsam, holt euch die Redaktion des TrekZone Networks auf die Fernsehcouch! Zu jeder Folge “Picard” gibt es bei uns einen Live-Kommentar. Wir klicken zur selben Zeit auf PLAY, und los geht’s!
Wartet nicht auf DVDs oder Blu-rays, bei uns werdet ihr direkt mit unnützem Wissen, Hintergrundinformationen und wilden Fantheorien versorgt.
Kurzrezension: Star Trek: Picard 3×09 – “Võx”
Lest hier unsere spoilerfreie Rezension zu Episode 3×09 “Võx” von “Star Trek: Picard”.
Zweitrezension: Star Trek: Picard 3×08 – “Unterwerfung”
Mit einer generischen Recapture-Story und einer gehörigen Portion Nostalgie beschließt Folge 8 den zweiten Akt der dritten “Picard”-Staffel. Lest hier unsere zweite SPOILER-Rezension.
Handlung
Vadic (Amanda Plummer) hat die Kontrolle über die Titan übernommen und stellt Jack (Ed Speleers) das Ultimatum, binnen zehn Minuten auf die Brücke zu kommen und sich zu ergeben. Als Jack dieser Forderung zunächst nicht nachkommt und stattdessen versucht, seine besonderen Kräfte einzusetzen, um die Kontrolle über das Schiff zurückzuerlangen, beginnt Vadic mit der Erschießung ihrer Geiseln. Derweil durchforsten auch Vadics Truppen das Schiff und töten dabei einige Besatzungsmitglieder.
Jack, Picard (Patrick Stewart), Beverly (Gates McFadden) und Geordi (LeVar Burton) sehen nur eine Möglichkeit: Sie müssen Data (Brent Spiner) dabei helfen, seinen inneren Kampf gegen Lore zu gewinnen. Anschließend könnte Data seine enorme Rechenkapazität dazu nutzen, um die Schiffssysteme wieder unter Kontrolle zu bringen. Doch Data droht den Kampf gegen seinen bösen Bruder ein und für alle Mal zu verlieren.
Unterdessen klären Will (Jonathan Frakes) und Deanna (Marina Sirtis) in der Arrestzelle der Shrike ihre anhaltenden Eheprobleme. Gemeinsam mit Worf (Michael Dorn) und Raffi (Michelle Hurd) gelingt beiden schließlich die Flucht. Mit dem getarnten Shuttle fliegen sie zur Titan, wo sie Picard und die anderen bei der Rückeroberung des Schiffes unterstützen.
Nachdem es Data gelungen ist, über Lores Bewusstsein zu triumphieren, übernimmt er die Kontrolle über die Schiffssysteme und befördert Vadic und die übrigen Wechselbälger auf der Brücke durch das Öffnen der Raumschotten ins All. Anschließend zerstört die Titan die Shrike vollständig.
Doch es bleiben nur noch wenige Stunden, bis der “Frontier Day” beginnt. Zweiundzwanzig Jahre nach ihrer letzten gemeinsamen Mission muss die Crew der alten Enterprise noch einmal alles daran setzen, die Föderation vor ihrem Untergang zu bewahren. Damit dies gelingen kann, muss Jack zunächst das Geheimnis lüften, das sich hinter seinen seltsamen Fähigkeiten verbirgt. In einer gemeinsamen Therapiesitzung mit Deanna will er der Sache auf den Grund gehen und das Mysterium der roten Tür erforschen…
Drehbuch & Dramaturgie
Das Drehbuch zur achten Episode stammt von Matthew Okumura, der in der zweiten Staffel gemeinsam mit Chris Derrick bereits das Skript zu “Hide and Seek” / “Das Versteckspiel” (PIC 2×09) verfasst hat. Okumura scheint auf Action-lastige Geschichten mit “endzeitlichem” Grundton spezialisiert zu sein, denn auch “Surrender” gefällt sich darin, Konflikte im Kontext einer Nullsummenlogik zu erzählen. Diese Erzählweise mündet sehr oft in einer extensiven Darstellung von Sadismus und letaler Gewaltanwendung und das ist auch hier der Fall. Thriller-, Horror- und Action-Fans kommen in dieser Episode also voll auf ihre Kosten.
Ich möchte an dieser Stelle gar nicht mehr großartig darauf eingehen, wie sehr ich es bedauere, dass von der einstigen humanistischen Botschaft und vielschichtigen Erzählweise früherer Iterationen in “Picard” fast nichts mehr übriggeblieben ist. Das ist mittlerweile auch gar nicht mehr zu leugnen. Mir geht es in dieser Rezension um einen ganz anderen Punkt: um das Fehlen einer authentischen Dramaturgie.
Da Geschichten, die auf einer Nullsummenlogik basieren, im Normalfall keine Grautöne zwischen Gut und Böse kennen, enden sie in der Regel auch stets so, wie sie angelegt sind: vorhersehbar und meistens auch eher einfallslos. Deshalb verfehlen auch die vermeintlichen Wendepunkte in der Handlung, wie etwa Datas nur wenige Sekunden andauernde Niederlage, ihre angedachte Wirkung als Überraschungsmoment. Man spürt zu jeder Sekunde, dass die Geschichte gleich wieder in die andere Richtung kippen wird. Eben weil diese Art von Episoden dazu neigen, ein Sklave ihrer simplen Logik zu sein: Am Ende gewinnen immer die Guten. Einen Mittelweg kann es gar nicht geben. Über allem schweben lediglich die beiden Fragen, wie teuer dieser Sieg erkauft werden muss und wie der Feind besiegt wird.
Folglich wirkt auch die Spannung von “Surrender” enorm künstlich. Sie ist nicht das Ergebnis eines cleveren Drehbuchs mit vielschichtigen Figuren, sondern einer simplen Nullsummenlogik, die man auch in etlichen mittelmäßigen Actionfilmen wiederfindet. Wenn dann auch noch der Weg zu diesem Sieg weitestgehend auf Lazy Writing basiert, dann kommt eben so eine austauschbare Folge wie “Surrender” dabei raus.
Mein erster Kritikpunkt bezüglich der Episode ist die wiederholte Einfallslosigkeit der Handlung. Da macht man eine eigene Serie für und über Jean-Luc Picard…ich wiederhole: JEAN-LUC PICARD! Und was zeigt man uns? Ein generisches Geiseldrama mit Recapture-Story, wie beides schon x-mal irgendwo erzählt worden ist. Wenn man dann auch noch bedenkt, dass “Star Trek” eine ähnliche Geschichte vor gerade einmal knapp zwei Jahren erzählt hat (DIS 3×12 “There Is A Tide…”/”Es gibt Gezeiten…”), dann muss man sich wohl besorgt die Frage stellen, ob das Franchise schon wieder an einem Punkt angelangt ist, wo die neuen Ideen fehlen. Ganz ehrlich, für mich ist das aus kreativer Sicht schon wieder die nächste Bankrotterklärung.
Aber anders als noch vor 20 Jahren kann man die breite Masse heutzutage mit aufgewärmtem Zeug scheinbar bei der Stange halten, sofern die Inszenierung stimmt. Darauf deuten zumindest die vielen gute Kritiken der Episode hin. Doch wie lange kann das funktionieren?
Aber auch aus handwerklicher Sicht hat mich die Episode nicht überzeugen können. Auch hier reiht sich wieder ein Plot Hole an das nächste. Die Episode nimmt sehr oft fragwürdige Abkürzungen, um zum Ziel zu kommen. Einige davon kann man sicherlich unter “business as usual” verbuchen – und auch verschmerzen. Dazu zählen nichtexistente Schutzschilde beziehungsweise Sicherheitssysteme an Bord der Shrike; ebenso wie die Tatsache, dass die Wechselbälger Riker und Troi nicht sofort getötet haben, nachdem diese wichtige Informationen preisgegeben haben. Aber einige andere Konstellationen sind einfach so auffällig unglaubwürdig und gleichzeitig so essentiell für die Handlung, dass man dem Autor hier wirklich fehlende Gewissenhaftigkeit – und wohl auch ein Mangel an Kreativität – vorwerfen muss. Hier mal eine Liste der schwerverdaulichen Plot Holes:
- Vadic hat die Schiffskontrolle, kann Jack aber trotzdem nicht auf die Brücke beamen – weder mit dem Transporter der Titan noch mit dem der Shrike.
- Vadic sagt ja selbst, dass sie die vollständige Kontrolle über die Umweltsysteme des Schiffes besitzt. Also warum flutet sie sämtliche Abteilungen mit Ausnahme der Brücke dann nicht einfach mit Anesthizingas?
- Picard, Beverly, Jack und Sidney können sich unbemerkt in der Krankenstation aufhalten, ohne dass mal ein Sturmtrupp der Wechselbälger auftaucht. Vadic weiß doch, wo Picard zuletzt gewesen ist.
- Der Weg zum EPS-Kontrollraum wird dann auch ohne Zwischenfall einfach so beschritten.
- Ist Picard nun ein Android/Golem oder nicht? Komischerweise hat Datas Golem viele Eigenschaften, die auch Datas alter Körper schon besaß. Aber Picards prositronisches Gehirn hat scheinbar weniger Rechenleistung und wohl auch keinen Kabelanschluss. Die Autoren schreiben sich ihr posthumanistisches Androiden-Gedöns immer so, wie sie es gerade brauchen. Ich find’s nur noch lächerlich und völlig unglaubwürdig. Man macht sich gar nicht erst die Mühe, eine gewisse In-Universe-Plausibilität herzustellen.
- Data ist hier vor allem ein sehr durchschaubares Plot Device. Auch hier zeigt man keinerlei Ambitionen, genauer zu erklären, warum Data so einfach die Kontrolle über das Schiff erlangen kann. Er kann es einfach. Alles geht schnell, schnell, schnell.
- Stichwaffen töten Wechselbälger, die sich verhalten wie unbeholfene Grobmotoriker. Matt Okumura ist wirklich ein Meister darin, dümmliche Antagonisten zu schreiben. Schon seine borgifizierten Elitesoldaten in “Hide and Seek” waren Slapstick pur.
Neben zahlreichen plumpen, nichtssagenden oder auch schlecht platzierten Dialogen gibt es tatsächlich auch zwei Gespräche, die einen gewissen philosophischen Gehalt aufweisen. Nämlich einerseits, als Troi und Riker über die Verarbeitung von Trauer reden. Und ein zweiter, in welchem Data Lore klar macht, worin eine Lebensleistung tatsächlich besteht.
Unter dem Strich muss ich aber leider sagen, dass diese Folge ähnlich schwach ist wie Episode 7. Das Drehbuch ist mir zu simpel gestrickt, nimmt zu viele leicht durchschaubare Abkürzungen und lässt somit schlicht Innovation, Präzision und Ernsthaftigkeit vermissen. Vieles wirkt einfach lustlos niedergeschrieben und das versucht man mal wieder mittels Action und Nostalgie zu kaschieren. Eine mittlerweile bekannte Masche, die bei nicht wenigen Kritikern aber auch zu funktionieren scheint.
Der Episodentitel “Surrender” ist erneut mehrdeutig und bezieht sich sowohl auf die Situation an Bord der Titan, auf Datas Kampf gegen Lore als auch auf Riker, der sich nach Thads Tod sprichwörtlich aufgegeben hatte. Insbesondere letzterer Aspekt sorgt bei mir mal wieder für Stirnrunzeln, was den deutschen Episodentitel “Unterwerfung” betrifft. Die psychologische Komponente des englischen Titels wird hiermit nämlich gar nicht erfasst. “Aufgabe”, “Ergebung” oder auch “Sichfügen” hätten hier besser gepasst, zumal “Unterwerfung” eigentlich auch “submission” entspricht.
Charaktere
Picard / Beverly / Jack
Die eigentlich angebrachte Aufarbeitung von Picards und Beverlys Mordgelüsten in Folge 7 bleibt hier leider (wie erwartet) aus. Und auch am Ende suchen beide erst gar nicht nach einem Weg, Vadic und ihre Leute unschädlich zu machen, ohne sie dabei auch zu töten. Abgesehen vom moralischen Aspekt hätte es hier auch Sinn gemacht, noch mehr Informationen aus Vadic herauszuholen. Oder es zumindest zu versuchen.
Insgesamt bleiben Picard und Beverly hier wieder enorm blass. Beide werden in ihrem Denken und Handeln erneut auf ihr Elternsein reduziert. Von deren jahrzehntelanger Erfahrung als hochdekorierte Sternenflottenoffiziere sowie deren Fähigkeit, das große Ganze in den Blick zu nehmen, ist hier kaum noch etwas zu sehen. Sie wirken abermals unreflektiert und auch passiv. Und diese Attitüden kratzen vor allem an Picards in TNG aufgebauten Image. Ähnlich blass wie seine Rolle bleibt leider auch Patrick Stewart, dessen Textpassagen aber auch die Genialität vergangener Tage vermissen lassen. Picard plätschert einfach so vor sich hin.
Großes Lob gebührt hingegen Ed Speleers, der seine Rolle als Jack abermals intensiv und glaubwürdig spielt. Auch wenn dessen Charakterbogen weiterhin nicht wirklich vorankommt, bleibt Jack einer der wenigen Lichtblicke dieser Episode.
Will & Deanna
Der Handlungsstrang um Will und Deanna hat Licht und Schatten. Gut gefallen hat mir der Versuch, das Thema Trauerbewältigung etwas genauer zu beleuchten – allen voran unter der Prämisse, dass Deanna als Betazoidin empathische Fähigkeiten besitzt. Dass man im Zuge eines Trauerprozesses keine Einzelstufen überspringen kann und jeder diesen Kampf am Ende allein ausfechten muss, egal wie sehr er von anderen dabei unterstützt wird, sind richtige Feststellungen.

Bedauerlicherweise zeigt “Surrender” kein aufrichtiges Interesse daran, diese Fragestellung genauer zu beleuchten. Zu TNG-Zeiten hätte man einem solchen Thema eine ganze Episode gewidmet (siehe TNG 7×07 “Dark Page” / “Ort der Finsternis”), hier läuft es aber nur so nebenbei. Folglich hält sich der Mehrwert der Will-Deanna-Aussprache auch in Grenzen. Aber immerhin mal ein Ansatz. Man gibt sich mittlerweile ja auch schon mit philosophischen Brotkrümeln zufrieden.
Hinzu kommen aber leider auch andere, teils enorm flache Dialogzeilen, die von Jonathan Frakes und Marina Sirtis auch nicht besonders leidenschaftlich und glaubwürdig gespielt sind. Insbesondere Sirtis zeigt in “Picard” die (in meinen Augen) fragwürdige Tendenz, die Figur Deanna Troi an ihren Real-Life-Charakter anzupassen. Wobei sie natürlich auch nur das spielt, was man ihrer Rolle ins Drehbuch geschrieben hat. Aber gleichgültig, wer nun dafür die Verantwortung trägt: Rollen sollten Rollen bleiben und nicht den Schauspielern auf den Leib geschrieben werden.
Die gesamte Szenerie leidet auch etwas darunter, dass Riker nach der Folter recht ‘stabil’ wirkt. Wenn man dessen Zustand mit dem von Picard in “Chain of Command, Part 2” / “Geheime Mission auf Celtris Drei, Teil 2” (TNG 6×11) oder von Worf in “By Inferno’s Light” / “Im Lichte des Infernos” (DS9 5×15) vergleicht, dann dürfte offensichtlich werden, worin mein Kritikpunkt begründet liegt. Man nimmt ihm nicht wirklich ab, dass er gefoltert wurde und ein entsprechendes Martyrium durchleiden musste.

Die neue Riker-Worf-Dynamik hat mir bisher zwar sehr gut gefallen, in “Surrender” bewegen sich Worfs Sprüche allerdings dicht an der Grenze zum Klamauk. Hier muss man aufpassen, dass Worf nicht zum Comic Relief degeneriert. Für mich war das etwas zu viel des Guten, zumal mir hier auch ein wenig der Kontext fehlt. Worfs und Deannas seltsame Kurzromanze liegt immerhin schon 30 Jahre zurück. Die humoristische Szene wirkt folglich etwas erzwungen.
Data & Lore
Der größte Lichtblick dieser Episode ist der Data-Handlungsstrang, der unter dem Strich aber besser geschrieben ist, als er am Ende inszeniert wurde.
Natürlich macht man es sich hier wieder sehr leicht, indem man den Widerspruch zu Datas Tod in Staffel 1 (und damit auch dessen Entwertung) mit einem lapidaren Satz einzukassieren versucht. Ja, ja, ist schon klar. Das war ein “anderer Data” und der hier will wieder lebendig sein. Das kann man sicher so schlucken, es beschädigt aber trotzdem die Erzählstringenz dieser mit lediglich 30 Episoden doch eher überschaubaren Serie. Mit Ruhm haben sich die Serienmacher hier ganz sicher nicht bekleckert. Aber das passiert eben, wenn man in jeder Staffel den Showrunner austauscht.
Sei’s drum. Wenn man sich auf Datas erneute Wiedergeburt einlässt, dann kann man tatsächlich Gefallen an den Szenen finden. Denn meinem Eindruck nach werden die nostalgischen Elemente hier durchaus konstruktiv eingesetzt. Im Vergleich zu früheren Episoden sind sie keinesfalls nur Selbstzweck im Sinne von reinem Fanservice. Vielmehr geht es beim Duell zwischen Data und Lore um die Frage, was den “Wert” eines Lebens ausmacht – ganz nach dem Motto: “Was lässt du Zählbares zurück, wenn du eines Tages stirbst?”
Auf der einen Seite behauptet Lore in seinem machiavellistischen Duktus, dass der Erwerb von Macht und das Ausüben von Dominanz entscheidend seien. Er sei von beiden die mächtigere Person und Data der Schwächere. Deshalb sei sein Leben wertvoller und er werde obsiegen.
Damit spielt Lore auf seine zweifelhafte Fähigkeit an, Kontrolle auszuüben und Angst zu verbreiten. Hier greift der Autor sehr geschickt auf die Erzählungen in TNG zurück. Denn die Kolonisten von Omicron Theta hatten in der Tat Angst vor Lore, ebenso wie die Crew der Enterprise (TNG 1×09 “Datalore” / “Das Duplikat”) und die Splittergruppe der Borg (TNG 7×01 “Descent, Part 2” / “Angriff der Borg, Teil 2”). Sogar Dr. Noonien Soong fürchtete sein eigenes Werk (TNG 4×03 “Brothers” / “Die ungleichen Brüder”).
Demgegenüber hat Data ein anderes Pfund, mit dem er wuchern kann: Er hat bei zahlreichen Personen einen positiven und seinen Tod überdauernden Eindruck hinterlassen, der sich hier in seinem angeblichen “Plunder” manifestiert: Data hat zeitlebens Wertschätzung, Freundschaftsgefühle und sogar Liebe erzeugt – bei seinen Kameraden von der Enterprise, bei seiner Tochter Lal und auch bei seiner Katze Spot. Und Lore neidet Data diese Lebensleistung, auch wenn er sich abfällig darüber äußert.
Passend zu den Feiertagen übermittelt “Surrender” hier eine sehr österliche Botschaft: Die Liebe ist das alles Entscheidende im Leben. Sie ist unbesiegbar. Sie überwindet das Böse…und sogar den Tod. Endlich mal ein Dialog mit philosophischem Gehalt!
Wäre der Ausgang dieses Duells zwischen Data und Lore einerseits nicht so verdammt vorhersehbar und andererseits auch visuell etwas liebevoller inszeniert worden (siehe Data in Staffel 1), dann hätte diese Szene noch mehr Wirkmächtigkeit entfalten können. Nichtsdestotrotz ist diese Auseinandersetzung für mich das Highlight der Episode. Zumal Lore auch nicht ausgelöscht, sondern in Data integriert wird. Endlich mal eine Stelle, an der die Nullsummenlogik durchbrochen wird.
Schön ist auch die Szene zwischen Data und Geordi, die aber gerne noch etwas emotionaler hätte sein können. Etwa durch eine Umarmung der beiden, die nach über 30 Jahren Freundschaft endlich mal fällig wäre. Leider lässt auch die deutsche Siezerei die Szene sogar noch etwas hölzerner wirken.
Worf & Raffi
Worf und Raffi sind in dieser Folge neben Data ein weiteres Plot Device, um der Geschichte die angedachte Richtung zu geben. Das Drehbuch macht sich keinerlei Mühe, deren Handeln und Wirken irgendwie zu plausibilisieren. Sie sind in Folge 6 ziellos fortgeflogen und kommen jetzt natürlich genau im richtigen Moment wieder zurück. Noch nicht einmal für eine kurze Szene im Shuttle hat es gereicht. Aber das hätte ja auch die ach so “unerwartete” Rettungsszene auf der Shrike kaputtgemacht.
Auch an dieser Stelle muss ich leider knallhart konstatieren: klischeehaft, vorhersehbar und dazu noch schwach inszeniert.
Und auch die Neckereien zwischen Worf und Raffi beginnen langsam, ihren Reiz zu verlieren. Man sollte eine Pointe einfach nicht überstrapazieren – vor allem nicht, wenn sie einer Situationskomik entspringt.
Zu Raffis Martial-Arts-Einlage will ich gar nicht mehr viele Worte verlieren. Das ist so derart Mainstream, dass ich nur den Kopf schütteln kann. Im Kontext mit Formwandlern (!!!) wirkt es dann leider auch noch extrem lächerlich. Einer der Tiefpunkte der gesamten Episode.
Seven & Shaw
Auch nach acht Folgen bleibe ich bei meinem Urteil: Der im Netz scheinbar sehr beliebte Liam Shaw ist in meinen Augen eine eher schwach geschriebene Figur mit zweifelhafter Funktion. Mal abgesehen davon, dass ich seine Background-Story (34 Jahre traumatisiert und trotzdem bis zum Captain aufgestiegen) wenig überzeugend finde, stört es mich auch enorm, dass angedeutete Charakterentwicklungen offenkundig nicht in die nächste Folge mitgenommen werden. Dieses Muster zieht sich leider durch die gesamte Staffel. Keine “Teambuilding”-Maßnahme hat es scheinbar vermocht, Shaw auf den richtigen Pfad zu bringen.
Erst war seine Gehässigkeit gegenüber Picard und Riker ungebrochen, nun wohl auch seine Respektlosigkeit gegenüber Seven. Die spricht er hier nämlich immer noch mit “Hansen” an, obwohl er doch schon in Folge 4 seine Zustimmung signalisiert hatte, als Seven ihm klar machte, dass sie mit Seven of Nine angesprochen werden möchte (O-Ton Shaw: “Find ich gut.”). Also entweder ist Shaw dumm und hat das damals nicht gecheckt. Oder er ist ein ignoranter Arsch, dem es völlig egal ist.
Ich tippe vielmehr auf Erklärung #3: Shaw muss – ungeachtet seiner Entwicklungen in den Einzelepisoden – das machen, was die Dramaturgie der Staffel vorgibt. Soll heißen: Er muss unbedingt bis zur letzten Folge als Arsch gezeichnet werden, damit wir später in Tränen ausbrechen können, wenn er sich in einem letzten Akt seines Lebens “zum Guten” bekehrt und dann durch sein Selbstopfer auch noch seine Überlebensschuld seit Wolf 359 überwindet. Wollen wir wetten?

Nach meinem Dafürhalten ist diese Figur in ihrem Reden und Tun einfach enorm widersprüchlich. Einerseits wirft Shaw Seven vor, dass sie ihn nicht geopfert hat (Turbolift in die Luft jagen), um die Crew vor der Geiselnahme zu bewahren. Andererseits guckt er tatenlos zu, wie Vadic seine Brückenoffiziere mit dem Tode bedroht und schließlich auch seinen Wissenschaftsoffizier exekutiert. Warum bietet er sich in diesem Augenblick nicht wenigstens als erstes Erschießungsopfer an, wenn ihm seine Crew so wichtig und seine Verantwortung so heilig ist? Stattdessen pfeift er die mutige Seven zurück.
Also für mich hat Shaw wirklich nichts, was einen Sternenflotten-Captain auszeichnet. Er ist sowohl im zwischenmenschlichen Bereich als auch in Sachen Leadership eine absolute Null. Und das sage ich mit der Erwartung, dass man diesen Eindruck im Staffelfinale mit großer Wahrscheinlichkeit ins Gegenteil verkehren wird. Und tatsächlich kann nur ein Heldentod diese verkorkste Figur noch retten. Für mich stellt sich in einem solchen Fall dann aber die Frage, wie gut es geschrieben ist, wenn man es schon jetzt erahnen kann.
Lange Rede, kurzer Sinn: Auch die Seven-Shaw-Beziehung tritt unnötigerweise auf der Stelle. Es langweilt mich, wenn man zehn Folgen lang denselben Konflikt zwanghaft durchschleift und man als Zuschauer deshalb schon erahnen kann, wie es am Ende ausgehen könnte. Gleiches galt auch für die Beziehungskrise zwischen Raffi und Seven in der zweiten Staffel. Dieser Story-Arc war doch so vorhersehbar wie der Meisterschaftskampf in der Fußball-Bundesliga.
Vadic & Konsorten
Das wohl größte Problem der Episode ist jedoch der Umstand, dass die Handlung in der Summe von enorm schwachen Gegenspielern getragen wird. Denn während Vadic wenigstens noch etwas Profil erhält, bleiben ihre Unterstützer durch und durch klischeehafte Nullachtfünfzehn-Bösewichte ohne jedweden eigenen Charakter. Sie sind so eindimensional geschrieben, dass sie in der Handlung auch kein wirkungsmächtiger Faktor sein können, um der Geschichte eine unerwartete Wendung geben zu können.
Ich erinnere an dieser Stelle an die DS9-Episode “Das winzige Schiff” (DS9 6×14), die ebenfalls eine Rückeroberungsgeschichte an Bord der Defiant erzählt. Damals hatten wir allerdings in der Gruppe der Antagonisten, den Jem’Hadar, zwei eigenständig profilierte Gegenspieler: Kudak’Etan sowie dessen Stellvertreter Ixtana’Rax. Beide Jem’Hadar hatten eine spannende gemeinsame Hintergrundgeschichte, die eine Figurendynamik begründete, die der Dramaturgie der Episode zum Vorteil gereichte. Um es kurz zu machen: Indem die beiden Autoren Bradley Thompson und David Weddle ihren Bad Guys seinerzeit Tiefe und Konflikt ins Drehbuch schrieben, führten sie ein zusätzliches Spannungselement in die Story ein. So blieb bis zum Schluss die Frage offen, ob es Captain Sisko gelingen wird, die beiden Jem’Hadar gegeneinander auszuspielen. Am Ende erwies sich die Bedeutung dieses Konflikts als sekundär, denn die Lösung lag in der geschrumpften Rubicon. Allerdings wurde die Episode dadurch spannender, da sie auf verschiedenen Ebenen erzählt wurde und unterschiedliche Ausgänge möglich machte.
Und genau das fehlt mir hier in “Surrender”. Am Ende hängt alles nur an Vadic und das macht die gesamte Dramaturgie leider recht eindimensional. Lore ist kein echter Faktor, denn es ist ausgeschlossen, dass Data hier ein drittes Mal sterben wird. Und unter den übrigen Formwandlern gibt es keinen eigenständigen Akteur, der für Vadic zum Problem werden könnte. Man denke in diesem Zusammenhang auch mal an Figuren wie Annorax und Obrist (VOY 4×09 “Ein Jahr Hölle, Teil 2”), Dukat, Weyoun und Damar (DS9 Staffel 6 und 7) oder auch an Ru’afo und Gallatin (“Star Trek: Der Aufstand”). Dort waren spannende Dynamiken im Lager der Antagonisten vorhanden.
Homogene Gegenspieler führen hingegen sehr oft zu eindimensionalen Erzählweisen. Und genau daran krankt auch diese “Picard”-Folge. Wenn man schon zum x-ten Mal eine solche Geschichte erzählt, dann muss man wenigstens auch die Gegenseite etwas diffiziler anlegen. Hier bleibt es aber mal wieder bei einer sehr einfach gestrickten Erzählweise, die lediglich von Vadics Wahnsinn lebt. Mir ist das zu wenig.
Überrascht hat mich allerdings die Tatsache, dass Vadic schon in Folge 8 den Tod findet. “The Face” wird in den letzten beiden Folgen wohl selbst aktiv werden müssen. Und das ist auch zu begrüßen.
Enttäuschend ist wiederum die ziemlich unspektakuläre Zerstörung der Shrike, die uns vorher noch als Super-Kriegsschiff verkauft wurde. Passt nicht so ganz.
Inszenierung
Die Inszenierung von Regisseurin Deborah Kampmeier folgt der Blaupause eines typischen Actionthrillers. Für echte Kreativität bleibt bei dieser gefühlt achten Bottle Show am Stück aber leider nicht viel Raum. Lediglich die Eröffnungsszene dürfte mir hier in Erinnerung bleiben, alles andere ist die übliche Standardkost.
Besonders enttäuschend ist die Darstellung von Datas Bewusstseinskampf vor einem generischen weißen Hintergrund, der wahrscheinlich an Siskos Bewusstsein in “Deep Space Nine” oder auch an Picards “Todeserfahrung” in “Tapestry” / “Willkommen im Leben nach dem Tod” erinnern soll. Eine bekannte Kulisse aus Datas persönlichem Umfeld, vielleicht sein Quartier auf der Enterprise-D, die 221B Baker Street-Simulation aus TNG oder auch Soongs Labor auf Omicron Theta, hätte der Szene sicherlich gutgetan.
Und auch Vadics Tod kann das sonst so hohe CGI-Niveau der übrigen Staffelepisoden nicht wirklich halten. Gelungen sind hingegen alle Szenen, in denen Jack ins Bewusstsein von anderen Personen eindringt.
Die letzten Minuten der Episode stehen dann wieder ganz im Zeichen der Nostalgie, wenn die alte TNG-Crew nach 20 Jahren (22 Jahren in-universe) wieder zusammen am Konferenztisch sitzt. Obwohl ich mir diese Szenen in den letzten Monaten mehrmals im Geiste vorgestellt hatte, hat sie mich in ihrer tatsächlichen Umsetzung leider kaum berührt. Und das liegt wohl an der Inszenierung in diesem düsteren Setting mit zwei Kopien der Originale (Picard & Data) am Tisch. Und auch die Tatsache, dass inhaltlich von den Figuren leider viel Belangloses gesprochen wird, nimmt dieser Szene einiges von ihrer Wirkung. Das hätte man sicherlich auch noch besser inszenieren können.
Schade, aber vielleicht schafft es eine Reunion auf der Brücke der Enterprise-D noch, dass bei mir die Tränchen kullern.
On Screen: Serien-Podcast
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